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Korruption im Gesundheitswesen: Strafbarkeit von Vertragsärzten wegen Bestechlichkeit weiter ungeklärt

von Dr. Oliver Sahan/Dr. Kathrin Urban

05.05.2011

Arztbestechung

© Gina Sanders - Fotolia.com

Das mit Spannung erwartete Urteil des BGH ist ausgeblieben: Der Große Senat für Strafsachen soll entscheiden, ob es sich beim Kassenarzt um einen Amtsträger für die Versicherungen handelt oder er ein Beauftragter der Kassen ist. Für die betreffenden Mediziner dauert damit die Unsicherheit an, wann ihnen eine Strafverfolgung droht. Von Oliver Sahan und Kathrin Urban.

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Bis vor wenigen Jahren war es noch weit verbreitet, dass Kassenärzte Zuwendungen beispielsweise in Form von gegenständlichen Geschenken, Einladungen zu Tagungen an illustren Orten, "Aufwandsentschädigungen" für Anwendungsbeobachtungen oder das Ausfüllen von Behandlungsbögen und teilweise überzogenen Vortragshonoraren von Pharmareferenten und anderen Vertretern annahmen.

An dieser Praxis hatte auch bis vor kurzem niemand etwas auszusetzen, weil man wie selbstverständlich davon ausging, dass niedergelassene Kassenärzte - anders als Amtsärzte und angestellt tätige Ärzte - wegen ihrer selbständigen oder freiberuflichen Tätigkeit nicht taugliche Täter einer Bestechlichkeit sein könnten. Nach geltender Rechtslage ist das neben Amtsträgern nämlich nur, wer Angestellter oder Beauftragter eines geschäftlichen Betriebes ist.

Die Überlegung, in selbständig tätigen Ärzten einen Amtsträger zu sehen, erschien fernliegend. Die Eigenschaft eines Kassenarztes als Beauftragter eines geschäftlichen Betriebes wurde lange mit der Begründung verneint, dass dieser im Interesse seiner jeweiligen Patienten und eben nicht im Interesse eines geschäftlichen Betriebes handelt. In der Konsequenz durften Kassenärzte Geschenke uneingeschränkt annehmen - sogar dann, wenn sie dafür die Produkte der großzügigen Referenten im Gegenzug bevorzugt verschrieben.

Kassenärzte sollten Geschäftsbeziehungen transparent gestalten

Seit einiger Zeit wird jedoch kontrovers diskutiert, ob solche Verhaltensweisen nicht sehr wohl als strafbare Korruption einzuordnen sind. Im Fokus der Diskussion stand die Frage, ob niedergelassene Ärzte bei der Behandlung von Kassenpatienten einen Auftrag der Krankenversicherung erfüllen und damit unabhängig von ihrem Behandlungsverhältnis gegenüber den Patienten im Verhältnis zu den gesetzlichen Krankenkassen Beauftragter eines "geschäftlichen Betriebes" im Sinne des Bestechungstatbestandes (§ 334 Strafgesetzbuch) sind.

Wer nun auf eine Klärung dieser Frage durch den Bundesgerichtshof (BG)H gehofft hatte, wurde durch den Vorlagebeschluss des 3. Strafsenats enttäuscht. Wann der jetzt zuständige Große Strafsenat für Rechtssicherheit sorgen wird ist unklar. Bis auf Weiteres müssen Vertragsärzte damit rechnen, im Falle der Annahme von Zuwendungen wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr ins Visier der Ermittlungsbehörden zu geraten. Nach der Pressemitteilung des BGH scheint sogar die Annahme einer Amtsträgerbestechung nicht als völlig ausgeschlossen.

Vor diesem Hintergrund sollten die Vertragsärzte bei der Annahme von Zuwendungen besondere Vorsicht walten lassen. Wenn der Große Strafsenat tatsächlich zu der Annahme gelangt, dass Kassenärzte Amtsträger sind, wäre Ärzten faktisch die Annahme jeglicher Vorteile versagt – vergleichbar etwa mit einem Beamten in einer Baubehörde.

Einschränkungen würden auch gelten, wenn der Große Senat zwar die Amtsträgerschaft verneint, Kassenärzte aber als Beauftragte der Krankenkassen einordnet. In diesem Fall dürften die Mediziner Geschenke und Honorare nur insoweit annehmen, soweit es sich dabei nicht um eine Gegenleistung für die Bevorzugung eines bestimmten Herstellers, Kollegen, Krankenhauses oder ähnlichem handelt. Zuwendungen, die lediglich der Herstellung oder Aufrechterhaltung eines guten Geschäftsklimas dienen, wären dann weiter erlaubt.

Jedem Kassenarzt ist daher zu raten, seine Geschäftsbeziehungen transparent zu gestalten, auf die Annahme von Zuwendungen weitestgehend zu verzichten und die Erweckung eines bösen Anscheins sorgfältig zu vermeiden. Dies dürfte auch im Interesse der Geberseite, insbesondere also der Pharmareferenten liegen, deren Verhalten spiegelbildlich demselben Strafrisiko und - auch nach dem heutigen Beschluss des BGH – derselben Unsicherheit unterliegt.

Dr. Oliver Sahan und Dr. Kathrin Urban sind Strafverteidiger bei der Roxin Rechtsanwälte LLP in Hamburg. Dr. Oliver Sahan leitet die Niederlassung in Hamburg und ist Partner der Roxin Rechtsanwälte LLP.

 

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Korruption im Gesundheitswesen: . In: Legal Tribune Online, 05.05.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/3206 (abgerufen am: 13.06.2025 )

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