Im Sommer haben sich die Regierungsfraktionen auf eine Reform der StPO geeinigt. Einen entsprechenden Gesetzesentwurf hat das Kabinett nun beschlossen. Kritik von Anwälten und Wissenschaftlern an den Plänen zu Beschuldigtenrechten und DNA-Analyse bleibt.
Das Bundeskabinett hat am Mittwoch den Gesetzesentwurf zur Modernisierung des Strafverfahrens beschlossen. Die Regierungskoalition beabsichtigt damit vor allem die Strafprozesse zu beschleunigen, ohne aber Beschuldigtenrechte beeinträchtigen zu wollen. Konkret heißt das Neuregelungen zu Befangenheitsanträgen, Beweisanträgen und Besetzungsrügen.
Bundesjustizministerien Christine Lambrecht sieht darin den richtigen Schritt für "eine effektive Strafverfolgung". Hauptziel des Entwurfs sei es, den Gerichten eine störungsfreie Durchführung der Hauptverhandlung zu ermöglichen. Zum Beispiel sollten künftig Strafverfahren durch ständig gleichlautende Beweisanträge nicht mehr künstlich in die Länge gezogen werden können.
Befangenheitsanträge sollten durch eine neue Fristenregelung nicht mehr zur Unterbrechung der Hauptverhandlung führen, so die Ministerin. Gleiches gelte für Rügen der fehlerhaften Besetzung des Gerichts, die möglichst schon vor dem Beginn der Hauptverhandlung abschließend geprüft sein sollten.
Unumstritten ist der neue Gesetzesentwurf nicht. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) kritisierte bereits bei der Einigung auf die Eckpunkte im Sommer, dass erneut einseitig Beschuldigtenrechte beschnitten würden. Dr. Ali B. Norouzi, Rechtsanwalt für Strafrecht und Mitglied des Ausschusses Strafrecht im DAV warnte nach der umfassenden StPO-Reform 2017 vor einer weiteren Einschränkung des Beweisantragsrechts.
Mehr DNA-Analysen und weniger Gesichtsverhüllung
Grund zur Sorge sieht die CDU/CSU-Bundestagsfraktion aber nicht. Gerade in Großverfahren gebe dies der Justiz Mittel an die Hand, um Prozesse gegen taktische Verzögerungen zu schützen, sagte die rechtspolitische Sprecherin Elisabeth Winkelmeier-Becker. Prozessverschleppungen könnten durch Änderungen im Befangenheits- und Beweisantragsrecht sowie bei Besetzungsrügen künftig erschwert und Gerichtsverfahren dadurch beschleunigt werden.
Der Gesetzentwurf setzt die vom Bundeskabinett am 15. Mai 2019 beschlossenen Eckpunkte zur Modernisierung des Strafverfahrens um. Polizei und Staatsanwaltschaften stehen für ihre Ermittlungen zukünftig auch die umstrittene erweiterte DNA-Analyse zur Verfügung, über die sie das Aussehen des mutmaßlichen Täters feststellen können. Mit molekulargenetische Untersuchungen sollen sich Haar-, Augen- und Hautfarbe sowie das Alter bestimmen lassen. Die neue Untersuchungsmethode steht insbesondere deswegen in der Kritik, weil ihre Genauigkeit überschätzt werde, so Prof. Dr. Marco Mansdörfer in einem Beitrag für LTO.
Außerdem sollen die Ermittler mehr Befugnisse für die Telefonüberwachung bei Wohnungseinbruchsdiebstählen bekommen. Ausdrücklich geregelt ist nun auch dass Verfahrensbeteiligte in Gerichtsverhandlungen ihr Gesicht weder ganz noch teilweise verhüllen dürfen, wenn dieses Verbot zur Identitätsfeststellung oder zur Beurteilung des Aussageverhaltens notwendig ist und keine medizinischen Gründe vorliegen, die gegen ein Verhüllungsverbot sprechen.
Und auch Opfer von Sexualstraftaten sollen besser geschützt werden. Weil diese leider zu oft ihre zunächst gemachten Aussagen im Strafprozess unter dem Druck des Täters zurücknehmen würden oder schwiegen, muss bei Sexualstraftaten die Vernehmung auf Video aufgezeichnet werden, es sei denn das Opfer stimme dem vor der Aufzeichnung nicht zu, erklärt der rechtspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Johannes Fechner die prozessuale Neuerung bei den Sexualdelikten. Wenn das Opfer nach der Videoaufnahme der Ersetzung seiner Aussage durch die Videoaufnahme im Prozess nicht widerspreche, könne das Video in der Hauptverhandlung die Opferaussage ersetzen.
mgö/LTO-Redaktion
Modernisierung des Strafverfahrens: . In: Legal Tribune Online, 23.10.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/38341 (abgerufen am: 04.10.2024 )
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