Vor zehn Jahren hat der Industriekonzern Heidelberger Druck seine Rechtsabteilung ausgelagert. Die daraus hervorgegangene Kanzlei Adjuga agiert im ständigen Spagat. Denn im Herzen sind die Kanzleianwälte Inhouse-Juristen geblieben.
"An's Telefon gehe ich immer selbst", sagt Dr. Markus Ackermann (47). "Ich möchte für meine Mandanten persönlich ansprechbar sein. Ein Vorzimmer würde da nur stören." Adjuga-Gründungspartner Ackermann ist Unternehmensjurist durch und durch. Dennoch arbeitet er in seiner eigenen Anwaltskanzlei.
Gemeinsam mit seinen beiden Gründungspartnern Dr. Tilo Jung (47) und Andreas Dömkes (53) sowie drei weiteren Anwälten ist Ackermann zwar seit 2005 in eigener Kanzlei tätig, doch macht sich an vielen Stellen bemerkbar, dass die Kanzleigründer in ihrem vorherigen Berufsleben Unternehmensjuristen waren. Und sich nach wie vor damit identifizieren.
Ackermann, Jung und Dömkes waren Mitglieder des einst siebenköpfigen Rechtsabteilungsteams, das sich bereits während der ersten großen Krise des Druckmaschinenherstellers aus Heidelberg seit 2002 auf fünf Anwälte verkleinern musste. Heidelberger Druck ging seitdem durch viele Täler. Der Konzern verlor zwischen 2008 und 2013 jährlich an Umsatz und verkleinerte in der Folge kontinuierlich seine Personalstärke durch Entlassungen und durch Auslagerung von Dienstleistungsbereichen. Heute konzentriert sich das Unternehmen auf das Kerngeschäft des Offset-Drucks und Wachstumsbereiche wie Digitaldruck.
Outsourcing als Reaktion auf die Krise im Unternehmen
Das Outsourcing von Dienstleistungen traf schließlich auch die Rechtsabteilung. "Die Überlegung gärte im Konzern schon lange. Heidelberger Druck dachte schon vor unserer Gründung 2005 darüber nach, durch Outsourcing der Rechtsabteilung fixe Personalkosten zu reduzieren.", erinnert sich Ackermann. "Doch es war immer ein dringender Wunsch der Geschäftsführung, das Team der Know-How-Träger zusammen zu halten."
Heute, zehn Jahre später, ist das Verhältnis zum Management des Druckmaschinenherstellers eng wie eh und je. Der Konzern blieb seinen Anwälten treu. "Unsere Beratung für den Mandanten hat sich inhaltlich nicht verändert. Wir sind nach wie vor in die relevanten Prozesse eingebunden und arbeiten über kurze Kommunikationswege."
So nah wie möglich am Mandanten
Der größte Vorteil für ihren Mandanten: Ackermann und seine Kollegen wissen, was es bedeutet, was das Gegenüber von einem Waver, dem Doublieren einer Offsetdruckmaschine oder der Überdeckung eines Kegelrades spricht. Wo andere sich noch mit dem Erkunden der tatsächlichen Bedeutung aufhalten, können die Adjuga-Anwälte direkt mit der konkreten Rechtsfrage loslegen.
"Das technische Know-How und die Kenntnis der Mandanten und ihrer Produkte spielt für uns eine äußerst wichtige Rolle. Nur so können wir effizient beraten", erklärt Ackermann die Kanzlei-Strategie. Eine intensive Auseinandersetzung mit dem Geschäft der Mandanten ist für die Berater selbstverständlich. Alle technischen Prozesse verstehen, die Entscheidungsträger persönlich kennen und ohne viel Nachfragen beraten - das ist die Adjuga-Strategie. Und das ist typisches Inhouse-Denken.
Hier zeigt sich das Wesen der Kanzlei, die keine normale Kanzlei sein will. "Wir beraten hauptsächlich präventiv, um Gerichtsverfahren zu vermeiden", sagt Ackermann. Auch das ist ein Überbleibsel der unternehmensinternen Rechtsberatung, denn Inhouse-Juristen dürfen ihren Mandanten üblicherweise nicht vor Gericht vertreten. "Hinterher müssen die Firmen ja meist wieder zusammenarbeiten. Da ist es doch besser, sie vermeiden einen Streit oder finden zumindest eine Kompromisslösung", ist Ackermann überzeugt.
Ein weiteres Indiz für die Inhouse-Herzen der Adjuga-Anwälte ist die generalistische Ausrichtung ihrer Beratung. Da sie auch anderen Mandanten die Dienste einer externen Rechtsabteilung anbieten, müssen sie eine große Bandbreite an Rechtswissen abdecken. Vom Arbeits- und Wirtschaftsrecht, über das IT- und Steuerrecht bis hin zur Produkthaftung. "Nur ausländisches Recht und sehr spezielle Fragen können wir nicht alleine abdecken. Wie eine normale Rechtsabteilung kooperieren wir dann mit anderen Kanzleien", sagt Ackermann.
Inhouse-Juristen sitzen fest im Sattel
Die eigene Rechtsabteilung auszulagern, ist bislang kein großer Trend geworden. Für andere Firmenabteilungen gilt das hingegen nicht. So gehören IT-Outsourcings, etwa bei ThyssenKrupp oder der Allianz, bereits zum Alltag. Doch die rechtliche Beratung aus der Hand geben, das scheint für die meisten großen Unternehmen keine Option zu sein. Im Gegenteil: Viele stocken ihre Rechtsabteilungen auf, um juristische Expertise intern möglichst umfangreich abzubilden.
So bleiben ausgelagerte Rechtsabteilungen ein Nischenphänomen. Die österreichische Strabag SE zum Beispiel hat im Jahr 2007 ihre eigene Rechtsabteilung und die der Firmentochter Ed. Züblin in eine GmbH ausgelagert. Allerdings nicht als Kanzlei, sondern als Tochterunternehmen unter dem Namen CLS Construction Legal Service mit Sitz in Köln. Die Anwälte dort sind weiterhin ausschließlich für Strabag und deren Töchter tätig.
Weitere Beispiele gibt es dort, wo Teilbereiche ausgelagert werden. So hat etwa die Deutsche Bank 2010 ihre bundesweite Prozessführung auf die Kanzlei Noerr übertragen. Noerr setzte sich damals in einer Ausschreibung gegen andere Kanzleien durch. Auch Steuerabteilungen ereilt zuweilen dasselbe Schicksal. Das Bankhaus Sal. Oppenheim etwa legte im vergangenen Jahr die Arbeit ihrer Steuerabteilung in die Hände der Berater von WTS. Die Kölner Steuer- und Rechtsberatungsgesellschaft WTS betreut unter anderem auch die Steuerbelange des Fahrzeugkonzerns MAN.
So lange suchen, bis es passt
Die Expertise einer kompletten externen Rechtsabteilung nutzt nicht nur Heidelberger Druck für sich. Adjuga hat sich im Südwesten Deutschlands etabliert und blickt auf einen ansehnlichen Mandantenstamm, der die Abhängigkeit vom Industriekonzern relativiert. "Empfehlungen durch Mandanten sind für uns ein wichtiges Element bei der Akquise. Den Vertrauensvorschuss, den wir durch Empfehlungen bekommen, nehmen wir ernst." Ackermann gibt zu: "Das unterliegt natürlich Schwankungen. Man wird ja leider nicht jeden Tag empfohlen."
Eine echte Krise aber hatte die Kanzlei in ihrem zehnjährigen Bestehen bislang nicht. Einzig dann, wenn ein Mitarbeiter die kleine Kanzlei verlässt, wird es unangenehm. "Der Zeitaufwand, den wir haben, um die liegengebliebene Arbeit aufzufangen, ist enorm", erzählt Ackermann. "Hinzu kommt der Aufwand für die Suche nach einem neuen Kollegen. In derartigen Situationen weiß man manchmal nicht, wie es weitergehen soll."
Das richtige Personal zu finden ist Jung, Dömkes und Ackermann bisher stets gelungen. Auch wenn es mal zwei Bewerbungsrunden für eine Stelle gebraucht hat. Denn die richtige Einstellung zählt, das Herz muss für Inhouse schlagen. Ackermann: "Wir brauchen Mitarbeiter, die so denken und arbeiten wie wir. Sonst würde es nicht funktionieren." Dass sie dafür den richtigen Riecher haben, zeigt die Tatsache, dass Kanzleikollegen, die Adjuga bisher wieder verlassen haben, allesamt in Unternehmen wechselten.
Die gegenseitige Loyalität und Treue scheint bei Adjuga und ihrer längsten Mandantin Heidelberger Druck naturgegeben. Und das, obwohl die Kanzlei das papierlose Büro anstrebt. Die Anwälte arbeiten rein elektronisch und haben keinerlei Aktenordner in ihren Büroräumen stehen. Der Drucker kommt bei ihnen nur selten zum Einsatz.
Désirée Balthasar, Outsourcing einer Rechtsabteilung: Das Herz schlägt Inhouse . In: Legal Tribune Online, 06.07.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16097/ (abgerufen am: 27.04.2024 )
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