Legal Chatbots und Vertragsgeneratoren sind in aller Munde. Aber sind diese und andere Legal-Tech-Angebote auch zulässig? Dr. Frank R. Remmertz und Nico Kuhlmann haben neben Antworten auch Vorschläge für ein sichereres Recht.
Wie durch kaum eine andere Entwicklung wird der Rechtsmarkt gegenwärtig von der stetig voranschreitenden Digitalisierung geprägt. Die Arbeitsweisen und Prozesse auf dem Rechtsmarkt werden sich in den kommenden Jahren tiefgreifend verändern.
Neben digitalen Werkzeugen, welche alltägliche anwaltliche Tätigkeiten erleichtern, gibt es auch immer mehr Geschäftsmodelle, die direkt und unmittelbar mit klassischen anwaltlichen Beratungsdienstleistungen konkurrieren. Dazu gehören beispielsweise Chatbots, die eine vorläufige Rechtseinschätzung abgeben, und Vertragsgeneratoren, die individuell zugeschnittene Rechtsdokumente erstellen.
Durch den rasanten Aufstieg dieser Geschäftsmodelle rückt nun zunehmend die Frage in den Vordergrund, wann die Schwelle zu einer erlaubnispflichtigen Rechtsdienstleistung erreicht wird.
Das RDG: Verbotsgesetz zum Schutz vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen
Das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) regelt die Befugnis, außergerichtliche Rechtsdienstleistungen zu erbringen. Es soll die Rechtsuchenden, den Rechtsverkehr und die Rechtsordnung vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen schützen. Die Anwaltschaft und deren Besitzstand sind dagegen keine direkten Schutzgegenstände des RDG, sondern werden lediglich als Rechtsreflex mit erfasst.
Das RDG ist ein Verbotsgesetz mit Erlaubnisvorbehalt. Es verbietet grundsätzlich die selbstständige Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen, es sei denn, diese wird ausdrücklich erlaubt. In der Praxis besonders relevant ist die Erlaubnis von Inkassodienstleistungen, also der Einzug von Forderungen für Dritte. Andere im RDG ausdrücklich geregelte Erlaubnistatbestände sind in Bezug auf Legal-Tech-Geschäftsmodelle regelmäßig nicht einschlägig.
Die Anbieter von Rechtsdienstleistungen müssen dabei stets selbst über eine entsprechende Erlaubnis verfügen. Wer digitale Produkte und Dienstleistungen anbietet, ohne selbst Rechtsanwalt zu sein oder eine sonstige Erlaubnis nach dem RDG inne zu haben, kann sich dem Verbotsbereich des RDG nicht dadurch entziehen, dass er Rechtsanwälte als Subunternehmer einschaltet. Eine unerlaubte Rechtsdienstleistung wird nicht dadurch gerechtfertigt, dass sich der Handelnde Rechtsanwälten als Erfüllungsgehilfen bedient.
Rechtstipps, Vertragsmuster und reine Vermittlungsplattformen
Der Dreh- und Angelpunkt für die Antwort auf die Frage nach der Rechtmäßigkeit ist somit, ob die Anbieter der Legal-Tech-Modelle eine Rechtsdienstleistung erbringen. Nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 RDG ist das jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald diese eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert.
Von vornherein außerhalb des Anwendungsbereichs des RDG agieren Anbieter von Rechtstipps, die ohne Bezug zu einem konkreten Einzelfall auf Plattformen im Internet veröffentlicht werden. Auch der bloße Verkauf von Vertragsmustern fällt nicht unter den Erlaubnisvorbehalt nach dem RDG, weil damit keine rechtliche Prüfung im Einzelfall verbunden ist.
Vermittlungsplattformen, die Rechtsuchende mit geeigneten Rechtsanwälten zusammenführen, bewegen sich ebenfalls außerhalb des RDG, soweit sich die Tätigkeit dieser Dienstleister auf die Vermittlung beschränkt. Voraussetzung ist allerdings, dass auf der Plattform klar und unmissverständlich kommuniziert wird, dass die Rechtsdienstleistung von den kooperierenden Anwälten erbracht wird. Andere Modelle sind weniger eindeutig. Oder sogar ziemlich eindeutig ein Verstoß gegen das RDG.
2/2: Plattformen und Vertragsgeneratoren
In den Anwendungsbereich des RDG fallen dagegen in der Regel Plattformen zur Durchsetzung rechtlicher Ansprüche. Ob sie diese Rechtsdienstleistung erbringen dürfen, hängt dann regelmäßig davon ab, ob sie eine Inkassobefugnis haben und als Inkassodienstleister registriert sind. Nach einem ähnlichen Modell sind Prozessfinanzierer tätig, die ihrerseits mit Vertragsanwälten kooperieren. Auch dieses Geschäftsmodell ist grundsätzlich rechtmäßig.
Umstritten ist die Vereinbarkeit von Vertragsgeneratoren mit dem RDG. Diese stellen, nachdem der Nutzer mehrere Fragen beantwortet hat, automatisch ein für ihn auf seine rechtlichen Bedürfnisse zugeschnittenes Dokument zusammen.
Diskutiert wird unter anderem, ob eine Software überhaupt eine Tätigkeit im Sinne des RDG erbringen kann, wenn die eigentliche Handlung, das Eingeben der Daten und das Beantworten der Fragen, ausschließlich vom Nutzer ausgeht. Aus der Begründung des RDG geht allerdings hervor, dass es grundsätzlich unerheblich sein soll, mit welchen technischen Hilfsmitteln die Rechtsdienstleistung erbracht wird.
Legal Chatbots
Eher unvereinbar mit dem geltendem RDG sind Legal Chatbots, wenn diese eine vorläufige Rechtseinschätzung erteilen und nicht von einem Rechtsanwalt betrieben werden. Bei Chatbots handelt es sich um textbasierte Dialogsysteme. Vereinfacht gesagt, ist ein Chatbot ein Programm, das eine schriftliche Unterhaltung mit einem Menschen simuliert und dem Nutzer Fragen beantwortet.
Seine Eingaben werden dabei vom Chatbot analysiert und unter Rückgriff auf eine Datenbank mit vorgefertigten Ausführungen beantwortet. Solche Chatbots unterstützen unter anderem bereits bei der Anfechtung von Parktickets, nach kriminellen Übergriffen und bei der Gründung von Unternehmen.
So beeindruckend diese Beispiele sein können, handelt es sich dabei doch erst um erste Versuche, die zur Verfügung stehende digitale Infrastruktur zu nutzen, um rechtliche Bedürfnisse auf neue Art und Weise zu bedienen. In den kommenden Jahren und Jahrzehnten werden noch viel mehr neue Geschäftsmodelle auf den Rechtsmarkt kommen, die sich heute noch kaum jemand vorstellen kann.
Das RDG und der Regulierungsbedarf im 21. Jahrhundert
Viele Geschäftsmodelle, die unter dem Oberbegriff Legal Tech am Markt aktiv sind, leisten einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung des Zugangs zum Recht und sind darüber hinaus auch volkswirtschaftlich sinnvoll. Gleichwohl müssen die Rechtsuchenden vor den Gefahren unqualifizierter Anbieter und irreführenden Angeboten geschützt werden.
Es liegt am Gesetzgeber, einen interessengerechten Ausgleich zu schaffen. Es braucht einen rechtssicheren gesetzlichen Rahmen, der es erlaubt, die Chancen der Digitalisierung auch auf dem Rechtsmarkt zu verwirklichen, und der gleichzeitig die damit zusammenhängenden Risiken minimiert.
Eine solche Reform muss sich nicht auf die Aufnahme ausdrücklicher Erlaubnistatbestände beschränken. Sie kann auch die Pflicht der Betreiber zum Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung regeln sowie eine mit den Mitteln des Strafrechts sanktionierbare Verschwiegenheitsverpflichtung ins Gesetz aufnehmen. Korrespondierend ist auch über ein Zeugnisverweigerungsrecht nachzudenken. Die so geschaffene Rechtssicherheit würde die Investitionsbereitschaft erhöhen und damit den Fortschritt fördern.
Der Autor Dr. Frank R. Remmertz ist Rechtsanwalt in München und Vorsitzender des BRAK-Ausschusses Rechtsdienstleistungsgesetz.
Der Autor Nico Kuhlmann ist wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Hogan Lovells International LLP in Hamburg, Gründer des Hamburg Legal Tech Meetups und Blogger für den Legal-Tech-Blog.de.
Nico Kuhlmann, Legal Tech und das Rechtsdienstleistungsgesetz: Was geht? Was nicht? Und was sollte gehen? . In: Legal Tribune Online, 06.11.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25381/ (abgerufen am: 26.04.2024 )
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