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Klimawandel und Gewerbemiete: Zu heiß fürs Geschäft?

Gastbeitrag von Dr. Stefanie Minzenmay

08.06.2021

Ein verschwitzter Mann sucht Kühlung durch einen Ventilator

Monika Wisniewska - stock.adobe.com

Wetterextreme wie große Hitze oder Starkregen schränken die Nutzbarkeit von Geschäftsräumen ein. Fehlen Regelungen zur Beschaffenheit der Mieträume im Mietvertrag, ist Streit oft vorprogrammiert, zeigt Stefanie Minzenmay.

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Extreme Hitze, Überschwemmung durch Starkregen oder Dachlastüberschreitungen durch heftigen Schneefall: Wetterextreme gehören inzwischen zur Normalität. Viele Gebäude sind für solche Belastungen nicht ausgelegt. Auch durch eine veraltete Gebäudetechnik sind Gewerbemietflächen dann oft nur eingeschränkt nutzbar.

Außerdem leidet die Produktivität von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei hohen Hitzebelastungen, auch die Kundschaft sucht lieber wohltemperierte anstatt aufgeheizte Geschäftsräume auf, ein kürzerer Aufenthalt im Geschäft kann zu Umsatzrückgängen führen. Außerdem haben Mieterinnen und Mieter der Gewerbemieträume arbeitsschutzrechtliche Vorgaben gegenüber ihren Mitarbeitenden zu beachten.

Man sieht: Gewerbemieträume, die nicht für jedes Wetter gemacht sind, können das Geschäft beeinträchtigen. Juristisch stellt sich die Frage, ob das als Mangel einzuordnen ist. Die Gerichte kommen dabei zu recht unterschiedlichen Auffassungen, ob etwa bei einem zu stark aufgeheizten Ladengeschäft ein Mietmangel vorliegt. Als Grundlage für die Entscheidung werden oft baurechtliche oder arbeitsschutzrechtliche Vorgaben herangezogen, wenn dem Mietvertrag keine eindeutige Regelung zur Eigenschaft der Mietsache zu entnehmen ist.

Ab 26 Grad Celsius im Innenraum zu heiß?

Einige Gerichte vertreten die Ansicht, dass Hitze durch Sonneneinstrahlung in nicht baurechtswidrig errichteten Gebäuden allgemeines Lebensrisiko des Mietenden sei. Doch beispielsweise das Oberlandesgericht (OLG) Rostock hingegen vertrat im Mai 2018 die Auffassung, dass in Modegeschäften eine Temperatur herrschen müsse, die für den Betrieb des Geschäftes erforderlich und üblich ist (Urt. v. 17.05.2018, Az. 3 U 78/16).

Es griff dabei nicht auf baurechtliche, sondern auf arbeitsschutzrechtliche Bestimmungen zurück. Entscheidend sei dabei die Innentemperatur bzw. die Differenz zwischen Innen- und Außentemperatur: Ein Mangel der Mietsache liegt nach Auffassung des OLG vor, wenn die Innenraumtemperatur 26 Grad Celsius überschreitet bzw. 20 Grad Celsius unterschreitet oder bei Außentemperaturen von über 32 Grad Celsius die Innentemperatur nicht sechs Grad Celsius unter der Außentemperatur liegt. Nach der Entscheidung des OLG Rostock gilt das auch dann, wenn das Gebäude zum Zeitpunkt der Errichtung baurechtlichen Vorgaben entsprach.

Werden diese Innentemperaturen nicht erreicht, kann das mietende Unternehmen die Miete mindern oder verlangen, dass die Gebäudetechnik entsprechend angepasst wird.

BGH: Kein Anspruch auf fortlaufende Modernisierung der Mietsache

Entscheidungen wie die des OLG Rostock sind mieterfreundlich, juristisch aber nicht unumstritten:

Das Gericht zieht für die Bestimmung des vertragsgemäßen Gebrauchs nämlich arbeitsschutzrechtliche Bestimmungen heran, die eigentlich in dem Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern gelten. Zudem sind (energie-)wirtschaftliche Folgen nicht zu unterschätzen: Vermieterinnen und Vermieter eines Gebäudes, das ursprünglich nach anerkannten Regeln der Technik errichtet wurde, müssten die Folgen hitzebedingter Beeinträchtigungen alleine tragen, obwohl sie auf diese Umweltbedingungen keinen Einfluss haben.

Hierzu aber hat bereits der BGH festgestellt, dass eine fortlaufende Pflicht zur Aktualisierung von technischen Ausstattungen auf den jeweils aktuellen Stand der Technik nicht besteht (Urt. v. 05.06.2013, Az. VIII ZR 287/12).

Kosten für Gebäudemodernisierung blieben am Ende beim Mieter hängen

Zudem bestehen hohe Anforderungen an die Darlegung des klimatisch bedingten Mangels: Wird bei hohen Außentemperaturen eine zu hohe Innentemperatur festgestellt, reicht die genaue Angabe der Rauminnentemperatur nicht aus. Es muss auch die entsprechende Außentemperatur protokolliert werden. Denn häufig hängt die vorhandene Technik der Mietsache unvermeidbar von der Außentemperatur ab. Zu dieser Einschätzung kam das OLG Düsseldorf in einer Entscheidung von September 2019 (Beschl. v. 19.09.2020 Az. I-24 U 197/18).

Im Mietrecht sollte daher die vertraglich gewünschte Risikozuweisung maßgeblich sein, die zwischen den Parteien in Kenntnis des Ist-Zustandes des Gebäudes getroffen wurde. Würde bereits das Überschreiten einer bestimmten, sich aus arbeitsschutzrechtlichen Bestimmungen ergebenden Raumtemperatur stets zu einem Mangel führen, müssten viele Vermieterinnen und Vermieter gebäudetechnische Anlagen nachrüsten. Hierdurch entstehende Kosten dürften dann zukünftig auf die Miete aufgeschlagen werden. Höhere Betriebskosten gingen ebenfalls zu Lasten der Mieterinnen und Mieter.

Das Urteil des OLG Rostock zeigt beispielhaft, dass es nicht praktikabel ist, bei einer Regelungslücke im Vertrag tendenziell nicht nur auf bauseitig vorhandene Ist-Zustände bei der Auslegung von geschuldeten Standards abzustellen.

Streit vermeiden durch Vertragsanpassung

Unsicherheiten und Risiken können durch sorgfältige mietvertragliche Gestaltung sowohl bei Neuabschlüssen als auch im Zuge von Nachträgen zu Bestandsmietverträgen minimiert werden.

Im Mietvertrag sollten die Vertragsparteien die Beschaffenheit der Mieträume klar regeln. Wünscht sich die Mieterseite beispielsweise einen besseren Wärmeschutz als den bauordnungsrechtlich geschuldeten oder den vorhandenen, sollte dies ausdrücklich bestimmt werden. Häufig erfolgt dies bei Neuabschlüssen von Gewerbemietverträgen im Zuge von Ausbauregelungen und der Zuweisung, welche Vertragspartei für welche Gewerke und welche Standards zuständig ist.

Auch nachträglich können Regelungen zwischen den Parteien in einem Nachtrag zum Bestandsmietvertrag getroffen werden. Eine solche fixierte Vereinbarung schafft eine verlässliche Regelungsgrundlage, die für langfristige gegenseitige Verpflichtungen wie bei der Gewerberaummiete essenziell ist.

Die Autorin Dr. Stefanie Minzenmay ist Partnerin im Immobilienrecht bei Oppenhoff und Leiterin der Sektorgruppe Immobilienwirtschaft der Kanzlei.

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Klimawandel und Gewerbemiete: . In: Legal Tribune Online, 08.06.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/45145 (abgerufen am: 10.11.2025 )

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