Der Counsel-Status ist die Sackgasse auf dem Karriereweg. Wer dort landet, wird niemals Partner, und zeigt er noch so viel Einsatz. So zumindest lauten die Vorurteile. Zwei Counsel berichten vom Alltag zwischen Budgetdruck und fehlender Anerkennung, erzählen aber auch von Freiheit und Flexibilität.
Einst galt die Position des Counsel als die geniale Idee von Kanzleien, um mit einem Wisch alle Nachwuchssorgen loszuwerden. Viele Großkanzleien haben den Status zwischen Associate und Partner eingeführt, um die jüngeren Anwaltsgenerationen anzulocken, die nicht mehr die Partnerschaft als ultimatives Berufsziel anvisieren. Vor allem Berufseinsteiger und jüngere Associates wünschen sich mehr Freizeit und weniger Budgetdruck bei größtmöglicher Freiheit. Die Position des Counsel schien die ideale Alternative zum Vollpartner zu sein.
Doch die Realität sieht anders aus: Viele fühlen sich als Counsel festgefahren, ohne Aussicht auf Weiterentwicklung. Außerdem werde die Arbeit nicht honoriert, selbst wenn die Umsatzerwartungen erfüllt würden, heißt es häufig. In manchen Kanzleien werden Counsel in Fachbereichen eingesetzt, an die man eigentlich nicht mehr glaubt, sie aber auch nicht ganz aufgeben will. Und dort, wo der Counsel theoretisch zur Partnerschaft führen könnte, wird dieses Versprechen oft nicht eingelöst. Was hauptsächlich an den vielfach intransparenten Kriterien des Karrierewegs liegt.
Viel Arbeit, wenig Anerkennung
"Für mich heißt Counsel sein, eigenverantwortlich zu arbeiten und eigenständig Mandate zu akquirieren. Also mit großer Freiheit und Flexibilität zu agieren", sagt Dr. Nicola Ohrtmann (40). Die Vergaberechtlerin war sieben Jahre lang Counsel bei Bird & Bird in Düsseldorf. Die Sozietät hat eine konkrete Umsatzerwartung an den Counsel als angestellten Anwalt.
Persönlich könne man sich in dieser Position gut entfalten, meint Ohrtmann: "Ich beantworte mir die wichtigen Fragen selbst: Wie kann ich mich am Markt positionieren? Welche Vorträge halten? Welche fachliche Nische besetzen? Und ich kann eigenständig beraten. Diese Freiheiten sind mir wichtig." Und diese Freiheiten nutzte Ohrtmann, um ihr Profil zu schärfen. Erst kürzlich wechselte die Vergaberechtlerin zur mittelständischen Kanzlei Aulinger nach Essen. Dort ist sie Salary-Partnerin, versteht die Position aber genau wie die des Counsels zuvor bei Bird & Bird.
Ohrtmanns Definition klingt so gar nicht nach Abstellgleis, sondern nach großer Freiheit und Entfaltung. Stimmt dieser Eindruck? "Das kommt ganz darauf an, wie es in der Kanzlei gelebt wird und wie der zuständige Partner damit umgeht", sagt die Anwältin. Bei Bird & Bird waren es strukturelle Probleme, weshalb die Vergaberechtlerin ihre Counsel-Position nicht bis zum Ende ihres Berufslebens genießen konnte.
Sieben Jahre ohne Gehaltserhöhung
"Die Kosten einer Großkanzlei wie Bird & Bird sind enorm. Die vorgegebenen Stundensätze passen nicht zur Kostenrealität der öffentlichen Hand", erzählt Ohrtmann. "Ein Grund, mich für Aulinger zu entscheiden, war daher die Tatsache, dass ich hier auf schlankeren Kostenstrukturen aufsetze und Vergütungsmodelle entwickeln kann, die sich am konkreten Mandat orientieren." Ein weiterer Grund für den Wechsel war der Wunsch Ohrtmanns, sich nicht mehr ausschließlich dem Vergaberecht zu widmen, sondern mehr Compliance-Beratung anzubieten.
Und letztlich gibt es auch einen persönlichen Grund: "Ich habe mich seit meinem ersten Kind vor sieben Jahren dafür entschieden, in Teilzeit zu arbeiten. Und seit sieben Jahren habe ich mich bei Bird & Bird gehaltsmäßig nicht weiterentwickelt." Hierin liegt die Krux des Counsels: Einerseits hat man viele Freiheiten, akquiriert eigenständig Mandate und bildet Nachwuchsjuristen aus; andererseits haben viele das Gefühl, dass ihre Arbeit nicht angemessen honoriert wird. Den Grund sieht Ohrtmann in der Erwartungshaltung an den Counsel: "Es sollte eigentlich heißen: weniger Gehalt für weniger Verantwortung. Stattdessen sieht die Realität oft so aus: weniger Gehalt für dieselbe Verantwortung wie ein Vollpartner. Aber das macht keinen Sinn."
2/2 Counsel mal zwei
Es gibt also Großkanzleien, die den Counsel eingeführt haben, aber dann nicht so genau wissen, was man nun eigentlich von der Position erwarten soll. Da lohnt ein Blick zu kleineren Einheiten. Hier ist der Counsel zwar noch relativ selten, aber so langsam ist er auch hier auf dem Vormarsch. Eine Kanzlei, die auf ihn setzt, ist Glade Michel Wirtz in Düsseldorf. Dort gibt es sogar zwei unterschiedliche Counsel-Positionen.
"Der Counsel führt bei uns nicht auf das häufig zitierte Abstellgleis, sondern ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum Vollpartner", sagt Dr. Christian Karbaum (35), selbst Counsel in der Sozietät. Der Karrieretrack ist bei Glade Michel Wirtz transparent einsehbar: Associate ist man dort vier Jahre lang, danach heißt es up-or-out. Als nächstes folgt der Counsel für weitere zwei Jahre, bevor über die Aufnahme in die Partnerschaft entschieden wird. "Die Verantwortung und Einbindung in die Kanzleistrukturen nimmt also sukzessive zu", erzählt Karbaum.
"Als Counsel wird man hier an die Vollpartnerschaft herangeführt. Dies bedeutet auch, dass man eigene Themenfelder besetzen, Projekte anstoßen und eigenständig entwickeln kann." Die Ernennung zum Partner ist der endgültige Karriereschritt bei Glade Michel Wirtz, für den es bestimmte Anforderungen gibt, weshalb mit Titeln wie Salary- oder Assoziierter Partner nicht das Erreichen des Partnerstatus suggeriert werden soll, so Karbaum weiter.
Große Freiheit, wenig Umsatzdruck
Die Düsseldorfer Sozietät hat außerdem die Position des Managing Counsel geschaffen. Diesen Status erhält, wer nach sechs Jahren nicht in die Partnerschaft wechselt. Der Managing Counsel nimmt an Partnerversammlungen teil und genießt auch sonst viele Vorzüge eines Partners. "Er hat keine direkte Umsatzverantwortung, aber eine große individuelle Freiheit", sagt Karbaum.
In den neun Jahren des Bestehens von Glade Michel Wirtz hält bislang ein Anwalt die Position des Managing Counsels inne. Karbaum: "Es liegt an demjenigen selbst, die Position so aufzubauen, wie er das gerne hätte."
Wann also ist ein Counsel sinnvoll für eine Kanzlei? Da er teurer ist als ein Associate, braucht es gute Argumente. Sinnvoll ist die Position dann, wenn man fachlich exzellente Anwälte halten möchte. Wichtig dabei ist, klar zu definieren, was ein Counsel leisten soll und welche Verantwortung er trägt.
Außerdem sollte die qualitativ hochwertige Arbeit des Counsels anerkannt werden. Transparente Karrierewege und Kriterien sind dafür die Voraussetzung. Das Gehalt sollte flexibel sein und sich der Berufserfahrung und/oder dem Umsatz anpassen. Karbaum: "Viele Sozietäten erkennen den Wert, hoch ausgebildete Mitarbeiter als Counsel längerfristig an sich zu binden. Insbesondere bei denjenigen, die nicht die Partnerschaft anstreben."
Counsel sägen nicht an Stühlen
Auch Ohrtmann meint: "Auf den Counsel als Dritten Weg setze ich sehr. Insbesondere für diejenigen, die in Teilzeit arbeiten möchten, ist diese Position ideal. Denn die Teilzeitpartnerschaft ist aktuell für die meisten Kanzleien in der Realität noch zu weit weg.". Doch sie hat keinen Zweifel, dass das Konzept überzeugen wird. "Das Modell ist nach wie vor ein Gutes!" Ihr habe der Counsel-Status dazu verholfen, eine Menge Jobangebote zu bekommen, bevor sie sich für Aulinger entschieden hatte.
Daher kann sie die Unsicherheit einiger Anwältinnen nicht verstehen: "Die meisten Kolleginnen in meiner Position denken sich: 'Wer soll mich denn in Teilzeit nehmen?'. Das ist falsch, denn genau diese Frauen sind die Idealbesetzung! Sie sind um die 40 Jahre alt und damit noch relativ jung, müssen nicht mehr ausgebildet werden, sondern arbeiten selbständig. Außerdem sind sie fachlich exzellent, höchst zuverlässig und effizient - allein schon wegen der Organisation von Familie und Beruf." Dies alles mache die Counsel in den Augen von Ohrtmann zu begehrten Kandidaten.
Und eine weitere Sache sei besonders wichtig: "Sie sägen nicht an den Stühlen der Vollpartner. Die meisten wollen einfach in Ruhe erfolgreich ihre Arbeit machen."
Désirée Balthasar, Karrieresackgasse Counsel-Status?: "Einfach mal in Ruhe erfolgreich sein" . In: Legal Tribune Online, 08.05.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15473/ (abgerufen am: 28.09.2023 )
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