Gebrauchte Sexspielzeuge, ungeliebte Kinder, Straßenverkehr am Puff und die neu entflammte Libido eines Wallachs: Das OLG in Hamm ist das größte des Landes – und hat schon einige seiner obskursten Streitigkeiten entscheiden müssen.
Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm ist bekannt für einen gewissen Eigensinn bei der Urteilsfindung – seine Entscheidungen weichen auf bisweilen krasse Art von denen der übrigen Oberlandesgerichte ab. Die einen begrüßen das als Ausdruck richterlicher Unabhängigkeit und eines freien Geistes, die anderen verfluchen es, weil Rechtsunsicherheit und zusätzlicher Lernaufwand die Folge sind.
Doch nicht immer sind es die Entscheidungen der Hammer Richter, die für Aufsehen sorgen; manchmal reichen dafür schon die Sachverhalte aus, die die rund neun Millionen Bürger im Zuständigkeitsbereich des OLG so vor Gericht bringen. Eine Auswahl der kuriosesten nebst Reaktion der Kammern stellen wir hier vor.
Nur für Eingeweihte: der Parkplatz am Bordell
In diesem Verfahren vor dem OLG ging es nicht um Verkehr "im" Puff, sondern "am" Puff. Ein betrunkener Freier hatte auf den Bordellparkplatz seinen Wagen wenige Meter umgesetzt – und dafür vom Amtsgericht (AG) eine Geldstrafe nebst Entzug der Fahrerlaubnis wegen Trunkenheit am Steuer kassiert.
Das OLG zweifelte jedoch daran, ob der ziemlich versteckte Parkplatz im Hinterhof des Etablissements als Bereich des öffentlichen Straßenverkehrs zu werten war. Er sei zwar nicht durch eine Schranke von der Straße getrennt, doch durch die versteckte Lage und den nur schmalen Zufahrtsweg auch nicht gerade eindeutig als öffentlicher Parkplatz erkennbar.
Vielmehr schätzten die Richter, dass der Abstellplatz nur "Eingeweihten" zugänglich sein sollte, etwa dem Personal oder Stammgästen – und verwiesen den Fall zurück an das AG. Aktenkundig wurde das ganze übrigens nur, weil eine der Prostituierten mit dem betrunkenen Gast um die Höhe der Bezahlung gestritten hatte.
Mandant zu nervig: Anwalt erfindet Urteil
Er war bestimmt nicht der erste, der darüber nachgedacht hat – aber, soweit bekannt, der erste, der es wirklich getan hat: Ein Rechtsanwalt aus Hamm erzählte dem ihn mit Nachfragen nervenden Mandanten einfach, die Sache sei in seinem Sinne entschieden worden, damit dieser endlich Ruhe gibt. Der Anwalt setzte sogar noch eins drauf, indem er ein passendes Urteil selbst erfand und dem ungeduldigen Kunden eine Abschrift des vermeintlichen Originals aushändigte.
Das Landgericht (LG) Dortmund erkannte darin eine Urkundenfälschung und verhängte gegen den Advokaten eine Geldstrafe. Die Verurteilung hob das OLG Hamm allerdings wieder auf: Erstens seien nicht das Einstreichen des Anwaltshonorars, sondern die ständigen Querelen des Mandanten für den gebeutelten Anwalt der Grund für das selbsterfundene Urteil gewesen. Zweitens dürfe man generell nicht auf die einfache Abschrift eines Urteils vertrauen. Den besten Beleg dafür hatte der Anwalt ja geliefert.
"Hengstischer" Ausbruch: Wallach verletzt 150.000-Euro-Stute
Nur weil ein Hengst kastriert wurde, heißt das nicht, dass man bedenkenlos eine Stute in seiner Nähe weiden lassen sollte. So sah es jedenfalls die zuständige Kammer des OLG, die die Schadensersatzklage eines Pferdepensionswirts ablehnte.
Der Mann klagte gegen eine Frau, die auf seinem Hof eine Unterkunft für ihren Wallach angemietet hatte. In einem "hengstischen" Ausbruch, so der Pferdewirt, habe der Wallach Zäune durchbrochen und andere erhebliche Hindernisse hinter sich gelassen, um das talentierte Springpferd des Wirts, eine 150.000 Euro teure Stute, mit den Vorderhufen zu besteigen. Für die schweren Verletzungen seiner Stute verlangte er Schadensersatz.
Nach einem Hormontest schloss das Gericht mit hoher Wahrscheinlichkeit aus, dass der Wallach aus sexuellem Trieb versucht hat, zur Stute zu gelangen. Doch selbst wenn, so könne dahinstehen, ob die Stute durch den Ausbruch verletzt worden sei, befanden die Richter. Denn in Anbetracht der erkennbaren Unruhe des Wallachs sei nicht ausgeschlossen, dass der Mann selbst in der Pflicht gewesen wäre, die notwendigen Schutzvorkehrungen zu treffen, bevor er die beiden miteinander unbekannten Tiere zusammenführte.
Zurück ins Gefängnis: Indirekte Beleidigung über Facebook
Einen 35-Jährigen, der sich vermeintlich clever anstellte und über Facebook indirekt das Kontaktverbot zu seiner Ex-Frau umgehen wollte, schickte das OLG Hamm wegen Verstoßes gegen seine Bewährungsauflagen zurück ins Gefängnis. Der Mann, dessen bereits teilweise verbüßte Haftstrafe unter der Auflage des Kontaktverbots ausgesetzt wurde, postete auf seinem eigenen Facebook-Profil beleidigende Einträge über seine Verflossene und hoffte, dass diese über Freunde und Bekannte schon davon Wind bekommen würde.
Die Hammer Richter sahen darin nicht nur den Versuch, Kontakt zu seiner Ex-Frau aufzunehmen. Vielmehr werteten sie seine Einträge auch als eindeutiges Zeichen dafür, dass der Partnerschaftskonflikt für ihn noch immer nicht aufgearbeitet war – besonders heikel, da er immerhin wegen versuchten Totschlags an seiner Ex verurteilt worden war.
Missratenes Tattoo: Frau muss sich nicht zweimal quälen
Nachdem ein Tätowierer aus Oer-Erkenschwick das Tattoo seiner Kundin massiv verpfuscht hatte, bot er ihr eine Laserbehandlung auf seine Kosten an – und wollte danach ein zweites Mal sein Glück versuchen. Die Frau lehnte dankend ab und verlangte stattdessen die Erstattung der Kosten für eine Laserbehandlung und Schmerzensgeld.
Zu Recht, fand das OLG, sie müsse dem Tätowierer nicht erst Gelegenheit zur Nachbesserung geben. Denn zum einen bestehe wenig Hoffnung, dass sich seine handwerklichen Künste inzwischen erheblich verbessert hätten, zum anderen gehe das Stechen eines Tattoos mit erheblichen Schmerzen und gesundheitlichen Risiken einher, die ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen Kunden und Tätowierer voraussetzten, welches nach dem ersten verfehlten Anlauf zerrüttet sei.
Ungeliebtes Kind: Sportwagen für vollständigen Erbverzicht
Ein von seiner Frau getrennt lebender Vater bot seinem gerade volljährig gewordenen Sohn einen Sportwagen an, wenn dieser dafür vor dem Notar einen umfänglichen Erbverzicht unterschriebe. Den Wagen, einen Nissan GTR, sollte der Sprössling aber erst in sieben Jahren bekommen, wenn er das 25. Lebensjahr vollendet habe. Und seine Lehre zum Zahntechniker erfolgreich absolviert habe. Und diese noch um den entsprechenden Meisterkurs ergänzt habe. Und zwar mit "sehr gut".
Das war dem OLG Hamm zu viel verlangt. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Sohn für den Erbverzicht faktisch keine Gegenleistung erhalten würde, befanden die Richter für zu hoch. Sie hatten den Verdacht, dass der Mann die Unerfahrenheit des gerade erst 18-Jährigen bewusst ausnutzen wollte, zumal dessen Mutter oder ein Familiengericht einem solchen Erbverzicht vor der Volljährigkeit kaum zugestimmt hätten. Dementsprechend erklärte das OLG die notariell beurkundete Vereinbarung für sittenwidrig.
Netter Versuch: Kein Umtausch von gebrauchtem Sexspielzeug
Kleidung in diversen Größen online zu bestellen und unpassende Stücke wieder zurückzusenden, ist üblich. Offenbar gibt es aber auch Menschen, die gewisse andere Dinge erst einmal an- beziehungsweise ausprobieren und dann zurückschicken – zum Beispiel Sexspielzeuge. Ein Händler solcher Artikel schloss deshalb das Widerrufsrecht für den Fall aus, dass das Hygienesiegel an der Verpackung der Utensilien gebrochen worden war.
Zu Recht, bestätigte das OLG Hamm. Unabhängig davon, ob ein Verbraucher beim Online-Kauf von Sexspielzeugen überhaupt erwarte, sie nach dem Öffnen der Verpackung zurückgeben zu können, habe der Gesundheitsschutz Vorrang gegenüber dem Rückgaberecht des Verkäufers im Online-Handel.
Geklagt hatte übrigens nicht ein enttäuschter Kunde, sondern ein Mitbewerber des Händlers, der darin einen wettbewerbsrechtlichen Nachteil erkannt haben wollte.
ms/LTO-Redaktion
Dreist, frech, schmuddelig: 7 Hammer Fälle . In: Legal Tribune Online, 27.01.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21914/ (abgerufen am: 31.05.2023 )
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