Graf von Westphalen hat sich mit einer Ingenieurgesellschaft und einem Claims-Berater zusammengeschlossen, um Adjudikation für Bauunternehmen anzubieten. LTO sprach mit GvW-Anwalt Robert Theissen über das Projekt.
LTO: Sie haben sich aufgemacht, die Probleme der Baubranche zu lösen...
Robert Theissen: Naja, zumindest haben wir uns aufgemacht, ein wichtiges Problem zu lösen. Und zwar das der vielen Rechtsstreitigkeiten, die während eines Bauvorhabens auftauchen und beinahe allen Bauprojekten innewohnen. Dem gesetzlichen Baurecht fehlt es leider an kurzfristigen Lösungswegen. Aus diesem Grund setzen wir auf außergerichtliche Lösungen und hier insbesondere Adjudikation. Sie ist sozusagen der rechtliche Bruder der Mediation. Der Unterschied liegt darin, dass die Mediation betont nicht-rechtliche Wege geht. Die Adjudikation hingegen setzt sich vorrangig mit Rechtsfragen auseinander.
LTO: Diese Art der Streitschlichtung bieten Sie im Rahmen einer interdisziplinären Zusammenarbeit mit Ingenieurs- und Projektgesellschaften unter dem Namen 'Achtundzwanzig' an. Wie kam es dazu?
Theissen: Die Adjudikation ist in Deutschland – anders als etwa in Großbritannien - noch nicht gesetzlich geregelt. Da die Erfahrungen mit dieser Streitlösungsmethode überaus positiv sind, möchten wir über die Plattform 28 dazu beitragen, die Adjudikation in Deutschland bekannter zu machen. Wenn Juristen und Ingenieure hier an einem Strang ziehen, dient das diesem gemeinsamen Ziel.
"Technische und juristische Fragen bedingen einander"
LTO: Worin liegen die Vorteile der engen Kooperation?
Theissen: Wir glauben, dass unsere Mandanten von einer interdisziplinären Zusammenarbeit verschiedener Berufsgruppen profitieren. Denn die Streitigkeiten, die während eines Bauprojekts auftreten können, betreffen nicht nur rechtliche Fragen, sondern oft auch technische. In einem solchen Fall können wir mit Hilfe unserer technischen Projektpartner einen Bauingenieur als Adjudikator anbieten. Momentan besteht das Kernteam von "Projekt 28" aus neun Personen. Bei Bedarf kann auf weitere personelle Ressourcen von Hill International, Bringe oder GvW zurückgegriffen werden.
LTO: Und warum verweisen Sie bei technischen Fragen nicht einfach an Ingenieursgesellschaften?
Theissen: Technische und juristische Fragestellungen bedingen einander häufig, so dass eine Beantwortung nur unter gleichzeitiger Betrachtung aller Aspekte möglich ist. Da macht es Sinn, sich interdisziplinär auszutauschen, um die Schnittstellen zu kennen und gemeinsames Know-how aufzubauen. Zudem können wir in regelmäßigen Treffen der Projektpartner unseren gemeinsamen Erfahrungsschatz im Baukonfliktmanagement zum Vorteil für unsere Mandanten erweitern. Wir meinen, dass wir mit diesen Synergien dem Ziel unserer Mandanten, effektiv und schnell ihre Baustreitigkeiten zu lösen, am besten gerecht werden können.
Nachfrage nach interprofessionellen Dienstleistungen wächst
LTO: Wie fiel die Wahl auf Hill International und das Bauinstitut Bringe?
Theissen: GvW Graf von Westphalen, Hill International und das Bauinstitut Bringe kennen sich bereits seit Langem und haben schon bei vielen Projekten zusammengearbeitet. Da lag es nahe, gemeinsam über die Idee der Adjudikation nachzudenken. Hill International hat zum Beispiel seit 20 Jahren Erfahrung in der Adjudikation in Großbritannien. Dies hilft uns, die Adjudikation auch in Deutschland zu etablieren.
In Großbritannien ist die Adjudikation gesetzlich vorgeschrieben. Jeder, der dort einen Bauvertrag unterschreibt, willigt gleichzeitig ein, im Streitfall ein Adjudikationsverfahren durchzuführen– anstatt vor Gericht Klage einzureichen. In Großbritannien hat dieses Mittel der Streitbeilegung hohe Akzeptanz erreicht.
LTO: Wie steht es um die rechtliche Zulässigkeit von Zusammenschlüssen wie dem Projekt 28?
Theissen: Der Markt hat sich liberalisiert. Es gibt in Deutschland bereits interdisziplinäre Partnerschaften von Anwälten mit anderen Wirtschaftsbeteiligten. Das Bundesverfassungsgericht hat Anfang des Jahres das Verbot, dass sich Rechtsanwälte nicht mit Apothekern oder Ärzten zusammenschließen dürfen, für verfassungswidrig erklärt.
Der 1. Senat prognostiziert in seinen Entscheidungsgründen übrigens, dass "die Nachfrage nach kombinierten interprofessionellen Dienstleistungen wächst". Insofern stoßen wir offensichtlich in eine Lücke. Im Übrigen handelt es sich bei unserer Zusammenarbeit nicht um einen festen Zusammenschluss, sondern um ein gemeinsames Angebot von jeweils unabhängigen Experten unterschiedlicher Disziplinen.
Désirée Balthasar, Interprofessionelle Dienstleistungen: . In: Legal Tribune Online, 30.05.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19486 (abgerufen am: 09.12.2024 )
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