Die Drittligisten VfR Aalen und FSV Frankfurt wehren sich gegen den Abzug von jeweils neun Tabellenpunkten. Das DFB-Schiedsgericht und die Rolle der ordentlichen Gerichtsbarkeit in solchen Verfahren erläutert Sven Kaltenbach.
Wie der Deutsche Fußball-Bund (DFB) am Donnerstag mitteilte, hat der DFB-Spielausschuss den Widerspruch des FSV Frankfurt e. V gegen den zuvor ausgesprochenen Abzug von neun Tabellenpunkten zurückgewiesen. Grund für die Sanktion ist der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, den der Verein für seine Fußball-GmbH stellte.
In einem ähnlichen, ebenfalls aktuellen Fall soll auch der Drittligist VfR Aalen e.V. nach der Entscheidung des Spielausschusses neun Tabellenpunkte verlieren. Mit ihren Beschwerden vor dem DFB-Präsidium und sodann vor dem Bundesgericht des DFB blieben die Aalener allerdings erfolglos.
Das Bundesgericht des DFB entschied, dass der Abzug von neun Punkten gemäß § 6 Ziff. 6 der DFB-Spielordnung wegen des vom Verein gestellten Insolvenzantrags gerechtfertigt und dessen zwingende Folge sei. Der Verein kündigte am Donnerstag auf seiner Homepage an, nunmehr vor das Ständige Schiedsgericht für Vereine und Kapitalgesellschaften der Lizenzligen zu ziehen.
Was macht das Ständige Schiedsgericht?
Auch wenn die Sanktion des DFB eine scheinbar sportliche ist, handelt es sich doch um Rechtsanwendung. Denn die betroffenen Vereine müssen aufgrund ihrer Mitgliedschaft im DFB und der Lizenzordnung des DFB einen Punktabzug nur hinnehmen, sofern dies vom Satzungsrecht gedeckt ist. Die jeweiligen Vereine haben, sofern sie die sportlichen Bedingungen und die Nachweise für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit erbringen, einen schuldrechtlichen Anspruch auf eine Teilnahme an den jeweiligen Wettbewerben gegen den DFB und gegebenenfalls die Deutsche Fußball Liga (DFL).
Nach § 1 I. des Anhangs II zum Ligastatut der Dritten Liga ist das Schiedsgericht auch für Entscheidung über Vereinssanktionen zuständig. Seine Anrufung ist nur zulässig, wenn eine endgültige Entscheidung des Verbands vorliegt (§ 2 I. des Anhangs II zu vorgenanntem Ligastatut). In diesem Zusammenhang verwundert, dass der VfR Aalen überhaupt drei verbandsinterne Instanzen durchschritten hat, denn bereits in § 6 Nr. 6 der Spielordnung findet sich der Satz: "Die Entscheidung trifft der DFB-Spielausschuss für die 3. Liga […] Sie ist endgültig." Aufgrund dieser Regelung hätte das Schiedsgericht vermutlich unmittelbar angerufen werden können.
Das Schiedsgericht hat bei Entscheidungen über Vereinssanktionen die Ermessensausübung des Verbandes nach § 315 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu überprüfen (vgl. etwa § 1 III. des Anhangs II zum Ligastatut). Der DFB-Spielausschuss "kann" von dem in § 6 Nr. 6 der Spielordnung vorgesehenen Punktabzug absehen, "wenn gegen den Hauptsponsor oder einen anderen vergleichbaren Finanzgeber des Vereins zuvor ein Insolvenzverfahren eröffnet oder die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt wurde." Dieses dem Spielausschuss bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen eingeräumte Ermessen kann das Schiedsgericht folglich kontrollieren.
Jede Menge BGB im Sport
Gegen das zugrundeliegende Satzungsrecht dürfte das Schiedsgericht keine rechtlichen Einwände haben. Zwar ist die Satzung des DFB am Maßstab von Treu und Glauben zu messen, jedenfalls wenn der Verband - wie das der Fall sein dürfte - eine überragende Machtstellung inne hat (BGH, Urt. v. 24.10.1988, Az. II ZR 311/87). Da die in Frage stehenden Klauseln keine mitgliedschaftlichen Rechte betreffen, kommt zudem eine AGB-Kontrolle zur Anwendung (zuletzt BGH, Urt. v. 13.02.2013, Az. IV 17/12).
Es bestehen aber keine Zweifel an der zu fordernden Bestimmtheit oder Angemessenheit dieser Klausel (§ 307 BGB). Im Regelfall ist eine sportliche Sanktion notwendig, um sicherzustellen, dass Teilnehmer nicht den sportlichen Wettbewerb dadurch verzerren, dass sie über ihren finanziellen Möglichkeiten wirtschaften. Es besteht zudem in den in der Satzung genannten Ausnahmefällen die Möglichkeit, von einem Punktabzug abzusehen Also insbesondere bei der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gegen den Hauptsponsor oder eines vergleichbaren Finanzgebers der Vereine, was derzeit von keinem der Betroffenen öffentlich geltend gemacht wird.
2/2: Sofortiger Punktabzug trotz anhängigen Verfahrens
Auch die von der Spielordnung vorgesehen sofortige Wirksamkeit des Punktabzugs begegnet keinen Bedenken. Aufgrund dieser Regelung werden die Punkte in der Tabelle sofort abgezogen, auch wenn noch ein Rechtsmittel anhängig ist. Dies ist erforderlich, um die weitere ordnungsgemäße Durchführung des sportlichen Wettkampfs zu gewährleisten. Ohne sofortige Wirksamkeit wäre etwa die zukünftige Zusammensetzung der einzelnen Ligen aufgrund der Schwebezustände unklar, sodass die Durchführung des gesamten Spielbetriebs gefährdet wäre. Das Schiedsgericht kann durch einstweilige Anordnungen (vgl. § 7 I. der Anlage 2 zum Ligastatut) diese sofortige Wirkung aufheben, wovon es aufgrund der daraus resultierenden Folgeprobleme nur in Ausnahmefällen Gebrauch machen dürfte.
Mit dem Schiedsspruch wäre der Rechtsweg nach dem Schiedsgerichtsvertrag ausgeschöpft, da die Entscheidung "endgültig" ist und "unter den Parteien die Wirkung eines rechtskräftigen gerichtlichen Urteils" hat (vgl. § 8 IV. Anhang 2 zum Ligastatut sowie § 1055 Zivilprozessordnung (ZPO)).
Eine weitere sportgerichtliche Instanz steht den Vereinen nicht offen, da etwa der internationale Sportgerichtshof bereits mangels grenzüberschreitenden Sachverhalts nicht zuständig ist. Angesichts der Tatsache, dass derartige schiedsrichterliche Entscheidungen immense sportliche und wirtschaftliche Folgen haben können – etwa in Form eines Auf- oder Abstiegs oder der Berechtigung zur Teilnahme an weiteren, gewinnbringenden Wettbewerben –, dürfte der Anreiz für die jeweils betroffenen Vereine im Falle ablehnender Entscheidungen groß sein, trotz des getroffenen Schiedsvertrags die ordentlichen Gerichte anzurufen.
Steht der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten offen?
Den Parteien der Schiedsgerichtsvereinbarung steht der Weg zu den ordentlichen Gerichten dem Grunde nach offen. Zuständig ist nach § 11 Anhang 2 zum Ligastatut i. V. m. § 1062 Abs. 1 S. 1 ZPO das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt.
Das OLG überprüft die schiedsrichterliche Entscheidung jedoch nur mit eingeschränkten Maßstab (vgl. hierzu § 1059 Abs. 2 ZPO). Soweit keine schwerwiegenden Verfahrensfehler vorliegen, kommt es nur auf das Ergebnis des Schiedsspruchs an, nicht aber auf die vorangegangene Normauslegung durch das Schiedsgericht. Eine Aufhebung des Schiedsspruchs kommt somit nur in Betracht, wenn dieser "eine Norm verletzt, die die Grundlagen des staatlichen oder wirtschaftlichen Lebens regelt, oder wenn er zu deutschen Gerechtigkeitsvorstellungen in einem untragbaren Widerspruch steht" (BGH. Beschl. v. 30.10.2008, Az. III ZB 17/08). Schiedsgerichts-Entscheidungen stehen damit unter dem sogenannten Ordre-public-Vorbehalt.
Im Falle einer Anrufung des OLG dürfte es für die beiden Drittligisten - ein korrektes Verfahren unterstellt - bei den jeweiligen Entscheidungen des Schiedsgerichtes bleiben, da durchgreifende Bedenken gegen die dargestellten Regeln des Verbands nicht bestehen und das Ergebnis des Schiedsspruchs – Punktabzug oder nicht - kaum gegen den Vorbehalt des Ordre public verstoßen dürfte.
Der Autor Dr. Sven Kaltenbach ist Richter am Landgericht Ulm.
Dr. Sven Kaltenbach, DFB-Vereinssanktionen und die Justizgerichtsbarkeit: Punktabzug vor dem OLG? . In: Legal Tribune Online, 06.05.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22841/ (abgerufen am: 22.04.2024 )
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