Sachsen verabschiedet sich von der elektronischen Gesichtserkennung an der Grenze zu Polen und Tschechien. War die Maßnahme ein Misserfolg?
"Sachsen ist nicht nur Tatort grenzüberschreitender Kriminalität, sondern hier befinden sich auf Grund der Grenzlage auch wichtige Verbringungsrouten zum Beispiel für Diebesgut. Beute wird zur Sicherung in das Ausland verschafft. Es sind regelmäßig zum Teil bereits auffällig gewordene Täterkreise am Werk, die bandenmäßig oder sonst organisiert handeln. Gegen solche Personen wird künftig eine spezielle Kontrollmaßnahme möglich sein, die es zulässt, dass deren Bewegung auf einschlägigen Routen im Grenzbereich per Video erfasst wird." So begründete 2019 das sächsische Innenministerium die Einführung der Gesichtserkennung.
§ 59 des Sächsischen Polizeivollzugsdienstgesetz (SächsPVDG) erlaubt dem Polizeivollzugsdienst seitdem, Bildaufnahmen auf bestimmten Straßen in einem 30 Kilometer breiten Grenzstreifen zu machen sowie Daten abzugleichen. Zu der Gesichtserkennung kommt die Erfassung von Informationen über Ort, Zeit und Verkehrsrichtung der Nutzung hinzu. Die personenbezogenen Daten werden automatisiert mit anderen personenbezogenen Daten bestimmter Personen abgeglichen, welche zur polizeilichen Beobachtung ausgeschrieben waren. So können gestützt auf diese Norm im Grenzgebiet zur polizeilichen Beobachtung ausgeschriebene Personen mithilfe von Gesichtserkennung gesucht werden.
Gesichtserkennung hat sich in der Praxis nicht bewährt
Der Paragraf solle nicht über Ende Dezember 2023 hinaus verlängert werden, teilte das Innenministerium nun am Dienstag mit. Eine Überprüfung der Regelung habe ergeben, dass es nicht verhältnismäßig wäre, sie beizubehalten. Der technische und personelle Aufwand für die Gesichtserkennung in einem 30 Kilometer breiten Streifen entlang der polnischen und der tschechischen Grenze sei sehr hoch gewesen, so der sächsische Innenminister Armin Schuster. "Gleichzeitig hat sich der fachliche Erfolg im Praxisbetrieb nicht eingestellt". Insbesondere die Vorgaben des Datenschutzes hätten Probleme bereitet, so ein Pressesprecher auf Anfrage von LTO.
Man habe damals "juristisches, technisches und fachliches Neuland" betreten, erklärte das Ministerium. Die sächsische Landesregierung hatte sich bei der Einführung ein effektives Instrument zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität versprochen. "Wir werden aber auch weiterhin jede technische Option in Betracht ziehen, um unserer Polizei sämtliche rechtlich zulässigen Instrumente zur Verbrechensbekämpfung an die Hand zu geben", bekräftige der Innenminister.
Auf Anfrage von LTO erklärte ein Pressesprecher des Ministeriums, dass die herkömmliche Videoüberwachung ohne automatisierten Datenabgleich weiter angewandt werde, so zum Beispiel in Görlitz. Diese Maßnahme, die auf § 57 des SächsPVDG gestützt werde, sei in der Praxis erfolgreich.
Zum Hintergrund: Im Grenzgebiet ist nach § 2 Bundespolizeigesetz (BPolG) die Bundespolizei für die Überwachung und Sicherheit der Grenze zuständig. Die Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität ist aber auch im 30 Kilometer breiten Grenzstreifen Sache des Landes.
Der Einsatz von Gesichtserkennung wurde auch im Zuge der Reform des Bundespolizeigesetzes diskutiert. Am Ende wurde der Bundespolizei die Befugnis zur elektronischen Gesichtserkennung aber nicht zuerkannt.
lfo/dpa/LTO-Redaktion
Kriminalitätsbekämpfung in der Grenzregion: . In: Legal Tribune Online, 23.08.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52543 (abgerufen am: 13.12.2024 )
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