Druckversion
Freitag, 14.11.2025, 01:49 Uhr


Legal Tribune Online
Schriftgröße: abc | abc | abc
https://www.lto.de//recht/hintergruende/h/erbrechtliche-gleichstellung-spaete-gerechtigkeit-fuer-nichteheliche-kinder
Fenster schließen
Artikel drucken
2711

Erbrechtliche Gleichstellung: Späte Gerech­tig­keit für nicht­e­he­liche Kinder

von Dr. Jörn Heinemann

08.03.2011

Zwar sind nichteheliche Kinder erbrechtlich ehelichen Kindern weitgehend gleichgestellt – aber eben nur weitgehend. Wer das Pech hat, vor dem 1. Juli 1949 geboren zu sein, galt bisher nicht als mit seinem Vater verwandt – und hatte keinen Anspruch auf ein Erbe. Das soll sich jetzt ändern. Dr. Jörn Heinemann stellt den vom Bundestag verabschiedeten Gesetzentwurf vor.

Anzeige

Am 24. Februar 2011 hat der Bundestag in zweiter und dritter Lesung das "Zweite Gesetz zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder" in der vom Rechtsausschuss vorgeschlagenen Fassung beschlossen. Damit soll die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte am 28. Mai 2009 festgestellte Ungleichbehandlung nichtehelicher Kinder - soweit wie möglich - beseitigt werden. Zu seiner Wirksamkeit bedarf das Gesetz noch der Zustimmung des Bundesrats, über den dieser in seiner Sitzung am 18. März 2011 beraten wird.

Nichteheliche Kinder, die vor dem 1. Juli 1949 geboren worden sind, stehen mit Rückwirkung zum 29. Mai 2009 (dem Tag nach Verkündung der Entscheidung des EGMR) aus erbrechtlicher Sicht ehelichen Kindern gleich: In Erbfällen ab diesem Zeitpunkt sind sie sowohl gesetzliche Erben als auch Pflichtteilsberechtigte nach dem verstorbenen Vater.

Eine letztwillige Verfügung kann aufgrund der rückwirkenden Anerkennung als Pflichtteilsberechtigter allerdings nicht angefochten werden. § 2079 BGB, der einem dem Erblasser unbekannten Pflichtteilsberechtigten ein solches Anfechtungsrecht einräumt, gilt insoweit nicht (Art. 12 § 10 Abs. 3 NEhelG).

Gleichstellung für Erbfälle ab dem 29. Mai 2009

Aus Gründen der Rechtssicherheit haben sich Bundesregierung und Bundestag gegen eine Rückwirkung über den 29. Mai 2009 hinaus ausgesprochen, da sonst das schützenswerte und vom Bundesverfassungsgericht mehrfach anerkannte Vertrauen der Erben in die bislang bestehende Rechtslage verletzt würde. Eine Ausnahme sieht das Gesetz nur für die Fälle vor, in denen der Fiskus gesetzlicher Erbe geworden ist. Er hat auf Verlangen das nichteheliche Kind in Höhe des Werts der entgangenen erbrechtlichen Ansprüche zu entschädigen (Art. 12 § 10 Abs. 2 NEhelG).

Nicht beschlossen wurde hingegen der weitergehende, von der Bundesregierung vorgeschlagene Ausschluss des Nichtehelichenerbrechts bei Vorversterben aller Beteiligten. Auch wenn nichteheliches Kind, Vater und Mutter bereits vor dem 29. Mai 2009 verstorben waren, können also zwischen den Verwandten des verstorbenen nichtehelichen Kindes und den Verwandten des verstorbenen Vaters erbrechtliche Ansprüche ohne Zugrundeliegen eines Verwandtschaftsverhältnisses bestehen. Die Abkömmlinge des nichtehelichen Kindes können also zum Beispiel gesetzliche Erben einer kinderlosen und unverheirateten Schwester des nichtehelichen Vaters sein, obwohl sie mit dieser rechtlich nicht verwandt sind.

Für den Zeitraum zwischen dem 29. Mai 2009 und der Verkündung des Gesetzes sind verfahrensrechtliche Übergangsvorschriften vorgesehen (Art. 12 § 24 NEhelG): Ein aufgrund der Gesetzesänderung unrichtig gewordener Erbschein wird nicht von Amts wegen, sondern nur auf Antrag, dafür aber kostenfrei, eingezogen beziehungsweise für kraftlos erklärt. Für erbrechtliche Rechtsstreitigkeiten wird die Rechtskraft eines Urteils zugunsten des nichtehelichen Kindes durchbrochen, so dass dieses in einem neuen Rechtsstreit die geänderte Rechtslage einwenden kann.

Gesetz als Überraschungsei: Änderungen zum P-Konto

Das Gesetz enthält neben den erbrechtlichen Vorschriften überraschenderweise auch Änderungen der ZPO und der AO, die nichts zu tun haben mit der Gleichstellung nichtehelicher Kinder.

Die Regelung begegnet vielmehr praktischen Schwierigkeiten mit dem Pfändungsschutzkonto (P-Konto). Pfändungsfreie Geldbeträge, die bereits im Vormonat dem P-Konto des Schuldners gutgeschrieben wurden, wurden an Gläubiger ausbezahlt, sodass dem Schuldner diese Gelder im Folgemonat nicht zur Verfügung standen. Um ihn vor einer unrichtigen Auszahlung zu schützen  ist vorgesehen, dass die Kreditinstitute erst nach Ablauf des darauf folgenden Monats die den Pfändungsfreibetrag übersteigenden Geldbeträge an den Pfändungsgläubiger leisten dürfen (§ 835 Abs. 4 ZPO).

Um sich nicht dem Vorwurf der Irreführung auszusetzen, hat der Rechtsausschuss das Gesetz konsequenterweise umbenannt in "Zweites Gesetz zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder, zur Änderung der Zivilprozessordnung und der Abgabenordnung".

Der Autor Dr. Jörn Heinemann ist Notar in Neumarkt i.d.OPf.

 

Mehr auf LTO.de:

Lebenspartner im Steuerrecht: Der lange Weg zur Gleichberechtigung

Testierfreiheit und Sozialhilfe: Von guten Sitten und fragwürdigen Absichten

Internationales Erbrecht: Erben leicht gemacht?

  • Drucken
  • Senden
  • Zitieren
Zitiervorschlag

Jörn Heinemann, Erbrechtliche Gleichstellung: . In: Legal Tribune Online, 08.03.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/2711 (abgerufen am: 15.11.2025 )

Infos zum Zitiervorschlag
  • Mehr zum Thema
    • Erbrecht
    • Erben
    • Kinder (nichteheliche)
    • Pfändungsschutz
Mietwohnungen 29.10.2025
Mietvertrag

JuMiko-Vorschlag zu Wohnungsleerstand nach Tod des Mieters:

Ver­mieter sollen nicht mehr auf die Erben warten müssen

Versterben alleinlebende Menschen, bleibt ihre Mietwohnung oft lange ungenutzt. Erben müssen erst aufwendig ermittelt werden. Auf der JuMiKo sollen Änderungen im BGB angestoßen werden, damit der Wohnraum wieder schneller verfügbar wird.

Artikel lesen
Ein schick eingedeckter Tisch in der Dunkelheit, nur eine kleine Lichtquelle brennt 18.09.2025
Testamente

AG und OLG halten Testament für unwirksam:

Ein zwei­fel­haftes Aben­d­essen

Eine Ex-Lebensgefährtin behauptet, der verstorbene Partner habe sie zur Alleinerbin gemacht – angeblich wie beiläufig in 30 Minuten während des Abendessens. Das und der Inhalt des Papiers haben die Gerichte aber mehr als stutzig gemacht.

Artikel lesen
Eingangsschild am BGH 01.08.2025
Grundbesitz

BGH entscheidet zugunsten ungezeugter Kinder:

Unge­zeugt im Grund­buch

Noch nicht auf der Welt, dafür aber schon ein Recht an einem Grundstück: Eine noch nicht gezeugte Person kann Inhaberin eines Grundpfandrechts sein und ein solches auch erwerben, entschied der BGH. Damit ist ein Meinungsstreit geklärt.
 

Artikel lesen
Arzt und Patient im Gespräch (Symbolbild) 02.07.2025
Erbschaft

BGH stärkt die Testierfreiheit:

Patient durfte seinen Haus­arzt als Erben ein­setzen

Als Gegenleistung für ärztliche Behandlungen und Hausbesuche hat ein Patient seinem Arzt ein Grundstück vermacht. Die Fachgerichte hielten das wegen des Berufsrechts für unwirksam. Anders sieht es der BGH: Die Testierfreiheit gehe vor.

Artikel lesen
Im Inneren der Veltins-Brauerei 05.06.2025
Bier

LG Arnsberg klärt Erbschaftsstreit in Brauerei-Familie:

Der Vel­tins-Sohn geht leer aus

In ihrem Testament schloss sie den Sohn aus: Das Millionenerbe der langjährigen Brauerei-Chefin Rosemarie Veltins ging an allein dessen Schwestern. Zu Recht, entschied nun ein Gericht. Auch den Pflichtteil bekommt Clemens Veltins nicht.

Artikel lesen
Beerdigung 31.03.2025
Erbschaft

Erbe muss Bestattungskosten nicht zahlen:

Erb­schaft kann wegen Ver­schul­dung ange­fochten werden

Bestattungskosten stellen für viele Hinterbliebene eine Belastung dar – mit ihrer Klage gegen den als Erben eingesetzten Sohn scheiterte eine Witwe nun aber.

Artikel lesen
ads lto paragraph
lto karriere logo
ads career people

Wir haben die Top-Jobs für Jurist:innen

Jetzt registrieren
logo lto karriere
TopJOBS
Logo von Oberlandesgericht Celle
Rich­ter/-in (w/m/d) bzw. Staats­an­walt / -an­wäl­tin (w/m/d) im Be­zirk des...

Oberlandesgericht Celle

Logo von FPS Rechtsanwaltsgesellschaft mbH & Co. KG
Stu­den­ti­sche Aus­hil­fe (m/w/d)

FPS Rechtsanwaltsgesellschaft mbH & Co. KG , Ham­burg

Logo von Oberlandesgericht Celle
Rich­ter/-in (w/m/d) bzw. Staats­an­walt / -an­wäl­tin (w/m/d) im Be­zirk des...

Oberlandesgericht Celle , Bü­cke­burg

Logo von FPS Rechtsanwaltsgesellschaft mbH & Co. KG
Rechts­an­walt (m/w/d) Er­b­recht und Nach­lass­ver­wal­tung

FPS Rechtsanwaltsgesellschaft mbH & Co. KG , Ber­lin

Logo von Clifford Chance Partnerschaft mbB
BACKS­TA­GE - Das Pro­gramm für Prak­ti­kant*In­nen am Stand­ort Düs­sel­dorf...

Clifford Chance Partnerschaft mbB , Düs­sel­dorf

Logo von Personalamt der Freien und Hansestadt Hamburg
Voll­ju­rist:in­nen (m/w/d) - Trainee­pro­gramm für an­ge­hen­de...

Personalamt der Freien und Hansestadt Hamburg , Ham­burg

Logo von Hessisches Ministerium der Justiz und für den Rechtsstaat
Voll­ju­ris­ten (m/w/d) – Ih­re Zu­kunft in der hes­si­schen Jus­tiz

Hessisches Ministerium der Justiz und für den Rechtsstaat , Wies­ba­den

Logo von Oberlandesgericht Celle
Rich­ter/-in (w/m/d) bzw. Staats­an­walt / -an­wäl­tin (w/m/d) im Be­zirk des...

Oberlandesgericht Celle , Ver­den (Al­ler)

Mehr Stellenanzeigen
logo lto events
Logo von Osborne Clarke GmbH & Co. KG
Sundowner @ Osborne Clarke - Köln - Die Winteredition

25.11.2025, Köln

15. Europas größte IP-Konferenz und Fachmesse

24.11.2025, München

NomosWebinar: Praktisch cybersicher – NIS-2 im Unternehmen

01.12.2025

4. Digital Justice Summit

24.11.2025, Berlin

Online-Seminar! § 15 FAO - Fahrzeugrennen und der technische Nachweis dieser sowie die juristischen

24.11.2025

Mehr Events
Copyright © Wolters Kluwer Deutschland GmbH