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Vor den Beratungen im Bundesrat: Bayern plant Cannabis-SEK

von Hasso Suliak

28.09.2023

Maskierter Polizist einer SEK-Einheit der Polizei (Symbolbild)

Mehr als drei erlaubte Cannabis-Pflanzen auf dem Balkon? In Bayern könnte bald eine Zentraleinheit über die Einhaltung des Cannabisgesetzes wachen. Foto: picture alliance / CHROMORANGE | Michael Bihlmayer

Bevor sich die Länder am Freitag mit dem Cannabisgesetz befassen, hat Bayern eine zentrale Kontrolleinheit angekündigt, falls das Gesetz in Kraft treten sollte. Vorzugsweise solle das Vorhaben aber im Bundesrat gestoppt werden.

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Flankierend zum Münchner Oktoberfest, auf dem gerade Hunderttausende aller Altersklassen legal und teilweise in großen Mengen die gefährliche Droge Alkohol konsumieren*, sorgt sich Bayern um die gesundheitlichen Auswirkungen der geplanten Cannabis-Teillegalisierung.  

Mit Blick auf die am Freitag stattfindende Bundesratssitzung, in der die Länder zum Ampel-Entwurf des Cannabisgesetzes (CannG) Stellung beziehen wollen, verwies Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) am Donnerstag in einer Erklärung auf erhebliche gesundheitlichen Gefahren vor allem für Jugendliche: "Gerade für junge Menschen sind die gesundheitlichen Gefahren besonders hoch, da ein erhöhtes Risiko für psychische Erkrankungen – wie Abhängigkeit, Depressionen und Psychosen – besteht und die Gehirnentwicklung bis weit in die dritte Lebensdekade noch nicht abgeschlossen ist."

Holetschek warnte, dass Cannabis-Konsum unter anderem zu Einbußen in Lern- und Gedächtnisleistungen sowie Aufmerksamkeit, Denkleistung und Intelligenz führen könne. "Zudem kann es körperliche Erkrankungen wie Hodenkrebs und Atemwegserkrankungen begünstigen. Die Bundesregierung verharmlost gegen alle Vernunft eine gefährliche Droge als Genussmittel", so der Minister. 

Zuschnitt der "Kontrolleinheit" noch unklar

Für den Fall, dass das Gesetz der Ampel in Kraft treten sollte, kündigte Holetschek eine Art bayerisches Cannabis-Spezialeinsatzkommando (SEK) an, dass akribisch auf die Einhaltung der im Cannabisgesetz geforderten Vorgaben für Anbauvereinigungen und möglicherweise auch für Konsument:innen achten soll: "Bayern wird eine zentrale Kontrolleinheit einrichten, falls der Konsum von Cannabis zu Genusszwecken trotz unseres Widerstands tatsächlich erlaubt wird. Diese Kontrolleinheit soll durch einen strengen Vollzug des Cannabis-Gesetzes der Bundesregierung durch den Freistaat den Konsum dieser gefährlichen Droge eindämmen und so weit wie möglich verhindern."

Wie man sich das konkret vorstellen soll, ist noch unklar. Laufen vielleicht demnächst bewaffnete Sondereinheiten durch die bayerischen Städte und kontrollieren die Einhaltung der Cannabisregeln? Auf Anfrage der dpa erläuterte Holetschek lediglich, dass die Einheit für die Erteilung von Erlaubnissen für Anbauvereinigungen sowie für deren Überwachung zuständig sein solle. "Weitere Details sind in Abstimmung", so der CSU-Politiker. 

"Verstoß gegen Europa- und Völkerrecht" 

Darüber hinaus kündigte der Minister in einer Presseerklärung massiven juristischen Widerstand gegen das Gesetz an: "Wir werden alle rechtlich infrage kommenden juristischen Schritte ergreifen, um gegen das Gesetz vorzugehen, sollte es in Kraft treten." Das Vorhaben der Berliner Ampel bedrohe nicht nur die Gesundheit insbesondere junger Menschen, es verstoße zudem gegen Europarecht und gegen das Völkerrecht, so Holetschek. 

Im letzten Punkt widersprechen Bayerns Einschätzung indes Jurist:innen und die Bundesregierung vehement.  

So wird in der Begründung des CanG ausführlich erläutert, warum das "Säule-1-Gesetz" – nur damit befasst sich aktuell der Bundesrat – mit EU-Recht vereinbar sei, etwa mit Artikel 2 Absatz 1 des Rahmenbeschlusses 2004/757/JI des Rates vom 25.10.2004 ("Rahmenbeschluss 2004") oder auch dem Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 zum schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen. Letzteres betreffe von seiner Zielrichtung her ausschließlich Fragen des grenzüberschreitenden Drogenhandels bzw. des grenzüberschreitenden Inverkehrbringens von Drogen. "Handlungen, die allein auf den Eigenanbau zum ausschließlichen persönlichen Konsum abzielen, sind von seinem Anwendungsbereich nicht erfasst", so die Bundesregierung. 

Plenarantrag zum Stopp der Legalisierung

Anstatt gegen ein in Kraft getretenes CannG im Nachhinein juristisch vorgehen zu müssen, wäre es Bayern allerdings viel lieber, der Bundesrat könnte das Vorhaben noch stoppen. Nach aktueller Konzeption ist das Gesetz allerdings als zustimmungsfreies Gesetz ausgestaltet. Das heißt: Die Länder könnten es maximal per Einspruch bremsen aber nicht komplett aufhalten. 

Gleichwohl kündigte Holetschek auch an, dass Bayern am Freitag im Bundesrat die Ablehnung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung beantragen werde. "Wir werden im Bundesrat einen Plenarantrag stellen, mit dem der Gesetzentwurf vollständig abgelehnt wird. Bayern setzt damit ein deutliches Zeichen, dass dieses unverantwortliche Gesetz gestoppt werden muss. Die anderen Länder sollten alle Koalitions-Zwänge hinter sich lassen und für den Gesundheits- und Jugendschutz stimmen – und gegen die Verharmlosung von Cannabis", so Holetschek. 

Dass der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum CannG am Freitag die Mehrheit der Länder dafür gewinnen wird, der Bundesregierung den Stopp des Vorhabens zu empfehlen, ist jedoch eher unrealistisch. Im Rechtsausschuss verfehlte der Antrag Bayerns – wenn auch nur knapp mit 7:9 Stimmen – die Mehrheit. Dabei schlossen sich auch die Justizressorts von Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Hessen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein Bayerns fundamentaler Gegnerschaft an. 

Zustimmungsfrei oder zustimmungspflichtig?

Interessant könnte am Freitag werden, ob die Länderkammer in ihren Beratungen zu der Auffassung gelangt, dass das CannG – anders als von der Ampel geplant- der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Hier war das rot-grün regierte Land Hamburg bzw. deren Innensenator Andy Grote (SPD) initiativ geworden. Der Innenausschuss des Bundesrates hatte auf Grotes Antrag hin Folgendes entschieden: "Der Bundesrat erachtet das Gesetz für zustimmungsbedürftig. Er bittet im weiteren Gesetzgebungsverfahren um entsprechende Überprüfung." 

Der Rechtsauffassung des Innenausschusses hatten von LTO befragte Juristen widersprochen: Im Rahmen des CannG würden war eine Reihe von Einzelgesetzen geändert, ein offensichtlicher Fall einer zustimmungspflichtigen Materie sei aber nicht dabei: "Weil weder eine Verfassungsänderung notwendig ist noch im aktuellen Entwurf des CannG Vorschriften zu Steuern vorgesehen sind, dürfte eine Zustimmungsbedürftigkeit nach Art. 79 Abs. 2 GG oder Art. 105 Abs. 3 GG ausgeschlossen sein", sagte etwa der renommierte Cannabis-Rechtsexperte Peter Homberg. 

Auch wenn die Annahme des Grote-Antrages am Freitag durch den Bundesrat noch offen ist, dürften am Freitag zahlreiche Anträge, die eine Verschärfung des CannG zum Inhalt haben, in der Länderkammer eine Mehrheit finden. Zum Beispiel der Antrag, die aktuell noch im Gesetz vorgesehene Altersgrenze von 18 Jahren für die Freigabe von Cannabis auf 21 Jahre anzuheben. 

Präventionskampagne geplant

Die Bundesregierung hat jedenfalls für den Fall, dass das Gesetz im Bundestag beschlossen werden sollte, umfangreiche Maßnahmen zur Suchtprävention für Kinder und Jugendliche als auch für Erwachsene vorgesehen: Bundesweit soll z.B. eine einheitliche Plattform errichtet werden, die Informationen zu dem Gesetz und vorhandene Angebote für Prävention, Beratung, Behandlung sowie zu Wirkung, Risiken und "safer-use"-Hinweise bündeln soll.  

Gleichzeitig werde die cannabisbezogene Aufklärungs- und Präventionsarbeit bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) weiterentwickelt, heißt es auf der Seite des Bundesgesundheitsministeriums. Für konsumierende Jugendliche sollen zudem niedrigschwellige Frühinterventionsangebote zur Konsumreflektion ausgebaut werden. 

Bayern Gesundheitsminister überzeugt das alles jedoch nicht: "Sollte das Cannabis-Gesetz kommen, müssen wir der leichteren Verfügbarkeit und der damit einhergehenden Verharmlosung etwas entgegensetzen. Deswegen wird Bayern die Prävention weiter ausbauen. Bayern investiert allein in diesem Jahr mehr als acht Millionen Euro in Suchtpräventions- und Suchthilfeangebote, während die Bundesregierung die Ausgaben für Aufklärungsmaßnahmen auf dem Gebiet des Drogen- und Substanzmittelmissbrauchs um 4 Millionen Euro auf 9,2 Millionen Euro kürzt. Das ist das völlig falsche Signal." 

Wenn der Bundesrat in der Sitzung am Freitag seine Stellungnahme beschlossen hat, ist wieder die Bundesregierung am Zug. Ihr Beschluss einer Gegenäußerung zur Position der Länder wird in der Kabinettsitzung am 4. Oktober erwartet. Am 12. Oktober dürfte das CannG dann im Bundestag erstmals beraten werden. Mit welchem Inhalt es dann möglicherweise 2024 in Kraft treten könnte, steht in den Sternen.

*Präzisierung durch Redaktion am Tag des Erscheinens, 15.41 Uhr: Allein in den ersten acht Tagen besuchten rund 3,4 Millionen Menschen laut Münchner Stadtportal das Oktoberfest. Der Bierkonsum stieg im Vergleich zum Vorjahr um sechs Prozent.  

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Vor den Beratungen im Bundesrat: . In: Legal Tribune Online, 28.09.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52807 (abgerufen am: 16.05.2025 )

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