Während Anwälte hierzulande in ihrer Werbung vor allem Kompetenz und Seriosität vermitteln wollen, gehen ihre Kollegen in den USA etwas beherzter zur Sache. Besonders bei "personal injury lawyers" ist Fernsehwerbung beliebt. Dabei heraus kommen Spots, die man witzig finden kann, peinlich oder auch brillant – aber bestimmt nicht langweilig. Fünf besonders herausstechende Exemplare stellen wir hier vor.
Der Name "Hamilton" ist in den USA zwar nicht ganz so verbreitet wie in Deutschland "Müller", aber für die Hamilton Law Firm aus Las Vegas blieb offenbar trotzdem nur die Adresse hamlegal.com übrig, wobei "ham" im Englischen so viel wie "Schinken" bedeutet. Besser Schinken als Müll, dachte sich wohl der Kanzleigründer Ryan Hamilton, und drehte einen grotesken Werbespot, in dem er mit kiloweise Räucherfleisch beworfen wird, frei nach dem Motto "bringing home the bacon" (sinngemäß: "Die Kohle nach Hause schleppen"):
Und damit nicht genug: Als Actionheld "Hambo" lässt er sich Seite an Seite mit einem sprintenden Ferkel aufnehmen, und als "The Hogfather" (hog = Schwein im Englischen) gibt er eine Karikatur des Filmplakats zum Mafia-Klassiker "The Godfather".
Dabei ist Hamilton sich der Absurdität seines eigenen Auftritts wohl bewusst: In einem weiteren Video inszeniert er sich als Kunde einer Marketingagentur, die ihm sein eigenes, schinkenlastiges Werbekonzept schmackhaft machen will. "Aber wie sollen diese Plakate die Leute dazu bringen, mich anzurufen, wenn sie verletzt wurden oder in finanziellen Schwierigkeiten stecken?", fragt Hamilton in dem Video nicht ganz zu Unrecht – und erntet nur tosendes Gelächter:
Hamilton Law "Billboard Pitch" TV Spot - Version B from Dean Pizzoferrato on Vimeo.
"Halb Filmtrailer, halb Rockvideo", so hat der Anwalt Jamie Casino seinen zum letzten Superbowl ausgestrahlten Werbefilm gegenüber NYDailyNews beschrieben. Der Clip war im Amerika zwar nur im Lokalfernsehen zu sehen, schaffte es dank der herausragenden Produktionsqualität jedoch zum Sensationshit auf YouTube, wo er aktuell mehr als fünf Millionen Aufrufe verzeichnet.
Und das nicht zu Unrecht, denn was Casino da geschaffen hat, ist vom käsig-blassen Amateurlook gängiger Anwaltswerbung so weit entfernt wie Michael Bay von einer Lokalreportage über den Gleisdorfer Blockflöten-Chor. In 120 Sekunden erzählt er, wie ihn die Ermordung seines Bruders transformiert habe: Früher sei er als Strafverteidiger "von einigen der kaltblütigsten Kriminellen beschäftigt" worden, doch irgendwann "muss sich jeder Mann fragen, warum Gott ihn geschaffen hat." Für Casino steht die Antwort fest: Um als Kämpfer für die gerechte Sache zu streiten, als einer, der "für unschuldige Opfer spricht, die nicht für sich selbst sprechen können."
Um sicherzustellen, dass diese Botschaft auch beim Zuschauer ankommt, fährt er das volle Arsenal klischeebeladener Filmästhetik auf, die Hollywood über die letzten Jahrzehnte so entwickelt hat: Das sinnschwere Bibelzitat auf schwarzem Grund, der Handschlag mit dem sinistren Verbrecher-Paten, das flatternde Absperrband vor dem Ort des Verbrechens, der kleine Junge, der die Schicksalsfrage stellt, die Rose, die auf dem Friedhofsgrund zertreten wird, und Casinos ganz persönliche und bereits in einem früheren Clip zu sehende Dreingabe: Den brennenden Vorschlaghammer, mit dem ein Grabstein zertrümmert wird.
Doch was hier mit allen Stilmitteln des Unechten und Künstlichen erzählt wird, hat sogar einen wahren Kern: Casinos Bruder wurde tatsächlich Opfer eines Verbrechens, auch die Aussagen des Polizeichefs, mit dem Casino in dem Clip ins Gericht geht, sind so gefallen. Kummerbewältigung, persönliche Abrechnung und Werbevideo in einem also, und das zur besten Sendezeit – only in America, Baby!
Quasi das genaue Gegenteil vom Casino-Video ist dieses Machwerk aus dem Hause Definitive Television. Es zeigt die – wohl absichtlich – bis ins Unerträgliche überzeichnete Karikatur eines "Asiaten", der mittels Greenscreen vor einem Tempel positioniert wurde und die Dienste von McCutcheon & Hammer im gerichtlichen Kampf gegen eine Versicherung anpreist.
Der Clip erhielt ausgesprochen negative Resonanz, weil er nicht nur als unlustig, sondern auf Grund seiner klischeebeladenen Darstellung von Asiaten auch als rassistisch wahrgenommen wurde. Die "beworbene" Kanzlei distanziert sich öffentlich von dem Video und behauptet, es nie in Auftrag gegeben zu haben – die Produzenten leugnen das. So oder so: zum Abgewöhnen.
Fast schon für Realsatire muss man diese Darbietung eines Anwalts aus St. Louis halten. Dabei ist das Konzept des Videos im Vergleich zu den Vorgängern durchaus konservativ, fast schon altbacken: Ein Herr im Anzug steht vor einem animierten Hintergrund und erklärt prospektiven Mandanten in einfachen Worten, wann und warum sie ihn mit ihrem Fall betrauen sollten. So weit, so unaufregend.
Was die Aufnahme spektakulär macht, ist die vollkommene Leidenschaftslosigkeit, mit der der Herr sein Skript verliest. Seriosität heißt nicht, beim Sprechen einzuschlafen, doch hier fürchtet man tatsächlich, dass die ohnehin nur spaltweit geöffneten Augen dem Redner gleich vollends zufallen könnten.
Und überhaupt: welches Skript eigentlich? Falls da nicht mehrfach Passagen über den Teleprompter laufen, die ausschließlich aus Punkten und Gedankenstrichen bestehen, gibt es wohl keins. Und auch keinen Teleprompter. Der Vortrag ist in etwa so souverän und zusammenhängend, als hätte man einen x-beliebigen Philosophiestudenten unvorbereitet vor die Kamera gezerrt und den ersten Take genommen. Ja, eigentlich klingt das noch wie die plausibelste Erklärung.
Dieses Video eignet sich hervorragend für eine Überprüfung der eigenen Leidensfähigkeit. In der Redaktion mussten wir es gestückelt ansehen, weil die Fremdscham ohne Verschnaufpause nicht auszuhalten war. Erwachsene Männer, die Jugendkultur für sich vereinnahmen wollen, Anwälte, die einen auf cooler Rapper machen, das ist so grauenhaft schlecht, dass der Cursor wie von Geisterhand geführt immer wieder zum Pause-Knopf wandert.
Am Ende haben wir's dann aber doch geschafft. Und wissen jetzt ziemlich sicher, zu welchem Anwalt wir nicht gehen werden, wenn wir mit der Sekretärin schlafen, einem Einbrecher ins Gemächt schießen oder Wasser im Haus stehen haben (ja, das sind einige der Anwendungsfälle, für die der Protagonist seine Dienste offeriert).
Die Schlussszene zeigt den Anwalt, einen Michael A. Naso, der sein Law School Diplom wie eine Goldkette um den Hals trägt und im Rapper-Gestus representet, während sein Praktikant(?) Adlibs über den Beat spittet und selbstbewusst erklärt: "That's a take".
Wir versprechen, euch in Zukunft mit weiteren unterhaltsamen Anwalts-Clips zu versorgen, aber jetzt müssen wir uns erst mal die Augen mit Gallseife auswaschen und 48 Stunden in einem dunklen, stillen Raum liegen, ums uns davon zu erholen. Vielleicht haben wir ja auch einen personal injury claim?
Constantin Baron van Lijnden, Anwaltswerbung in den USA: Schweine, Explosionen, Vorschlaghämmer . In: Legal Tribune Online, 22.02.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11009/ (abgerufen am: 06.06.2023 )
Infos zum Zitiervorschlag