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Lebenspartnerschaften: BVerfG sorgt für Gleichstellung bei der Erbschaftssteuer

LTO-Redaktion/hho/cdü

17.08.2010

Lebenspartner

© Jason Mark Photos - Fotolia.com

Das BVerfG hat die Rechte homosexueller Lebenspartner bei der Erbschaftsteuer gestärkt. Die Ungleichbehandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft im Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz ist nicht mit Art. 3 I GG vereinbar. Die Urteilsbegründung lässt aufhorchen.

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Lebenspartner werden seit der Schaffung des Rechtsinstituts der Lebenspartnerschaft im Jahr 2001 erbschaftsteuerrechtlich erheblich höher belastet als Ehegatten. Schon nach dem Erbschaftsteuergesetz
in der alten Fassung (ErbStG a.F.) fielen Lebenspartner als "übrige Erwerber" in die Steuerklasse III, die Steuersätze bis zu 50 Prozent vorsah. Ehegatten profitierten von der günstigsten Steuerklasse I mit einem Steuersatz zwischen 7 und 30 Prozent, abhängig von der Höhe des geerbten Vermögens. Zudem gewährte das ErbStG a.F. Ehegatten einen erheblich höheren persönlichen Freibetrag sowie einen besonderen Versorgungsfreibetrag, der  Lebenspartnern ganz verwehrt blieb.

Seit dem Erbschaftsteuerreformgesetz von 2008 wird der persönliche Freibetrag und der Versorgungsfreibetrag für erbende Lebenspartner und Ehegatten gleich bemessen. Eingetragene Lebenspartner werden aber weiterhin mit den höchsten Steuersätzen besteuert - wie entfernte Verwandte und Fremde.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat nun die aktuellen rechtlichen Grundlagen wegen Verstoßes gegen Art. 3 I Grundgesetz (GG) für verfassungswidrig erklärt. Es gab damit den zwei Beschwerdeführern Recht, die beide ihren jeweiligen Lebenspartner im Jahr 2001 bzw. 2002 verloren hatten, und zuvor vor den Finanzgerichten erfolglos gegen eine Festsetzung des Erbschaftsteuersatzes der Steuerklasse III und die Gewährung des geringsten Freibetrags geklagt hatten.

Keine schwerwiegenden Unterschiede zwischen Ehe- und Lebenspartnern

Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass zwischen eingetragenen Lebenspartnern und Ehegatten keine schwerwiegenden Unterschiede bestehen, die eine Benachteiligung der Lebenspartner rechtfertigen.

Insbesondere das im Steuerecht für eine Privilegierung der Ehegatten gängige Argument des besonderen staatlichen Schutzes von Ehe und Familie aus Art. 6 Abs. 1 GG ließen die Richter in diesem Fall nicht ausreichen. Ebenso könne das Argument einer höheren Leistungsfähigkeit erbender Lebenspartner zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung nicht herangezogen werden.

Lebenspartner partizipierten wie Ehepartner bereits zu Lebzeiten am Vermögen ihres eingetragenen Lebenspartners und erwarteten, den gemeinsamen Lebensstandard im Falle des Todes eines Lebenspartners halten zu können. Sofern dem Erhalt der Erbschaft durch den Freibetrag für Ehegatten unterhaltsersetzende Funktion sowie eine Versorgungswirkung zukomme, gelte dies auch für Lebenspartner, die nach der schon für die Ausgangsverfahren maßgebenden Rechtslage einander zu "angemessenem Unterhalt" verpflichtet seien.

Auch das das Erbschaftsteuerrecht prägende Familienprinzip reiche für eine Rechtfertigung nicht aus. Wie die Ehe sei die eingetragene Lebenspartnerschaft auf Dauer angelegt, rechtlich verfestigt und begründe
eine gegenseitige Unterhalts- und Einstandspflicht.

Entscheidung mit Signalwirkung?

Die Richter betonten zwar, dass die Ehe sich in ihrer Eignung als Ausgangspunkt der Generationenfolge von der Lebenspartnerschaft unterscheide, da aus der Beziehung gleichgeschlechtlicher Paare grundsätzlich keine gemeinsamen Kinder hervorgehen können. Dieser Gesichtspunkt könne jedoch nicht als Grundlage einer unterschiedlichen Behandlung von Ehegatten und Lebenspartnern herangezogen werden, da er in der gesetzlichen Regelung nicht hinreichend umgesetzt sei. Denn das geltende Recht mache - im Unterschied zu früheren Regelungen - die Privilegierung der Ehe bzw. die Höhe des Freibetrags für Ehegatten gerade nicht vom Vorhandensein gemeinsamer Kinder abhängig.

Diese Argumentation könnte durchaus Signalwirkung haben für die ausstehenden Entscheidungen des BVerfG zum Splittingtarif bei der Einkommensteuer (Az. 2 BvR 909/06 bzw. 2 BvR 288/07). Auch dieser bleibt Lebenspartnern bislang verwehrt und ist ebenfalls nicht davon abhängig, dass gemeinsame Kinder aus einer Ehe hervorgegangen sind.

Das BverfG hat den Gesetzgeber bis zum 31. Dezember 2010 mit einer
Neuregelung für die vom ErbStG a.F. betroffenen Altfälle beauftragt, die die Gleichheitsverstöße in dem Zeitraum zwischen dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften vom 16. Februar 2001 bis zum Inkrafttreten des Erbschaftsteuerreformgesetz vom 24. Dezember 2008 beseitigt.

Auffällig bei der Entscheidung wie schon beim Urteil zur Pendlerpauschale: Das Bundesverfassungsgericht wendet sich von seiner pro-futuro-Rechtsprechung ab, die es zuvor gerade im Steuerrecht verfolgt hatte. Der Gesetzgeber muss also rückwirkend nachbessern, nicht erst für die Zukunft.

Grüne fordern Gleichstellung auch bei der Einkommensteuer

Der Beschluss des BVerfG stößt bei den Grünen auf Zustimmung. Die von Schwarz-Gelb geplante Änderung der Erbschaftsteuer sei mit dem Urteil Makulatur, weil die von Karlsruhe geforderte Rückwirkung fehle, so der Geschäftsführer der Grünen-Fraktion im Bundestag Volker Beck. "Eine Blamage für die liberale Justizministerin, die so stolz auf diese halbherzige Korrektur war."

Beck forderte, auch die Benachteiligung homosexueller Lebensgemeinschaften bei der Einkommensteuer und in der Beamtenversorgung unverzüglich zu beenden. "Hier muss die Bundesregierung nun endlich zu der Gleichstellung kommen, die sie in ihrem Koalitionsvertrag so vollmundig versprochen hat."

Die Bundesregierung sieht sich hingegen in ihrer Politik bestätigt. Der Abbau von Benachteiligungen der eingetragenen Lebenspartnerschaften sei bereits im Koalitionsvertrag verankert, betonte Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) am Dienstag in Berlin. Die volle Gleichstellung im Beamtenrecht sei in Arbeit und könne bald verabschiedet werden. Die Gleichbehandlung bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer habe das Kabinett bereits beschlossen.

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LTO-Redaktion/hho/cdü, Lebenspartnerschaften: BVerfG sorgt für Gleichstellung bei der Erbschaftssteuer . In: Legal Tribune Online, 17.08.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/1218/ (abgerufen am: 31.01.2023 )

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