Der EuGH hat eine tarifliche Regelung der Lufthansa gekippt, nach der Piloten nur bis zum Alter von 60 Jahren beschäftigt werden dürfen. Die höchsten deutschen Arbeitsrichter hatten entsprechende Regelungen bisher als zulässige Befristungen aus sachlichem Grund gewertet. Diese Linie werden sie künftig nicht mehr halten können, meint Christian Oberwetter.
Piloten dürfen nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Rechtssache C 447-09 v. 13.09.2011) nicht bereits mit 60 in den Zwangs-Ruhestand geschickt werden. Das Verbot, in einem darüber liegenden Alter noch fliegen zu dürfen, stellt nach der Entscheidung eine Diskriminierung wegen des Alters dar.
Drei Piloten der Lufthansa hatten bereits im Jahr 2007 Klage gegen eine tarifvertragliche Regelung eingereicht, wonach das Arbeitsverhältnis des Cockpitpersonals mit Erreichen des 60. Lebensjahres automatisch endet. Sie argumentierten, dass die Regelung gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verstieße und sie wegen ihres Alters diskriminiert würden.
Nach Abweisung der Klage durch die Vorinstanzen legte das Bundesarbeitsgericht (BAG) die Sache dem EuGH mit der Frage vor, ob eine Altersgrenze für Piloten von 60 Jahren, die sich auf Gründe der Flugsicherheit stütze, mit Unionsrecht vereinbar sei.
Altergrenze zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Gesundheit nicht nötig
Der EuGH entschied, dass die Altersgrenze eine unverhältnismäßige Anforderung darstellt. Die Tarifvertragsparteien seinen verpflichtet, Diskriminierungen wegen des Alters zu vermeiden. Dem werde die Altersgrenze von 60 Jahren im Tarifvertrag nicht gerecht.
Zwar sei es grundsätzlich zulässig, ab einem bestimmten Alter die Berufsausübung von Piloten zu beschränken, wenn das aus Gründen der Flugsicherheit, also zum Schutz der Passagiere und zum Schutz der Bewohner des Überfluggebiets geboten sei. Die Luxemburger Richter hoben hervor, dass Verkehrspiloten im Besitze besonderer körperlicher Fähigkeiten sein müssten und dass diese Fähigkeiten altersabhängig seien. Daher könne eine Ungleichbehandlung von Piloten verschiedenen Alters durchaus gerechtfertigt sein.
Ein Flugverbot ab einem Alter von 60 Jahren sei jedoch keine für den Schutz der öffentlichen Sicherheit und der Gesundheit notwendige Maßnahme. Eine Beschränkung der Berufsausübung, wie sie in deutschen und internationalen Regelungen niedergelegt wären, sei ausreichend. Nach diesen Vorschriften dürfe der Inhaber einer Fluglizenz ab dem 60. Lebensjahr nicht mehr als Pilot eingesetzt werden, es sei denn, er ist Mitglied einer Flugbesatzung, die aus mehreren Piloten besteht, die unter 60 sind. Die starre Regelung im Tarifvertrag der Lufthansa, wonach Piloten ab dem 60. Lebensjahr nicht zum Führen eines Flugzeugs fähig sind, sei dagegen unverhältnismäßig.
Regemäßige Gesundheitschecks bei Piloten sprechen für den EuGH
Das BAG wird seine Rechtsprechung künftig auf die Vorgaben des EuGH einstellen müssen. Bislang hatte das Gericht in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass tarifliche Altersgrenzen von 60 Jahren für Piloten wirksame Befristungen aus sachlichem Grund gemäß § 14 Abs.1 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) wären.
Zur Begründung hatten die höchsten deutschen Arbeitsrichter angeführt, dass bei Überschreiten der Altersgrenze wichtige Rechtsgüter gefährdet würden, weil das Cockpitpersonal sei überdurchschnittlichen psychischen und physischen Belastungen ausgesetzt und es entspreche der allgemeinen Lebenserfahrung, dass das Risiko von Ausfallerscheinungen und unerwarteten Fehlreaktionen mit höherem Alter zunimmt. Die Ungleichbehandlung von Piloten wegen des Alters sei demnach gemäß § 10 AGG gerechtfertigt, denn die Gewährleistung der Flugsicherheit sei ein legitimes Ziel für die altersabhängige unterschiedliche Behandlung.
Diese Linie wird das BAG nicht mehr halten können. Die geltenden deutschen und internationalen Regelungen sehen Flugverbote für Piloten erst ab dem 65. Lebensjahr vor und halten für den Zeitraum zwischen dem 60. und dem 65. Lebensjahr eine Beschränkung der Berufsausübung für ausreichend. Berücksichtigt man die Tatsache, dass die Piloten ständigen Gesundheitskontrollen unterliegen und im Übrigen, dass durch die gute medizinische Versorgung der gesundheitliche Zustand der älteren Erwerbsbevölkerung sich in den letzten Jahrzehnten wesentlich verbessert hat, so ist die Entscheidung des EuGH in jeder Hinsicht nachvollziehbar. Die große Anzahl der gerichtlichen Entscheidungen zu Diskriminierungen wegen des Alters in den Jahren seit Inkrafttreten des AGG zeigt, dass vor allem ältere Beschäftigte unter Berufung auf gesundheitliche Aspekte unberechtigt benachteiligt werden.
Die Lufthansa und die Pilotengewerkschaft Cockpit werden also den Tarifvertrag ändern müssen. Fraglich bleibt dabei, ob sich jeder im Cockpit über die Aufhebung der Altersgrenze freuen wird. So mancher Pilot sah sich sicher schon mit 60 als Passagier in der Business- oder First Class mit einer großzügigen Vorruhestandvergütung im Rücken zu fernen Zielen aufbrechen. Schließlich entspricht es allgemeiner Lebenserfahrung, dass die Zeit mit zunehmendem Alter wie im Fluge vergeht.
Der Autor Christian Oberwetter ist Fachanwalt für Arbeitsrecht in Hamburg und Verfasser zahlreicher Fachpublikation auf diesem Gebiet.
Mehr auf LTO.de:
BVerwG: Höchstaltersgrenze für öffentliche Sachverständige ist zulässig
OVG Rheinland-Pfalz: Höchstalter für Verbeamtung keine Diskriminierung
AG Köln: Keine Mützenpflicht für Piloten
Christian Oberwetter, EuGH zur Altersgrenze für Piloten: . In: Legal Tribune Online, 13.09.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4284 (abgerufen am: 10.12.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag