Die Stasi-Überprüfungen im öffentlichen Dienst werden 21 Jahre nach der Wiedervereinigung ausgeweitet. Der Bundestag beschloss am Freitag mit den Stimmen der Regierungsfraktionen von CDU/CSU und FDP die umstrittene Änderung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes.
Die noch in der Bundesbehörde für die Stasi-Unterlagen beschäftigten 45 ehemaligen Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit sollen nach einem neu aufgenommenen Passus in andere Behörden versetzt werden können. Erstmals gab es für die Novellierung keine breite parlamentarische Mehrheit.
Der Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Roland Jahn, sagte der Nachrichtenagentur dpa: "Es ist gut, dass wir das Stasi-Unterlagen-Gesetz mit all seinen Novellierungen haben." Die Vereinigung der Opfer des Stalinismus sprach von einem Sieg der Vernunft. Die Neuregelungen seien wichtig für die politische Hygiene.
SPD: Überprüfungen ohne Verdacht "unverhältnismäßig"
In der kontroversen Debatte sagte Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse für die SPD zur nunmehr achten Novelle, dass das latente Misstrauen gegen Ostdeutsche nicht festgeschrieben werden dürfe. Die SPD sei gegen einen Schlussstrich unter die Stasi-Aufarbeitung, doch eine Ausweitung der Überprüfungen ohne Verdacht sei mehr als zwanzig Jahre nach der Einheit "unverhältnismäßig".
Die SPD enthielt sich in der Schlussabstimmung ebenso wie die Grünen der Stimme, die Linken votierten gegen das Gesetz.
Die geplanten Versetzung seien verfassungsrechtlich bedenklich, so Thierse. Nach der Wende hätten die damaligen Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) und der erste Beauftragte für die Unterlagen Joachim Gauck die Ex-Stasi-Mitarbeiter eingestellt, weil sie für die Aktenerschließung gebraucht wurden. Sie hätten sich nun Vertrauensschutz erworben.
Stasi-Überprüfungen noch bis 2019
Stasi-Überprüfungen sind jetzt bis 2019 und damit dreißig Jahre nach dem Mauerfall möglich. Künftig ist es verboten, frühere Stasi-Leute in der
Stasi-Unterlagen-Behörde zu beschäftigen. Nach der zum Jahresende auslaufenden Regelung konnten nur wenige Spitzenpositionen im
öffentlichen Dienst überprüft werden. Mit der Novelle soll der Zugang zu den Akten für Wissenschaftler und Journalisten erleichtt werden.
Für die Unionsfraktion wies Beatrix Philipp Kritik der Opposition zurück: "Das Gesetz ist ein herausragendes Beispiel für lebendige Demokratie." Es stelle Transparenz und Vertrauen her. Dass die Aufarbeitung noch aktuell sei, hätten auch jüngste Stasi-Enthüllungen in Brandenburg gezeigt. An die Adresse von Thierse sagte sie, von "Verfolgungsradikalismus" könne keine Rede sein.
Den Opfern der SED-Diktatur sei die Begegnung mit einstigen Stasi-Leuten nicht länger zuzumuten, betonte Philipp ebenso wie Reiner Deutschmann von der FDP. Durch die Beschäftigung von früheren Stasi-Mitarbeitern sei die Glaubwürdigkeit der Behörde angekratzt gewesen, sagte der FDP-Abgeordnete.
Künftig sollen Personen ab der Gehaltsstufe A9 (was der mittleren Leitungsebene entspricht) ohne Anlass überprüft werden können. Zudem kann jeder Beschäftigte im öffentlichen Dienst bei konkretem Verdacht dem Stasi-Check unterzogen werden. Der Bundesbeauftragte Jahn hatte die Beschäftigung von ehemaligen Stasi-Leuten bei seinem Amtsantritt als Schlag ins Gesicht der Opfer bezeichnet.
dpa/tko/LTO-Redaktion
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Gesetzgebung: . In: Legal Tribune Online, 30.09.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4447 (abgerufen am: 10.12.2024 )
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