Wer sich auf Facebook anmeldet, muss einer automatisierten Datenverarbeitung zustimmen. Das Bundeskartellamt hat diese Praxis verboten – wegen Verstößen gegen die DSGVO. Doch durfte die Wettbewerbsbehörde das überhaupt prüfen?
Facebooks Mutterkonzern Meta hat vor dem höchsten europäischen Gericht eine Niederlage erlitten. Kartellbehörden dürfen bei ihren Wettbewerbsuntersuchungen auch die Einhaltung von Datenschutzvorschriften prüfen, entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Dienstag (Urt. v. 04.07.2023, Az. C-252/21). Damit durfte das deutsche Bundeskartellamt (BKartA) Meta die Zusammenführung von Nutzerdaten grundsätzlich verbieten.
Um sich bei Facebook anzumelden, müssen Nutzer den Allgemeinen Nutzungsbedingungen und den Richtlinien für die Verwendung von Daten und Cookies zustimmen. Diese gestatten es Meta, Daten über die Aktivitäten innerhalb und außerhalb der Plattform zu erfassen und sie den Facebook-Konten der User zuzuordnen. Wenn Nutzer also zeitgleich auf anderen Websites surfen, verwendet Meta diese Daten, um Werbung, die die Nutzer auf Facebook angezeigt bekommen, auf deren Präferenzen zuzuschneiden. Auch die Nutzungsdaten anderer Plattformen des Meta-Konzerns, wie etwa Instagram und WhatsApp, werden auf diese Weise verarbeitet.
Das BKartA wertete diese Praxis 2019 als Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung. Es untersagte Meta, in den Allgemeinen Nutzungsbedingungen den Zugang zu Facebook von der Einwilligung in die Datenverarbeitung abhängig zu machen. Zugleich verbot es dem Unternehmen, die Daten ohne Einwilligung der Nutzer zu verarbeiten.
Zur Begründung verwies das BKartA auf die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), mit der eine solche Praxis nicht in Einklang stehe. Meta missbrauche damit seine beherrschenden Stellung auf dem deutschen Markt für soziale Online-Netzwerke. Das Unternehmen wehrte sich dagegen vor dem Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf. Dieses legte setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH die Frage vor, ob nationale Wettbewerbsbehörden DSGVO-Verstöße überhaupt prüfen dürfen. Die Luxemburger Richter bejahten das nun.
Marktmissbrauch durch Verstöße gegen Datenschutz möglich
Bei der Prüfung, ob ein Unternehmen seine marktbeherrschende Stellung missbrauche, seien die Behörden entgegen dem Vorbringen von Meta nicht auf Vorschriften des Wettbewerbsrechts beschränkt. Vielmehr dürften, falls nötig, auch andere Vorschriften wie die DSGVO herangezogen werden, so die Richter. Die marktbeherrschende Stellung sei hier ein wichtiger Aspekt für die Prüfung, ob die Einwilligung in die Datenverarbeitung überhaupt freiwillig und damit wirksam war.
Der EuGH setzte einer ausufernden Prüfung des Datenschutzrechts durch Kartellbehörden jedoch klare Grenzen: Diese sollten nicht die Aufgaben der für den Datenschutz originär zuständigen Aufsichtsbehörden wahrnehmen. Die Prüfung möglicher DSGVO-Verstöße durch eine Wettbewerbsbehörde erfolge "ausschließlich, um den Missbrauch einer beherrschenden Stellung festzustellen und gemäß den wettbewerbsrechtlichen Vorschriften Maßnahmen zur Abstellung dieses Missbrauchs aufzuerlegen", heißt es in einer Pressemitteilung des Gerichts. Gegebenenfalls müssten sich die beiden Behörden miteinander abstimmen. Habe eine Datenschutzbehörde bereits eine bestimmte Praxis auf DSGVO-Konformität geprüft, dürfe sich das Kartellamt über diese Entscheidung nicht hinwegsetzen.
Das BKartA wertete das Urteil als "hervorragendes Signal". Die Entscheidung werde weitreichende Auswirkungen auf die Geschäftsmodelle der Datenwirtschaft haben, sagte Präsident Andreas Mundt. Auch Rechtsanwalt Dr. Till Steinvorth von der Kanzlei Noerr sieht das Urteil als "großen Erfolg" für das BKartA.
War Untersagungsverfügung des BKartA rechtmäßig?
Nun muss das OLG Düsseldorf entscheiden, ob die Untersagungsentscheidung des BKartA rechtmäßig war. Dabei wird es u.a. zu prüfen haben, ob die Praxis von Meta unter einen in der DSGVO genannten Rechtfertigungsgrund fallen könnte. Hierüber entschied der EuGH nicht abschließend, äußerte jedoch Zweifel. Allein der Umstand, dass Meta sich mit personalisierter Werbung finanziere, reicht nach Ansicht des EuGH jedenfalls nicht aus, um die fragliche Datenverarbeitung zu legitimieren.
Laut Steinvorth ist es wahrscheinlich, dass das Verfahren beim OLG Düsseldorf "in Kürze seinen Abschluss findet". Voraussichtlich werden die Düsseldorfer Richter die Entscheidung des BKartA bestätigen, so der Anwalt.
mk/LTO-Redaktion mit Material der dpa
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