Die geplanten Änderungen des Bauvertragsrechts zielen vornehmlich auf den Verbraucherschutz ab. Weshalb der Regierungsentwurf auch wesentliche Auswirkungen auf sämtliche Bauvorhaben in Deutschland haben wird, erläutert Oliver Kerpen.
Das Bundeskabinett hat am 2. März 2016 den Entwurf des "Gesetzes zur Reform des Bauvertragsrechts und zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung" beschlossen. Eine Verabschiedung des Gesetzesentwurfs erfolgt wahrscheinlich noch in diesem Jahr. Das Gesetz wird daher voraussichtlich auf alle ab dem Frühjahr 2017 geschlossenen Verträge Anwendung finden. Die vorgesehenen Regelungen werden dabei mit Ausnahme des speziellen Verbraucherbauvertrages für sämtliche Bauvorhaben in Deutschland maßgeblich sein. Vom Gesetzesentwurf betroffen sind neben Bauunternehmern, Architekten und Ingenieuren gleichermaßen auch Verbraucher, bauende Unternehmen sowie öffentliche Auftraggeber.
Bislang wird das Bauvertragsrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) nur am Rande behandelt. Vielfach vereinbart werden daher umfangreiche Vertragstexte, oftmals unter Einbeziehung der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, Teil B (VOB/B). Das geplante Bauvertragsrecht umfasst nun vier neue Vertragstypen, die in §§ 650a bis 650u alle in das BGB aufgenommen werden: Der Bauvertrag, der Verbraucherbauvertrag, der Architekten- und Ingenieurvertrag sowie der Bauträgervertrag.
Bauvertrag gibt Bauherrn Anordnungsrecht
Die wesentliche Neuerung des Gesetzentwurfs ist das Anordnungsrecht des Auftraggebers von Bauverträgen. Bislang waren Änderungsanordnungen bei fehlender vertraglicher Vereinbarung nur in Ausnahmefällen aus Treu und Glauben möglich. Der Auftraggeber soll nun, wie schon nach der VOB/B, erforderliche Änderungen des Leistungsumfangs einseitig anordnen können, etwa wenn die Baubehörde weitere Stellplätze für die Baugenehmigung fordert. Das gesetzliche Anordnungsrecht des Auftraggebers soll zukünftig aber auch nicht erforderliche Änderungen umfassen, soweit dies für den Bauunternehmer zumutbar ist. Im Laufe eines Bauvorhabens können sich die Anforderungen des Bauherrn oftmals ändern, wenn etwa statt eines großen Familienzimmers ein zweites Kinderzimmer erforderlich wird. Eine solche interessengeleitete Änderung der Raumaufteilung kann der Bauherr nun von Gesetzes wegen einseitig anordnen. Die Bauherrenrechte werden somit über die VOB/B hinaus erweitert.
Die preislichen Auswirkungen einer Bauänderung seitens des Auftraggebers bestimmen sich anhand der tatsächlich erforderlichen beziehungsweise eingesparten Kosten. Dieser Fall tritt allerdings nur ein, falls es zu keiner Einigung zwischen dem Bauherren und dem Auftraggeber kommt. Der Bauunternehmer kann sich bei einer Bauänderung alternativ auf die Vermutung einer vereinbarungsgemäß hinterlegten Urkalkulation als maßgeblichen Kostenansatz beziehen. Ob die vom Gesetzgeber beabsichtigte Eindämmung der Spekulationen bei der Preisgestaltung durch ein solches Wahlrecht des Bauunternehmers wirklich eintreten wird, bleibt abzuwarten.
Regelungen zur Streitbeilegung
Bei ausbleibender Einigung kann der Bauunternehmer 80 Prozent seines Nachtragsangebots über Abschlagsrechnungen vorläufig abrechnen. Es sei denn, der Auftraggeber erreicht nach erfolgloser Hinzuziehung eines Sachverständen eine gerichtliche Anpassung im einstweiligen Rechtsschutz. In beiden Fällen ist erst nach der Bauabnahme schlussabzurechnen.
Nach einer verweigerten Abnahme sollen die Beteiligten außerdem eine gemeinsame Feststellung des Leistungsstandes verlangen können, in der sodann offenkundige Mängel gerügt werden müssen. Der Gesetzesentwurf zwingt den Auftraggeber außerdem dazu, seine Abnahmeverweigerung zu begründen, anderenfalls gilt die Abnahme nach dem Ablauf einer vom Bauunternehmer gesetzten Frist als erfolgt.
Diese Abnahmeregelung soll im allgemeinen Werkvertragsrecht verortet werden und hat somit über den Bauvertrag hinaus Auswirkung auf alle Werkverträge des BGB. Gleichermaßen soll die Kündigung aus wichtigem Grund mit anschließender gemeinsamer Leistungsfeststellung auf Verlangen einer Partei ebenfalls für sämtliche Werkverträge kodifiziert werden. Bauverträge sollen in Zukunft nur noch schriftlich gekündigt werden können.
2/2: Prognose der Bauunternehmen gegenüber Verbrauchern
Der Verbraucherbauvertrag erfasst Verträge zwischen Verbrauchern und Unternehmern über den Bau eines Gebäudes oder ehebliche Umbaumaßnahmen an einem Gebäude. Für Verbraucherbauverträge werden in Ergänzung des Bauvertrages weitestgehend zwingende Sonderreglungen zugunsten der Verbraucher mit erhöhten Belehrungspflichten der Unternehmen geschaffen.
Der Gesetzesentwurf sieht ein zweiwöchiges Widerrufsrecht vor. Belehrt der Unternehmer den Verbraucher nicht oder fehlerhaft soll die Widerrufsfrist auf bis zu ein Jahr und 14 Tage nach Vertragsschluss ausgedehnt werden. Verbraucherbauverträge müssen nach dem Regierungsentwurf zusätzlich verbindliche Angaben zum Zeitpunkt oder Zeitraum der Fertigstellung beinhalten und der Bauunternehmer hat eine vertragsgegenständliche Baubeschreibung zu stellen, deren Inhalte gesetzlich vorgeschrieben sind. So muss die Baubeschreibung etwa Angaben zum Energie- und Schallschutzstandard beinhalten. Abschlagszahlungen sollen nur noch höchstens 90 Prozent der vereinbarten Vergütung ausmachen können und vom Verbraucher verlangte Zahlungssicherheiten werden auf die nächste Abschlagszahlung, höchstens jedoch auf 20 Prozent der Vergütung begrenzt.
Architekten und Ingenieure nicht mehr direkt in Anspruch nehmen
Architekten- und Ingenieurverträge werden vom Gesetzentwurf als eigenständiger Vertragstypus neben dem Bauvertrag abgegrenzt. Das Anordnungsrecht des Auftraggebers von Bauverträgen soll jedoch entsprechend Anwendung finden. Hierdurch wird der Bauherr nun auch gegenüber Architekten und Ingenieuren zu Änderungen über die bisherigen Ausnahmefälle hinaus berechtigt.
Neu ist, dass dem Auftraggeber nach Erhalt der Planungsgrundlage und Kosteneinschätzung ein zweiwöchiges Sonderkündigungsrecht eingeräumt wird. Aber auch Architekten und Ingenieure sollen sich ordentlich vom Vertrag lösen können, wenn die Zustimmung des Auftraggebers zur Planungsgrundlage oder Kosteneinschätzung trotz Fristsetzung ausbleibt. In beiden Fällen sind jeweils nur die bis zur Kündigung erbrachten Leistungen zu vergüten. Architekten- und Ingenieurverträgen müssen künftig schriftlich gekündigt werden.
Mängel durch Bauüberwachungsfehler sollen nach dem Regierungsentwurf vornehmlich durch den fehlerhaft ausführenden Bauunternehmer behoben werden. Erst wenn diesen erfolglos eine angemessene Frist zur Nachbesserung gesetzt wurde, sollen Architekten und Ingenieure wegen ihrer unzureichenden Bauüberwachung in Anspruch genommen werden. Ziel ist es, zunächst den eigentlichen Verursacher in die Verantwortung zu nehmen. Bauherren nehmen Architekten und Ingenieure aufgrund ihrer Haftpflichtversicherung derzeit oftmals direkt in Anspruch.
Bauträgervertrag ohne neue Anordnungs- und Widerrufsrechte
Der Regierungsentwurf ordnet den Bauträgervertrag schließlich entsprechend der bisherigen Rechtsprechung für die Bauverpflichtung als Bauvertrag ein, so dass die geplanten Änderungen zum Bauvertragsrecht auch den Bauträgervertrag treffen werden. Ausgeschlossen werden allerdings unter anderem die Anordnungs- und Widerrufsrechte des Auftraggebers sowie die Begrenzung von Abschlagszahlungen auf 90 Prozent.
Bauherren und Bauunternehmer sollten sich bereits jetzt mit den bevorstehenden Änderungen vertraut machen, um für die Gesetzesverabschiedung gerüstet zu sein. Vom neuen Bauvertragsrecht wird jedes Bauvorhaben in Deutschland betroffen sein und jedes Vertragsmuster wird auf die neuen gesetzlichen Leitbilder anzupassen sein.
Rechtsanwalt Dr. Oliver Kerpen ist Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht am Standort Köln der Wirtschaftskanzlei CMS. Er berät deutsche und internationale Mandanten bei der Projektentwicklung, in gerichtlichen und schiedsgerichtlichen Auseinandersetzungen sowie bei Unternehmenstransaktionen in der Baubranche.
Dr. Oliver Kerpen , Bundesregierung beschließt Stärkung der Bauherrenrechte: Mehr Flexibilität, weniger Streit . In: Legal Tribune Online, 14.03.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18759/ (abgerufen am: 19.04.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag