Kein Landesverrat: GBA stellt Ermittlungen gegen Netzpolitik.org ein

Bild: Netzpolitik.org (CC BY-NC-SA 3.0)
Der Generalbundesanwalt hat die Ermittlungen wegen des Verdachts der strafbaren öffentlichen Bekanntgabe eines Staatsgeheimnisses gegen netzpolitik.org eingestellt.
Der Generalbundesanwalt (GBA) gehe mit dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) davon aus, dass es sich bei den veröffentlichten Inhalten nicht um ein Staatsgeheimnis im Sinne des § 93 StGB (Strafgesetzbuch) handelt, heißt es knapp in der am Montagmorgen veröffentlichten Pressemitteilung. Er stelle die Ermittlungen daher nach § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO), also mangels hinreichenden Tatverdachts ein.
Auch die Voraussetzungen der subjektiven Tatseite sieht der GBA nicht als gegeben an, geht also nicht von einem - mindestens bedingten - Vorsatz der Blogger aus. Die fordern ihrerseits Akteneinsicht, die ihnen "bislang noch verwehrt" werde. Aus dem BMJV war eine Stellungnahme auch bezüglich des dort in Auftrag gegebenen Gutachtens, ob ein Staatsgeheimnis verletzt worden sein könnte, nicht zu erhalten.
Getroffen hat die Einstellungsverfügung nach Angaben einer Sprecherin Bundesanwalt Gerhard Altvater, der ständige Stellvertreter von Ex-Generalbundesanwalt Harald Range. Dessen Ruhestandsurkunde hatte Bundespräsident Joachim Gauck bereits am vergangenen Donnerstag unterzeichnet, nachdem die Ermittlungen zu einem Zerwürfnis von Range mit Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) geführt hatten, der ihm das Vertrauen entzog.
Von der Einstellungsentscheidung gegen die Blogger unberüht bleibt der Tatverdacht gegen bislang unbekannte Berufsgeheimnisträger wegen der Verletzung des Dienstgeheimnisses (§ 353b StGB). Dieses Verfahren werde an die hierfür örtlich zuständige Staatsanwaltschaft abgegeben.
pl/acr/LTO-Redaktion
Mit Materialien von dpa
Wenn es keine Staatsgeheimnisse sind, bleibt die Fage, ob der Ex-GBA nun strafrechtlich wegen Verfolgung Unschuldiger nach §344 StGB belangt wird. Oder muss man es hinnehmen, dass der GBA nicht sachkundig ist bei Strafsachen, die er verfolgen soll, und das Märchen akzeptieren, dass man erst das Ermittlungsverfahren einleiten musste, um ein Gutachten zu fertigen, das als Grundlage für das Einleiten eines Ermittlungsverfahren sein sollte mangels eigener Sachkunde und Urteilsfähigkeit des GBA? Catch 22 oder rechtswidrige Willkür?
Wolfgang Ksoll