Der Ölkonzern Aral will ein neues preisabhängiges Vergütungssystem an Tankstellen testen. Medien fürchten dauerhaft höhere Spritpreise und titelten, dass damit der E10-Absatz gefördert werden soll - angeblich aus Angst, dass die vorgegebenen Verkaufsquoten nicht erfüllt werden. Eine völlig falsche Schlussfolgerung und reiner Populismus, meint Michael Steinhauer.
Am vergangenen Montag ging die Meldung durch die Presse, dass Aral eine dauerhafte Erhöhung der Kraftstoffpreise an ihren Tankstellen plane. Doch während manche Zeitungen meldeten, dass der schleppende E10-Verkauf durch eine Erhöhung des Alternativspritpreises gefördert werden soll, war tatsächlicher Hintergrund die Bekanntgabe, dass Aral ein neues Vergütungssystem für ihre Tankstellenverwalter einführen möchte – Missverständnis Nummer 1.
Dem Irrtum Nummer 2 erlagen nichtsdestotrotz zahlreiche Medien: Das neue System von Aral, so das öffentliche Urteil, würde zu gesteigerten Kraftstoffpreisen führen, da die Tankstellenverwalter eine höhere Vergütung dafür erhalten sollen, dass sie die Kraftstoffpreise an der von ihnen jeweils betriebenen Tankstellen länger hoch halten.
Doch weder erhöht das Testprojekt von Aral im Wege eines neuen Vergütungssystems dauerhaft und allgemein die Benzinpreise, noch steht das Vergütungssystem in einem Zusammenhang mit einer eventuellen Anhebung der E5-Preise zum Ausgleich erwarteter Strafzahlungen aufgrund des mangelnden Absatzes von Biosprit. Diese Einschätzung leuchtet ein, wenn man das Vertriebssystem an Tankstellen versteht, das maßgeblich durch kartellrechtlich zwingende Regelungen beeinflusst wird.
Der Konzern bestimmt die Preise, die Pächter beobachten die Konkurrenz
Grundsätzlich steht es jedem Unternehmen frei, den Kaufpreis der von ihm angebotenen Waren selbst zu bestimmen. Verkauft das Unternehmen jedoch seine Waren nicht selbst, sondern durch Vertriebspartner, setzt das Kartellrecht der Kaufpreisbestimmung enge Grenzen. Gemäß § 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) ist es einem Unternehmen untersagt, seinem Vertriebspartner diejenigen Preise vorzugeben, zu denen dieser die Waren seinen Kunden verkauft. Dieses so genannte Verbot der Preisbindung zweiter Hand gilt jedoch wiederum in den Fällen nicht, in denen ein Vertriebspartner als Handelsvertreter oder Kommissionär des Unternehmens tätig wird.
Der Vertrieb von Kraftstoffen in Deutschland wird seit jeher dadurch bestimmt, dass die Mineralölkonzerne die Kraftstoffpreise selbst festlegen. Es überrascht daher wenig, dass an Tankstellen, sofern diese nicht durch die Mineralölkonzerne selbst betrieben werden, Verwalter als Handelsvertreter oder Kommissionäre tätig werden. Auf diese Weise können die Mineralölkonzerne ihre Preisvorgaben in kartellrechtlich zulässiger Weise umsetzen.
Um hierbei die Kraftstoffpreise auf einem wettbewerbsfähigen Niveau zu halten, wird den Tankstellenverwaltern die Verpflichtung auferlegt, die Kraftstoffpreise der umliegenden Wettbewerbstankstellen regelmäßig zu kontrollieren und zu melden. Auf diese Weise stellen die Mineralölkonzerne sicher, dass sie auf etwaige Preiserhöhungen oder –senkungen schnell reagieren können.
Das Bundeskartellamt hat in den vergangenen drei Jahren im Rahmen einer Sektoruntersuchung den Wettbewerb auf dem deutschen Tankstellenmarkt untersucht. Dabei hat es kartellrechtswidrige Preisabsprachen zwischen Mineralölkonzernen nicht feststellen können. Solche Preisabsprachen, so die Kartellwächter, seien auch nicht notwendig, da die Mineralölkonzerne über eine gut organisierte interne Struktur der Preisinformation verfügen.
Änderung nur der Vergütungs-, nicht der Vertriebsstruktur
Wenn nun gemeldet wird, dass Aral eine Änderung seines Vergütungssystems an Tankstellen plant, dürfte damit keine Abkehr von der seit Jahrzehnten im Kraftstoffsektor vorherrschenden Vertriebsstruktur verbunden sein. Wie andere Mineralölkonzerne auch will Aral Gewinne erwirtschaften. Dabei ist es betriebswirtschaftlich kein Geheimnis, dass sich Gewinne nur dann optimal erzielen lassen, wenn Verkaufspreise an die Nachfrage ideal ausgerichtet werden.
Eine solche Anpassung ist jedoch für die Tankstellenpächter nicht möglich, da sie weder über das hierfür notwendige Know-How noch über ein ähnliches Preisinformationssystem wie Aral verfügen. Aus diesem Grund ist es schlichtweg undenkbar, dass Aral das Recht zur Preisvorgabe aufgeben und die Bestimmung der Kraftstoffpreise den Tankstellenverwaltern überlassen wird.
Vielmehr dürfte ein so geändertes Vergütungssystem im Wesentlichen darauf abzielen, einen Gleichlauf zwischen den Interessen des Pächters und Aral herzustellen. Derzeit erfolgt die Vergütung der Vertriebspartner überwiegend durch preisunabhängige, das heißt an den tatsächlichen Absatz von Kraftstoffen anknüpfende Provisionen. Nachteil dieser Regelung ist jedoch, dass das Interesse des Tankstellenverwalters entgegengesetzt zu den Interessen des jeweiligen Mineralölkonzerns verläuft. Während der Tankstellenverwalter aufgrund des Vergütungssystems an niedrigen Kraftstoffpreisen interessiert ist, um höhere Absatzzahlen und damit höhere Provisionen zu erreichen, streben Mineralölkonzerne möglichst hohe Verkaufspreise an, um ihre Gewinnmarge zu erhöhen.
Angst vor erhöhten Benzinpreisen nur Ergebnis falscher Verknüpfungen
Man kann daher vermuten, dass Aral die Kraftstoffverkäufe an Tankstellen nicht mehr ausschließlich absatzabhängig, sondern (zumindest auch) umsatzabhängig verprovisionieren wird, um durch eine zwischen Aral und ihren Tankstellenverwaltern geschaffene übereinstimmende Interessenlage einen insgesamt effizienteren Vertrieb von Kraftstoffen zu erreichen.
Eine spürbare Auswirkung auf die Kraftstoffpreise wird eine geänderte Vergütungsstruktur jedoch nicht haben, denn die an einen Tankstellenverwalter zu zahlenden Provisionen machen in der Regel weniger als ein Prozent des Kraftstoffpreises aus. Sofern Aral meint, der Konzern würde keine Gewinneinbußen erleiden, wenn er die Kraftstoffpreise erhöht, stellt sich doch die Frage, warum man dies nicht bereits getan hat. Eine Erhöhung der Kraftstoffpreise ist dem Konzern unbenommen, er braucht dafür keinen komplizierten Umweg über die Änderung des Vergütungssystems.
Die konstruierte Verbindung zwischen Änderung des Vergütungssystems und Erhöhung der Kraftstoffpreise stellt sich daher bei genauerer Betrachtung ebenso als ein Missverständnis heraus wie die Behauptung, dass dies im Zusammenhang mit etwaigen Preiserhöhungen aufgrund der E10-Pleite stünde.
Der Autor Dr. Michael Steinhauer, LL.M. ist Rechtsanwalt im Düsseldorfer Büro von Kapellmann und Partner und berät seit mehreren Jahren Mineralölunternehmen schwerpunktmäßig im Bereich des Mineralölvertriebs und Tankstellenrechts.
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Diskussion über Kraftstoffpreise: . In: Legal Tribune Online, 31.08.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4166 (abgerufen am: 04.12.2024 )
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