Druckversion
Dienstag, 3.10.2023, 15:42 Uhr


Legal Tribune Online
Schriftgröße: abc | abc | abc
https://www.lto.de//recht/nachrichten/n/bverwg-2b318-beamte-dienst-unfall-gespraech-beleidigung-beschimpfung-depression/
Fenster schließen
Artikel drucken
32187

BVerwG zu Dienstunfall bei Beamten: Anbrüllen kann weh tun

19.11.2018

Chef schreit Mitarbeiter an (Symbolbild)

© Minerva Studio - stock.adobe.com

Wegen der Folgen eines Dienstgesprächs beantragte ein Kriminalbeamter Unfallfürsorge. Die bekam er zwar nicht, aber die Welt dafür ein Urteil des BVerwG, dass auch nicht-körperliche Einwirkungen, wie "aggressives Anbrüllen", verletzen können.

Anzeige

Um einen Dienstunfall geltend zu machen, braucht es nicht unbedingt einen Sturz oder eine körperliche Attacke. Auch die Folgen von nicht-körperlichen Einwirkungen in einem Dienstgespräch, wie aggressives Anbrüllen, Beleidigungen oder Beschimpfungen können einen Dienstunfall begründen, bestätigt das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung. Dafür müsste aber der Rahmen des "Normalen" verlassen werden (Beschl. v. 11.10.2018, Az. 2 B 3.18).

Ein Kriminaloberkommissar warf seinem Vorgesetzen vor, ihn in einem Personalgespräch derart angegangen zu haben, dass dies bei ihm eine posttraumatische Belastungsstörung und eine mittelschwere Depression ausgelöst habe.

BVerwG: Auch Gespräche können Dienstunfall begründen

Der Grund für das Gespräch war, dass der beim Bundeskriminalamt im Bereich Personenschutz als Sachbearbeiter tätige Mann offenbar selbst in Konflikt mit der Polizei gekommen und in Gewahrsam genommen worden war. Als Festnahmegrund gab das Polizeikommissariat Spannerei, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Verstoß gegen Weisungen an.

Das daraufhin anberaumte dienstliche Gespräch mit seinem Vorgesetzten verlief dann offenbar derart unangenehm für den BKA-Beamten, dass er anschließend Unfallfürsorge beantragte. Allerdings blieben sein Antrag, Widerspruch, Klage und letztlich die Berufung zum Oberverwaltungsgericht (OVG) erfolglos. Für die Oberverwaltungsrichter war das Gespräch nach der Beweisaufnahme kein "auf äußerer Einwirkung beruhendes" Ereignis im Sinne von § 31 Abs. 1 Satz 1 Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVG) a.F., welches einen Dienstunfall begründen würde.

Die Beschwerde des Oberkommissars gegen die Nichtzulassung der Revision durch das OVG hat das BVerwG zurückgewiesen. Der zweite Senat sah nicht die grundsätzliche Bedeutung, auf die sich der 46-Jährige nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) als Revisionszulassungsgrund gestützt hatte.

Grenze der Sozialadäquanz muss überschritten sein

Denn dass auch verbale Einwirkungen einen Dienstunfall darstellen können, war auch nach bisheriger Ansicht des Gerichts unbestritten: Die Leipziger Richter verwiesen dabei auf ihre ständige Rechtsprechung, wonach mit dem Merkmal der "äußeren Einwirkung" lediglich äußere von krankhaften inneren Vorgängen abgegrenzt werden sollten. Entscheidend sei danach, ob der körperliche Schaden aus der Veranlagung oder dem willentlichen Verhalten des Betroffenen resultiere.

Deswegen könnten auch herabsetzende Reden, Beleidigungen und Beschimpfungen eine äußere Einwirkung sein, weil sie "von außen her" die seelische Verfassung des Betroffenen beeinflussten und zu körperlichen Beeinträchtigungen führen könnten, so der zweite Senat.

Grundsätzlich könnten deswegen auch dienstliche Gespräche solche äußere Einwirkungen im Sinne des Dienstunfallrechts sein. Dafür müssten aber Verlauf, Äußerungen oder Inhalt die Grenze des Gesprächs der Sozialadäquanz überschreiten. Nur dann sei ein seelischer Schaden der Sphäre des Dienstherrn und nicht der des Beamten aufgrund seiner besonderen individuellen Verlangung zuzurechnen. Ein im Rahmen des "Normalen" bleibendes Gespräch mit dienstlichem Anlass genüge nicht, so das BVerwG.

mgö/LTO-Redaktion

  • Drucken
  • Senden
  • Zitieren
Zitiervorschlag

BVerwG zu Dienstunfall bei Beamten: Anbrüllen kann weh tun . In: Legal Tribune Online, 19.11.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/32187/ (abgerufen am: 03.10.2023 )

Infos zum Zitiervorschlag
  • Mehr zum Thema
    • Beamtenrecht
    • Arbeitsunfall
    • Beamte
    • Dienstrecht
    • Polizei
  • Gerichte
    • Bundesverwaltungsgericht (BVerwG)
02.10.2023
Justiz

Besetzungsstreit beim OVG NRW geht weiter:

NRW-Jus­tiz­mi­nister muss sich in Son­der­sit­zung ver­ant­worten

Seit mehr als zwei Jahren ist die Stelle des obersten Verwaltungsrichters in NRW vakant. In einem Beschluss des Verwaltungsgerichts Münster wurde deutliche Kritik am NRW-Justizminister laut ­– der legt dagegen nun Beschwerde ein.

Artikel lesen
26.09.2023
Klimaproteste

VG Berlin verwirft Gebührenbescheid im Eilverfahren:

Kli­mak­leber müssen nicht für Poli­zei­ein­satz zahlen

Die Polizei Berlin ist immer wieder damit beschäftigt, "Klimakleber" von der Straße zu entfernen. Nun muss das VG Berlin klären, wer die Kosten trägt.

Artikel lesen
03.10.2023
Mord

Neues vom Planeten Sirius:

War "Fred vom Sirius" ein Seri­en­mörder?

Juristen kennen ihn alle aus dem Studium: Den Siriusfall. Jetzt deckt eine ARD-Recherche weitere mysteriöse Todesfälle im Umfeld des Täters auf. Entstanden ist eine unglaubliche Podcast- und Doku-Serie, meint Katharina Reisch.

Artikel lesen
02.10.2023
Justiz

Staatsanwaltschaft Hamburg am stärksten unter Druck:

30 Pro­zent mehr offene Ermitt­lungs­ver­fahren in zwei Jahren

Mehr Verfahren, komplexe Ermittlungen, Personalmangel. Bundesweit kämpfen die Staatsanwaltschaften gegen die stetig wachsenden Aktenberge, wie der Deutsche Richterbund berichtet. Nur Sachsen-Anhalt trotzt dem Trend.

Artikel lesen
01.10.2023
Meinung

Eine Frage an Thomas Fischer:

Hat sich Fried­rich Merz wegen Volks­ver­het­zung strafbar gemacht?

Nachdem Friedrich Merz eine Bevorzugung von Asylbewerbern bei der Zahnarztbehandlung behauptete, hat eine Abgeordnete der Partei Die LINKE öffentlichkeitswirksam Strafanzeige gegen den CDU-Vorsitzenden erstattet. Was ist da dran, Herr Fischer? 

Artikel lesen
01.10.2023
Mitbestimmung

Betriebliche Mitbestimmung:

USA und Papst versus "rotes Hessen"

Vor 75 Jahren erschien in Wiesbaden ein seltsam zensiertes Gesetzblatt: Auf den Weg gebracht wurde ein neues Betriebsrätegesetz, dem die US-Militärregierung jedoch seine radikaldemokratischen Zähne gezogen hatte.

Artikel lesen
TopJOBS
Rechts­an­walt (m/w/d) - In­di­en

Rödl & Partner

Rich­ter/in auf Pro­be (m/w/d)

Ministerium für Justiz und Verbraucherschutz des Landes Sachsen-Anhalt , Mag­de­burg

Se­k­re­tär / Se­k­re­tärin (m/w/d) in der Rechts­be­ra­tung

Becker Büttner Held , Ber­lin

Werk­stu­dent für LTO-News­desk (m/w/d)

Wolters Kluwer Deutschland GmbH , Hürth

Rechts­re­fe­ren­da­re (m/w/d)

SammlerUsinger , Ber­lin

Se­nior Di­gi­tal Pro­duct Ma­na­ger - WKO (m/w/d)

Wolters Kluwer Deutschland GmbH , Hürth

Re­fe­ren­dar*in / Dok­to­rand*in (m/w/d)

Becker Büttner Held , Ham­burg

Wis­sen­schaft­li­che*r Mit­ar­bei­ter*in / Dok­to­rand*in (m/w/d)

Becker Büttner Held , Ham­burg

Alle Stellenanzeigen
Veranstaltungen
INCOTERMS2020 - Trainer Rezertifizierung

10.10.2023, Frankfurt am Main

Fachanwaltslehrgang Gewerblicher Rechtsschutz im Fernstudium/online

04.10.2023

Update Sozialpartnermodell (SPM) – Reine Beitragszusage vor dem Durchbruch in der Praxis?!

04.10.2023

BrownBags Metaverse: «Blockchain-Domain-Namen und Markenrechte im Metaverse»

04.10.2023

Übersichtlich organisiert -Termine / Fristen

04.10.2023

Alle Veranstaltungen
Copyright © Wolters Kluwer Deutschland GmbH