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19486

Interprofessionelle Dienstleistungen: Wenn Anwälte und Inge­nieure gemeinsam Pro­b­leme lösen

von Désirée Balthasar

30.05.2016

Zusammenarbeit im Planungsbüro (Symbolbild)

© endostock - Fotolia.com

Graf von Westphalen hat sich mit einer Ingenieurgesellschaft und einem Claims-Berater zusammengeschlossen, um Adjudikation für Bauunternehmen anzubieten. LTO sprach mit GvW-Anwalt Robert Theissen über das Projekt.

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Interprofessionelle Zusammenarbeit zwischen Kanzlei und Ingenieuren…

LTO: Sie haben sich aufgemacht, die Probleme der Baubranche zu lösen...

Robert Theissen: Naja, zumindest haben wir uns aufgemacht, ein wichtiges Problem zu lösen. Und zwar das der vielen Rechtsstreitigkeiten, die während eines Bauvorhabens auftauchen und beinahe allen Bauprojekten innewohnen. Dem gesetzlichen Baurecht fehlt es leider an kurzfristigen Lösungswegen. Aus diesem Grund setzen wir auf außergerichtliche Lösungen und hier insbesondere Adjudikation. Sie ist sozusagen der rechtliche Bruder der Mediation. Der Unterschied liegt darin, dass die Mediation betont nicht-rechtliche Wege geht. Die Adjudikation hingegen setzt sich vorrangig mit Rechtsfragen auseinander.

LTO: Diese Art der Streitschlichtung bieten Sie im Rahmen einer interdisziplinären Zusammenarbeit mit Ingenieurs- und Projektgesellschaften unter dem Namen 'Achtundzwanzig' an. Wie kam es dazu?

Theissen: Die Adjudikation ist in Deutschland – anders als etwa in Großbritannien - noch nicht gesetzlich geregelt. Da die Erfahrungen mit dieser Streitlösungsmethode überaus positiv sind, möchten wir über die Plattform 28 dazu beitragen, die Adjudikation in Deutschland bekannter zu machen. Wenn Juristen und Ingenieure hier an einem Strang ziehen, dient das diesem gemeinsamen Ziel.

"Technische und juristische Fragen bedingen einander"

LTO: Worin liegen die Vorteile der engen Kooperation?

Theissen: Wir glauben, dass unsere Mandanten von einer interdisziplinären Zusammenarbeit verschiedener Berufsgruppen profitieren. Denn die Streitigkeiten, die während eines Bauprojekts auftreten können, betreffen nicht nur rechtliche Fragen, sondern oft auch technische. In einem solchen Fall können wir mit Hilfe unserer technischen Projektpartner einen Bauingenieur als Adjudikator anbieten. Momentan besteht das Kernteam von "Projekt 28" aus neun Personen. Bei Bedarf kann auf weitere personelle Ressourcen von Hill International, Bringe oder GvW zurückgegriffen werden.

Dr. Robert Theissen

LTO: Und warum verweisen Sie bei technischen Fragen nicht einfach an Ingenieursgesellschaften?

Theissen: Technische und juristische Fragestellungen bedingen einander häufig, so dass eine Beantwortung nur unter gleichzeitiger Betrachtung aller Aspekte möglich ist. Da macht es Sinn, sich interdisziplinär auszutauschen, um die Schnittstellen zu kennen und gemeinsames Know-how aufzubauen. Zudem können wir in regelmäßigen Treffen der Projektpartner unseren gemeinsamen Erfahrungsschatz im Baukonfliktmanagement zum Vorteil für unsere Mandanten erweitern. Wir meinen, dass wir mit diesen Synergien dem Ziel unserer Mandanten, effektiv und schnell ihre Baustreitigkeiten zu lösen, am besten gerecht werden können.

Nachfrage nach interprofessionellen Dienstleistungen wächst

LTO: Wie fiel die Wahl auf Hill International und das Bauinstitut Bringe?

Theissen: GvW Graf von Westphalen, Hill International und das Bauinstitut Bringe kennen sich bereits seit Langem und haben schon bei vielen Projekten zusammengearbeitet. Da lag es nahe, gemeinsam über die Idee der Adjudikation nachzudenken. Hill International hat zum Beispiel seit 20 Jahren Erfahrung in der Adjudikation in Großbritannien. Dies hilft uns, die Adjudikation auch in Deutschland zu etablieren.

In Großbritannien ist die Adjudikation gesetzlich vorgeschrieben. Jeder, der dort einen Bauvertrag unterschreibt, willigt gleichzeitig ein, im Streitfall ein Adjudikationsverfahren durchzuführen– anstatt vor Gericht Klage einzureichen. In Großbritannien hat dieses Mittel der Streitbeilegung hohe Akzeptanz erreicht.

LTO: Wie steht es um die rechtliche Zulässigkeit von Zusammenschlüssen wie dem Projekt 28?

Theissen: Der Markt hat sich liberalisiert. Es gibt in Deutschland bereits interdisziplinäre Partnerschaften von Anwälten mit anderen Wirtschaftsbeteiligten. Das Bundesverfassungsgericht hat Anfang des Jahres das Verbot, dass sich Rechtsanwälte nicht mit Apothekern oder Ärzten zusammenschließen dürfen, für verfassungswidrig erklärt.

Der 1. Senat prognostiziert in seinen Entscheidungsgründen übrigens, dass "die Nachfrage nach kombinierten interprofessionellen Dienstleistungen wächst". Insofern stoßen wir offensichtlich in eine Lücke. Im Übrigen handelt es sich bei unserer Zusammenarbeit nicht um einen festen Zusammenschluss, sondern um ein gemeinsames Angebot von jeweils unabhängigen Experten unterschiedlicher Disziplinen.

…aber doch lieber kein fester Zusammenschluss

Zusammenarbeit ja, Zusammenschluss nein

LTO: Was spricht gegen einen festen Zusammenschluss?

Theissen: Allen Projektpartnern war es wichtig, flexibel auf dem Markt zu agieren. Unsere Projektpartner sollen weiterhin frei entscheiden können, welche Anwaltskanzlei sie für die konkrete Rechtsfrage zu Rate ziehen wollen. Gleichzeitig möchten wir uns die Freiheit bewahren, mit dem im Einzelfall besten Partner den technischen Sachverhalt zu klären.

LTO: Wie sieht die Zusammenarbeit zwischen Anwälten und Ingenieuren konkret aus?

Theissen: Jeder Projektpartner arbeitet im eigenen Namen und auf eigene Rechnung. Es gibt keinen zentralen Ansprechpartner für das "Projekt Achtundzwanzig". Wird beispielsweise ein Mandant über unsere Webseite auf uns aufmerksam, kann er sich regional und funktionell seinen passenden Ansprechpartner auswählen. Er hat die Möglichkeit, auf technischen oder juristischen Sachverstand zu setzen. Sieht sich dann der juristische Ansprechpartner nicht im Stande, den rein technischen Sachverhalt sachgerecht zu lösen, kann er dem Mandanten einen Ingenieur als Adjudikator empfehlen.

LTO: Welche Qualifikation benötigt ein Adjudikator?

Theissen: Die Adjudikation verspricht eine schnelle und effiziente Lösung von Konflikten auf der Baustelle. Es ist daher unabdingbar, dass der Adjudikator in der Lage ist, komplizierte Sachverhalte für beide Parteien aufzubereiten und sachgerecht zu lösen. Je nachdem, wo der Schwerpunkt des Falles liegt, liegt dieser Sachverstand im technischen oder juristischen Bereich. Erforderlich ist ferner eine hohe Akzeptanz des Adjudikators, die er sich durch langjährige Erfahrungen im Konfliktmanagement erarbeiten muss. Eine gesonderte Fortbildung für Adjudikatoren gibt es in Deutschland nicht.

"Wir sind die Wogen-Glätter"

LTO: Wie geht ein Adjudikator Ihres Projekts konkret vor?

Theissen: Zum Einsatz kommen außergerichtliche Streitbeilegungsmechanismen. Die Adjudikatoren bringen die Parteien frühzeitig an einen Tisch, um kleine Probleme zu lösen, bevor sie zu großen Problemen werden. Dies ist häufig nicht nur eine technische oder rechtliche, sondern eine emotionale Frage. Jedenfalls größere Bauvorhaben können nur funktionieren, solange die Bau- und Planungsbeteiligten an einem Strang ziehen und kooperieren.

Das funktioniert so lange, wie eine konstruktive Gesprächsgrundlage und ein Mindestmaß an Vertrauen gegeben sind. Änderungen während des Bauvorhabens sind nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Die Parteien sind also darauf angewiesen, in ständigem Dialog zu bleiben. Wenn sich dann eine Partei überhört fühlt und aufhört, mit den anderen Parteien zu sprechen, entsteht ein Problem. Leider geschieht das überraschend häufig. Wir als Berater übernehmen die Rolle der Wogen-Glätter.

LTO: Das klingt nach psychologischer Taktik.

Theissen: Etwas Psychologie ist sicher auch enthalten. Als Baurechtler kommt man leider oft dann erst ins Spiel, wenn die Stimmung bereits gekippt ist. Dann betrachten wir die Geschehnisse aus der Distanz und versuchen herauszufinden, was Auslöser der Auseinandersetzung war. Die Adjudikation bietet die Möglichkeit, die Parteien wieder zusammenzuführen und gleichzeitig das Bauvorhaben fortzuführen. Das Problem wächst damit erst gar nicht zu einem unlöslichen Hindernis heran, sondern man kann zügig weiterarbeiten.

Dr. Robert Theissen, Managing Partner der Kanzlei Gvw Graf von Westphalen, ist als Fachanwalt für Bau und Architektenrecht in Hamburg tätig. Die interdisziplinäre Plattform Achtundzwanzig wurde im Oktober 2015 gegründet.

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Désirée Balthasar, Interprofessionelle Dienstleistungen: Wenn Anwälte und Ingenieure gemeinsam Probleme lösen . In: Legal Tribune Online, 30.05.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19486/ (abgerufen am: 28.09.2023 )

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