Druckversion
Sonntag, 11.05.2025, 07:03 Uhr


Legal Tribune Online
Schriftgröße: abc | abc | abc
https://www.lto.de//recht/justiz/j/4str14922-bgh-rechtsbeugung-richter-lg-hagen-justiz-akten-strafrecht
Fenster schließen
Artikel drucken
51983

BGH bestätigt Rechtsbeugungs-Urteil: Rich­terin mit "totaler Blo­c­kade" ver­steckte Akten im Keller

von Joschka Buchholz

13.06.2023

Akten, Archiv

Im Keller einer Amtsrichterin wurden 2020 mehrere unbearbeitete Akten gefunden - der Fall landete nun beim BGH. Foto: FotoAndalucia - stock.adobe.com

Eine Amtsgerichtsrichterin hat zahlreiche ihrer Fälle nicht mehr bearbeitet und teilweise Dokumente verfälscht. Deshalb wurde sie wegen Rechtsbeugung verurteilt, der BGH hatte nun über die Revision zu entscheiden.

Anzeige

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Verurteilung einer Richterin aus Lüdenscheid insbesondere wegen Rechtsbeugung gemäß § 339 Strafgesetzbuch (StGB) im Wesentlichen bestätigt. Gleichwohl wurde das Urteil des Landgerichts (LG) Hagen (Az. 46 KLs - 32 Js 264/20 - 8/21) aufgehoben, da die Strafzumessung rechtsfehlerhaft erfolgte (Beschl. v. 29.11.2022, Az. 4 StR 149/22).

Wegen Rechtsbeugung in zehn Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Urkundenfälschung sowie in sechs Fällen in Tateinheit mit Verwahrungsbruch und Urkundenunterdrückung hatte das LG Hagen die Frau zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Im Prozess hatte die Richterin des Amtsgerichts Lüdenscheid eingeräumt, eine "totale Blockade" gehabt zu haben und deshalb mehrere Akten nicht bearbeitet zu haben. Die unbearbeiteten Akten waren 2020 bei einer Durchsuchung im Keller der Frau gefunden worden. Teilweise hatte sie die fristgerechte Urteilsabsetzung durch Verfügungen und Vermerke vorgetäuscht.

Auch hatte die Richterin in einem Strafverfahren das Protokoll der Hauptverhandlung verfälscht, um das Verfahren fortsetzen zu können, obwohl sie den Angeklagten bereits in Abwesenheit verurteilt hatte. Damit wollte sie verschleiern, dass sie das schriftliche Urteil nicht entsprechend § 275 I Strafprozessordnung (StPO) rechtzeitig zu den Akten gebracht hatte, was einen absoluten Revisionsgrund gemäß § 338 Nr. 7 StPO darstellt. Insoweit hat die Frau durch ihr Verhalten dem Angeklagten ein aussichtsreiches Rechtsmittel genommen.

Wenngleich die Frau angab, dass sie sich in psychotherapeutischer Behandlung befinde, konnte ein psychiatrisches Gutachten in dem Verfahren keine Zweifel an der Schuldfähigkeit der Richterin feststellen. Im Rahmen dieser Untersuchung hatte die Frau angegeben, sie habe die betroffenen Akten besonders gut bearbeiten wollen, sei jedoch nicht dazu gekommen. Sie habe dann negative Gefühle, insbeondere in Bezug auf eine vermeintliche Erwartungshaltung von außen verdängen wollen. Zwar habe sie sich nicht überlastet gefühlt, konnte sich aber auch nicht durchringen, das Verdrängungsgefühl zu überwinden und die Akten umfassend zu bearbeiten. Im Rahmen ihrer Psychotherapie habe sie versucht, in ihrem Vorgehen einen "roten Faden" zu erkennen, welche Gemeinsamkeiten die unbearbeiteten Akten hätten. Dies sei indes erfoglos geblieben.

Vom Ruf der "angesehenen Richterin" zur Rechtsbeugung

In den Urteilsgründen des LG Hagen wird die Frau zunächst von Kollegen sowie Prozessbeteiligten aus der Anwaltschaft und der Staatsanwaltschaft als "angesehene Richterin" beschrieben, deren Rat auch dienstältere Kollegen regelmäßig gesucht hätten. Gleichwohl waren mehreren Kollegen schon kurz nach ihrer Ernennung auf Lebenszeit immer wieder Unregelmäßigkeiten in ihrer Aktenführung aufgefallen, welche jedoch erst im Sommer 2020 dazu führten, dass es zu einer Durchsuchung ihrer Wohnung kam, bei der dann mehrere Akten und weitere zugehörige lose Blätter gefunden wurden.

Zuvor hatten mehrere Kollegen zum Teil wiederholt versucht, auf die Frau einzuwirken. Gleichwohl versuchte die Frau, von ihrem eigenen Fehlverhalten abzulenken und versuchte  andere Personen für die Verzögerungen und Unregelmäßigkeiten verantwortlich zu machen. Beispielsweise datierte sie eine Zustellungsverfügung in einer Akte zurück auf ein früheres Datum und legte die Akte dann bewusst in ein völlig falsches Fach, um so eine Fehlleistung der zuständigen Geschäftsstellenmitarbeiter vorzutäuschen.

Das LG Hagen hatte die Strafe bei drei Jahren und zehn Monaten Freiheitsstrafe festgesetzt. Weil bei der Verurteilung in sechs Fällen aber fälschlicherweise von einem Tun und nicht von Unterlassen ausgegangen wurde, hat der BGH das Urteil aufgehoben. Deshalb wird das LG Hagen die Strafe neu festsetzen müssen.

  • Drucken
  • Senden
  • Zitieren
Zitiervorschlag

BGH bestätigt Rechtsbeugungs-Urteil: . In: Legal Tribune Online, 13.06.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51983 (abgerufen am: 15.05.2025 )

Infos zum Zitiervorschlag
  • Mehr zum Thema
    • Strafrecht
    • BGH
    • Rechtsbeugung
    • Richter
  • Gerichte
    • Bundesgerichtshof (BGH)
    • Landgericht Hagen
Ein Tätowierer bei der Arbeit 14.05.2025
Vermögen

BVerfG hebt BGH-Beschluss im Tattoostudio-Fall auf:

Ver­mö­gens­schaden muss kon­kret bezif­fert werden

Ein Streit um Anteile an einem Tattoostudio eskaliert in einer blutigen Auseinandersetzung. Für eine Verurteilung wegen eines Erpressungsdelikts braucht es aber konkrete Feststellungen zum Vermögensschaden, stellte das BVerfG nun klar.

Artikel lesen
Justizminister Benjamin Limbach im Untersuchungsausschuss 14.05.2025
Gerichte

Untersuchungsausschuss zur OVG-Besetzung in NRW:

Bewer­berin ums Prä­si­den­tenamt sorgt für Abbruch der Sit­zung

Die Bewerberin auf das Amt als OVG-Präsidentin in NRW bewirkte im U-Ausschuss zur Besetzung des Gerichts den Abbruch der Sitzung. Sie äußerte Vorwürfe gegenüber dem Gremium, einzelnen Mitgliedern und der Presse. Die Aussagen werden geprüft.

Artikel lesen
Beschreibung Stefanie Hubig (SPD), Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz, spricht auf der Amtsübergabe des Bundesministerium der Justiz. 07.05.2025
Bundesjustizministerium

Amtsübergabe an Justizministerin Hubig:

Eine von ihnen kehrt zurück

Umarmen statt Händeschütteln, die Amtsübergabe im BMJV an Stefanie Hubig glich einem freudigen Wiedersehen. Die Rückkehrerin kündigte gleich Vorhaben an: Mietpreisbremse, Familienrecht, Leistungsfähigkeit der Justiz – und Verfassungsfragen zur AfD.

Artikel lesen
BGH 06.05.2025
Cannabis-Legalisierung

BGH kassiert aufsehenerregenden Freispruch:

Sch­muggel von 450 Kilo­gramm Mari­huana kann doch bestraft werden

Der BGH hat den Freispruch eines Mannes aufgehoben, der 450 Kilo Marihuana geschmuggelt hatte. Die Ermittler waren ihm über verschlüsselte Encrochat-Nachrichten auf die Schliche gekommen. Zunächst profitierte er von der neuen Cannabis-Rechtslage.

Artikel lesen
Schöffen und Richter des LG Hamburg bei einer Verhandlung am 12.12.2023 03.05.2025
Meinung

Reaktion auf LTO-Gastbeitrag zur Einschränkung und Abschaffung der Schöffenbeteiligung:

Besser weniger Ein­zel­richter

Gerade weil Strafverfahren mehr sind als reine Rechtsanwendung sind Schöffen alles andere als "überholt". Und vor allem: Sie sind verfassungsrechtlich legitimiert. Wer sie abschaffen will, braucht sehr gute Argumente, schreibt Hasso Lieber.

Artikel lesen
Aktenstapel auf der Richterbank am BVerfG 30.04.2025
Befangenheit

BVerfG zu mehrfachen "Hinweisen" von Zivilrichtern:

Ver­g­leichs­druck kann Besorgnis der Befan­gen­heit begründen

Wann ist die Grenze der zulässigen Verfahrensbeschleunigung seitens des Gerichts überschritten? Das BVerfG stellte dies nun mit Blick auf die Besorgnis der Befangenheit von Zivilrichtern klar. Dabei übte es auch harte Kritik am OLG München.

Artikel lesen
logo lto karriere
TopJOBS
Logo von Oppenhoff
Re­fe­ren­da­re (m/w/d) al­le Fach­be­rei­che

Oppenhoff , Köln

Logo von Bundeskartellamt
Voll­ju­ris­tin bzw. Voll­ju­rist (w/m/d) für ver­schie­de­ne...

Bundeskartellamt , Bonn

Logo von Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg
Staats­an­wäl­tin (Rich­te­rin auf Pro­be) / Staats­an­walt (Rich­ter auf Pro­be)...

Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg , Neu­rup­pin

Logo von Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg
Staats­an­wäl­tin (Rich­te­rin auf Pro­be) / Staats­an­walt (Rich­ter auf Pro­be)...

Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg , Frank­furt (Oder)

Logo von Oppenhoff
Re­fe­ren­da­re (m/w/d) al­le Fach­be­rei­che

Oppenhoff , Frank­furt am Main

Logo von Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg
Staats­an­wäl­tin (Rich­te­rin auf Pro­be) / Staats­an­walt (Rich­ter auf Pro­be)...

Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg , Pots­dam

Logo von Wolters Kluwer
Ju­rist als Pro­dukt­ma­na­ger im Be­reich Con­tent - Straf­recht (m/w/d)

Wolters Kluwer , Hürth

Logo von FPS Rechtsanwaltsgesellschaft mbH & Co. KG
Re­fe­ren­da­re (m/w/d) für al­le Rechts­be­rei­che

FPS Rechtsanwaltsgesellschaft mbH & Co. KG , Ham­burg

Mehr Stellenanzeigen
logo lto events
Intensiv-Webinar zur RVG-Reform 2025: Richtig Ab- und Anrechnen in der Praxis

15.05.2025

Intensiv-Webinar zur RVG-Reform 2025: Richtig Ab- und Anrechnen in der Praxis

15.05.2025

Vermögensverwaltende Personengesellschaften

15.05.2025

15. Bochumer Erbrechtssymposium - Auslegung und Anfechtung der Verfügung von Todes wegen

16.05.2025

8. Kölner Insolvenzstrafrechtstag

15.05.2025, Köln

Mehr Events
Copyright © Wolters Kluwer Deutschland GmbH