Machen wir uns nichts vor: Wenn es hart auf hart kommt, steht der sichere Betrieb der Flughäfen in der Prioritätenliste vor dem Vogelschutz. Doch in weiten Teilen ist ein friedliches Miteinander möglich, erklärt Ulrich Hösch.
Vogelparadies Flughafen – das klingt zunächst einmal fernliegend, wenn man bedenkt, dass seit Jahrzehnten vor den Gerichten immer wieder um die Vereinbarkeit von Flughafenbetrieb mit Luftsicherheit und Vogelschutz gestritten wird. Tatsächlich aber entwickeln sich rund um Flughafengelände Lebensräume für Vogelarten, in denen Tier und Technik nebeneinander gut funktionieren.
Dennoch bleibt der Zusammenstoß von Luftfahrzeugen mit Vögeln, der sog. Vogelschlag, ein erhebliches Problem für die zivile Luftfahrt und den Betrieb von Flughäfen. In den vergangenen Jahren sind in Folge von Vogelschlägen wiederholt Totalverluste von Flugzeugen auch mit Todesfällen aufgetreten. In besonderer Erinnerung ist die Notlandung eines Airbus der US Airways im Hudson River am 15. Januar 2009 aufgrund einer Kollision mit Wildgänsen.
Häufiger führen Vogelschläge zu Triebwerksschäden und damit zu Flugausfällen. Derartige Ereignisse gehören gemäß dem nationalen und europäischen Recht sowie den Bestimmungen der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) zu den sicherheitsrelevanten Ereignissen, sie müssen also dem Luftfahrtbundesamt gemeldet werden – im Jahr 2016 war das 991 mal der Fall. Die Vermeidung des Vogelschlages zählt dementsprechend zu den Aufgaben der öffentlich-rechtlichen Gefahrenabwehr und zur Gewährleistung der Betriebsfähigkeit durch den Flugplatzbetreiber. Der setzt dafür so genannte Bird Controller ein.
Solange der Lärm die Kommunikation nicht stört
Zwar ist die Arbeit dieser Vögel-Kontrolleure unmittelbar darauf gerichtet, Gefahren für den aktuellen Flugbetrieb abzuwehren. Bekämpfen dürfen sie die Tiere jedoch nicht. Ihre Tätigkeit wird begrenzt durch Anforderungen des deutschen und europäischen Naturschutzrechtes. Denn innerhalb und in unmittelbarer Umgebung von Verkehrsflughäfen sind inzwischen einige Gebiete als europäische Vogelschutzgebiete ausgewiesen. So umfasst das "Nördliches Erdinger Moos" auch die Grünflächen unmittelbar um die Start-und Landebahn des Verkehrsflughafens München. In Frankfurt und Köln finden sich ebenfalls Vogelschutzgebiete in unmittelbarer Umgebung der Flughäfen.
Für wiesenbrütende Vögel wie Großer Brachvogel, Kiebitz, Feldlerche oder Wachtelkönig sind die Wiesen ein Paradies. Fressfeinde wie Füchse sind ebenso ausgesperrt vom Flughafengelände wie Spaziergänger, freilaufende Hunde und Radfahrer. Demgegenüber hat der Lärm, der von den Flugzeugen ausgeht, einen untergeordneten Einfluss auf die Wahl des Habitats. Offensichtlich reicht der Krach der Flugzeuge nicht aus, um die artspezifische Kommunikation etwa bei der Jungenaufzucht oder bei der Gefahrenwarnung zu stören.
Zwischenzeitlich lassen die regelmäßigen Beobachtungen am Verkehrsflughafen München den Schluss zu, dass sich dort – gemessen an der Zahl der Brutpaare – inzwischen das größte Brutgebiet des Großen Brachvogels in Bayern befindet. Auch der Kiebitz findet hier vermehrt seinen Lebensraum, im Jahr 2016 waren es 160 Brutpaare.
2/2: Größe und Gewicht der Vögel sind sicherheitsrelevant
Um mögliche Gefahren, die von den Tieren ausgehen, zu bewerten, empfiehlt der Deutsche Ausschuss zur Verhütung von Vogelschlägen regelmäßige Biotopgutachten und Bewertungen der Gefahren für jeden Flughafen. So kann die Sicherheitsrelevanz von Vogelaufkommen für den Flugbetrieb identifiziert werden.
Diese beruht sowohl auf der Größe und dem Gewicht von Vögeln, als auch auf ihrer Gefahrneigung, d.h. ob sich die Art in den An- und Abflugwegen von Flugzeugen aufhält oder zu Schwarmbildungen neigt. So wird etwa der Große Brachvogel, obwohl er relativ groß und schwer ist, als weniger flugsicherheitsrelevant eingestuft, da er sich grundsätzlich von den Flugwegen fernhält.
Für den sicheren Flugbetrieb erscheint eine "vogelfreie" Umgebung als notwendig. Gestört, getötet oder zerstört werden dürfen die Tiere aber nicht, gibt § 44 Abs. 1 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) vor. Ihre Ansiedelung kann aber von vorneherein verhindert werden, etwa durch elektroakustische Vergrämungen oder die Veränderung von Nahrungsmöglichkeiten z.B. durch die Bekämpfung von Mäusen als Nahrung für Greifvögel. Zudem lässt sich durch ein so genanntes Biotopmanagement, bei dem bestimmte Vogelarten bewusst angesiedelt werden, zugleich die Verwirklichung von artenschutzrechtlichen Verbotstatbeständen vermeiden.
Im Zweifel für die Infrastruktur
Die Erfahrungen gerade an den großen Verkehrsflughäfen zeigen, dass ein sicherer Flugbetrieb ohne eine "Totalvergrämung" von Vögeln möglich ist. Die Schutzgüter der Luftsicherheit und des Vogelschutzes können einander so zugeordnet werden, dass jedes von ihnen Wirklichkeit gewinnt, wenn ihnen jeweils situationsbezogene Grenzen gesetzt werden.
Vogelschutz und Vergrämung setzen sich unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegenseitig Schranken. Die luftrechtliche Entscheidung kann unter Berücksichtigung der Belange des Naturschutzes die erforderlichen Maßnahmen zur Gewährleistung der Luftsicherheit bestimmen und die je nach Sachlage erforderlichen Ausnahmen von naturschutzrechtlichen Verboten erteilen.
Wichtig ist allerdings zu begreifen, dass eine Infrastrukturanlage grundsätzlich und vorrangig dem infrastrukturellen Zweck dient. Insoweit muss die Sicherung dieser Funktion Vorrang auch vor naturschutzrechtlichen Maßnahmen haben. Dies sieht auch die Europäische Vogelschutz-Richtlinie so. In Art. 9 der Richtlinie werden gerade Ausnahmen für den Fall, dass die Sicherheit des Luftverkehrs betroffen ist, zugelassen.
Der Autor Prof. Dr. Ulrich Hösch ist Partner im Münchner Büro der Kanzlei GvW Graf von Westphalen. Der Fachanwalt für Verwaltungsrecht befasst sich im Schwerpunkt mit den Themen Fachplanungsrecht, Luftverkehrsrecht, Umweltrecht und Immissionsschutzrecht sowie Öffentliches Baurecht.
Prof. Dr. Ulrich Hösch, Gefahrenabwehr im Luftverkehr: Wenn der Vogel das Flugzeug stört . In: Legal Tribune Online, 08.01.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/26327/ (abgerufen am: 23.04.2024 )
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