Die Legalisierung des Cannabiskonsums nimmt eine große Hürde: Die Regierung legt sich auf einen Gesetzentwurf fest, nun ist der Bundestag am Zug. Wer gern mit Freunden kifft, wird sich an einer Neuregelung stören.
Am Mittwoch hat die Bundesregierung einen gemeinsamen Entwurf eines Gesetzes zum kontrollierten Umgang mit Cannabis vorgelegt. Damit geht ein Gesetzesvorschlag von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) nun als Regierungsentwurf (RegE) in den Bundestag zur Beratung und Abstimmung. Diese "erste Säule" der Entkriminalisierung wird sowohl von Gegnern als auch von Befürwortern einer Cannabis-Legalisierung scharf kritisiert: Während Letzteren die Entkriminalisierung nicht weit genug geht, warnen Erstere vor einem "Kontrollverlust".
Die Legalisierungspläne waren schon Teil des Wahlkampfs und wurden im Koalitionsvertrag der Ampel verankert. Sie zielen darauf ab, "die cannabisbezogene Aufklärung und Prävention zu stärken, den illegalen Markt für Cannabis einzudämmen sowie den Kinder- und Jugendschutz zu stärken", wie es in der Begründung des RegE heißt. "Zum Schutz von Konsumentinnen und Konsumenten soll die Qualität von Konsumcannabis kontrolliert und die Weitergabe verunreinigter Substanzen verhindert werden."
Lauterbach: Legalisierung soll Gesundheitsschutz stärken
Das Vorhaben will laut Lauterbach drei Problemen begegnen: einem trotz bestehender Verbote ansteigenden Konsum, einem florierenden Schwarzmarkt und damit einhergehend hoher Drogenkriminalität sowie einem hohen Anteil "unreiner" Drogen, der sich im Umlauf befindet und besonders gesundheitsgefährdend ist. Auf diese Probleme gebe es keine andere Antwort als Legalisierung, so Lauterbach am Mittwoch in der Pressekonferenz zur Vorstellung des RegE.
Nach wochenlangen Ressortabstimmungen hat sich die Ampelkoalition nun also auf einen Gesetzesvorschlag verständigt. Aus 84 Seiten Erstentwurf Ende April wurden 163 Seiten Referententwurf (RefE) Anfang Juli. Im Nachgang dazu gab es weitere Debatten und – unberechtigte – Verwirrung um ein Bundestagsgutachten zur Frage der Vereinbarkeit der Pläne mit Unionsrecht. Aber nun steht er, der 183 Seiten starke RegE.
Im Vergleich zum RefE, über den LTO eingehend berichtet hatte, hat sich in den vergangenen Wochen nur eine wesentliche Änderung ergeben, welche die Weitergabe selbst angebauten Hanfes an Dritte betrifft.
Eigenbesitz und privater Anbau in Grenzen erlaubt
Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, soll der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum künftig erlaubt sein. Hinsichtlich des Eigenanbaus regelt der RegE, dass Erwachsene "an ihrem Wohnsitz oder an ihrem gewöhnlichen Aufenthalt" bis zu drei Pflanzen zum Eigenkonsum züchten dürfen.
Was darüber hinaus geht, bleibt – außerhalb von Anbauvereinen – verboten. In diesen mit staatlicher Konzession betriebenen Anbauvereinen, die häufig als "Social Clubs" bezeichnet werden, dürfen Vereinsmitglieder nur erwerben, nicht aber konsumieren. Die Erlaubnis zum Betrieb des Vereins begrenzt der RegE "auf die voraussichtlichen jährlichen Eigenanbau- und Weitergabemengen an Cannabis […], die für die Deckung des Eigenbedarfs der Mitglieder der Anbauvereinigung für den Eigenkonsum erforderlich sind".
Die Weitergabe ist zudem mengenmäßig begrenzt und nach dem Alter der Mitglieder gestaffelt: 21-Jährige dürfen höchstens 25 Gramm Cannabis pro Tag und höchstens 50 Gramm pro Monat zum Eigenkonsum erhalten. Wer 18 bis 20 Jahre alt ist, erhält maximal 30 Gramm Cannabis pro Monat. Zudem darf das an sie weitergegebene Cannabis einen THC-Gehalt von zehn Prozent nicht überschreiten.
Strenge Jugendschutzvorschriften, aber wer kontrolliert die Einhaltung?
Ein strenges Konsumverbot sieht der RegE für minderjährige Personen vor. Auch ist der Konsum von Cannabis in deren "unmittelbarer Gegenwart" verboten. Wer privaten Eigenanbau betreibt, muss geeignete Maßnahmen und Sicherheitsvorkehrungen treffen, damit das berauschende Hanf vor dem Zugriff durch Kinder, Jugendliche oder Dritte geschützt ist. Hintergrund sei, dass regelmäßiger Cannabis-Konsum bei Heranwachsenden Hirnschäden verursachen könnten, so Lauterbach.
Konkret ist vorgesehen, dass nur außerhalb eines Radius von 200 Metern zum Eingangsbereich von Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen, zu öffentlich zugänglichen Sportstätten sowie Kinderspielplätzen erlaubt ist. Auch rund um die Anbauvereinigungen gilt die 200-Meter-Abstandsegel. In Fußgängerzonen darf zwischen 7 und 20 Uhr nicht gekifft werden. Anbauvereine müssen sicherstellen, dass Jugendliche und Kinder keinen Zutritt erhalten und auch bei Anbau und Lieferung keinen Zugriff auf das Cannabis haben. Entsprechende Maßnahmen müssen sie dokumentieren.
"Es wird jeder begreifen: Cannabiskonsum hat nichts zu suchen bei Kindern und Jugendlichen", verdeutlichte Lauterbach seine mit dem Gesetz verbundene Hoffnung auf der Pressekonferenz am Mittwoch.
Kritiker befürchten allerdings, dass die Einhaltung der Vorschriften zum Schutz der Jugend praktisch nicht kontrolliert werden können. Auch der Deutsche Hanfverband sieht das so, zieht daraus aber den Schluss, das Konsumverbot in Anbauvereinen und die Abstandsregelung zu streichen: "Die Vorstellung, den Konsum von Cannabis auf dem Gelände von Vereinen vollständig zu unterbinden, deren einziger Zweck es ist, ehrenamtlich Cannabis anzubauen und zu verteilen, ist vollkommen unrealistisch und auch unsinnig", heißt es in einer Mitteilung des Verbands zum RefE.
Änderung gegenüber RefE: auch Kiffen mit Freunden verboten
Die Weitergabe selbst angebauten Hanfes soll verboten bleiben. Dies war im RefE vom Juli noch anders geregelt: Demnach war die unentgeltliche Weitergabe an volljährige Personen "im Bereich der Wohnung der anbauenden Person zum unmittelbar auf die Weitergabe folgenden gemeinschaftlichen Konsum" erlaubt. Dagegen heißt es im RegE nun deutlich: "Cannabis aus dem privaten Eigenanbau darf nicht an Dritte weitergegeben werden."
Eine echte "Weitergabe" wäre das zwar ohnehin nicht gewesen; schließlich hätte das Cannabis sofort und in der Wohnung des Anbauenden gemeinsam konsumiert werden müssen. Doch nun soll auch das verabredete, gemeinsame Kiffen verboten bleiben.
Der Hanfverband kritisiert diese Änderung mit Blick auf drohende Sanktionen: "Insbesondere vom selbst Angebauten möchte man seine erwachsenen Freunde gern probieren lassen. Es ist unsinnig, das mit drakonischen Strafen zu bedrohen", so ein Sprecher gegenüber LTO.
Für Strafen und Bußgelder sind Polizei und Justiz zuständig. Ob diese durch die Neuregelungen entlastet werden oder zusätzlich Arbeit bekommen, ist umstritten. Vor allem die Kleinteiligkeit der Regelungen könnte zu einem Mehraufwand führen.
Wird die Justiz ent- oder belastet?
Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jochen Kopelke, sagte der dpa, das Gesetz sehe keine ausreichend lange Übergangsphase vor, was "zwangsläufig zu massiven Unsicherheiten, wenn nicht Konflikten zwischen Behörden und Bevölkerung" führen werde. Der Polizei werde der Entwurf große Probleme bereiten. In einer früheren Stellungnahme hatte die GdP auch Befürchtungen geäußert, dass der Schwarzmarkt wachsen und die Verkehrssicherheit leiden würden.
Der Deutsche Richterbund hatte bereits erklärt, die vielen speziellen Regeln zu Cannabis-Clubs und zum Anbau und zur Abgabe der Droge, die mit der Legalisierung kommen sollen, müssten kontrolliert und Verstöße geahndet werden. Der Berufsverband befürchtet daher mehr Arbeit für die Justiz.
Auch die Innenminister von Nordrhein-Westfalen und Sachsen, Herbert Reul und Armin Schuster, sowie Hessens Justizminister Roman Poseck (alle CDU) sehen den Gesetzentwurf der rot-grün-gelben Koalition kritisch. "Mit diesem Gesetz wird ein kompletter Kontrollverlust verbunden sein", sagte Schuster dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Reul warnte, die Ampel-Koalition werde damit Polizei und Justiz nicht etwa weniger, sondern stärker belasten.
Ähnlich äußert sich der Hanfverband, auch wenn dieser daher die Streichung der Abstandsregelungen fordert: "Die Abstandsregelungen für den Konsum sind nicht einhaltbar. Sie verstoßen gegen das Bestimmtheitsgebot des Grundgesetzes. Weder Konsumenten noch die Polizei können wissen, wo Konsum genau erlaubt ist und wo nicht", so der Verband in einer Pressemitteilung vom Mittwoch.
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hielt dem gegenüber den Zeitungen der Funke Mediengruppe am Mittwoch entgegen: "Ich bin sehr zuversichtlich, dass eine pragmatischere Drogenpolitik zu einer Entlastung der Gerichte führen wird." Es werde beobachtet, wie sich das Gesetz in der Praxis bewähre. "Generell gilt: Wenn Menschen auf legale Weise Cannabis kaufen und konsumieren können, werden die Fälle weniger, die vor Gericht landen", so Buschmann.
THC-Grenzwerte im Straßenverkehr noch unklar
Nun muss der Bundestag über den RegE beraten. Ob auch der Bundesrat dem Gesetz zustimmen muss, ist streitig: Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) ist das Gesetz in der Länderkammer nicht zustimmungspflichtig. Ein Inkrafttreten ist laut Ministerium für Ende des Jahres vorgesehen.
Für nach der parlamentarischen Sommerpause hat das BMG darüber hinaus die "zweite Säule" angekündigt. Diese sieht regionale Modellvorhaben mit kommerziellen Lieferketten vor. Ein entsprechender Gesetzentwurf werde voraussichtlich der Europäischen Kommission zur Prüfung vorgelegt, schreibt das Ministerium auf seiner Website.
Auch Regeln für den Straßenverkehr fehlen noch. Federführend dafür zuständig ist allerdings das Bundesverkehrsministerium (BMDV). Minister Volker Wissing (FDP) strebt für Autofahrer Grenzwerte an, Probleme bereit dabei die Höhe: Verkehrsrechtler und Rechtsmediziner fordern schon seit längerem eine Anhebung des derzeitigen Grenzwertes von 1,0 Nanogramm (ng) Tetrahydrocannabinol (THC) pro Milliliter Blutserum (ng/ml). Der aktuelle Grenzwert liege so niedrig, dass er zwar den Nachweis des Cannabiskonsums ermögliche, "aber nicht zwingend einen Rückschluss auf eine verkehrssicherheitsrelevante Wirkung zulässt", erklärten noch im August 2022 renommierte Verkehrsrechtler im Rahmen des 60. Deutschen Verkehrsgerichtstages.
"Wir prüfen, wie die Grundlage für einen Grenzwert für Cannabis im Rahmen der Ordnungswidrigkeitenvorschrift des § 24a Straßenverkehrsgesetz auf wissenschaftlicher Basis ermittelt und geschaffen werden kann", sagte eine Sprecher des BMDV der Bild-Zeitung am Mittwoch. Der Paragraf legt die Promille-Grenze beim Alkohol fest, ab der Autofahrer ordnungswidrig handeln.
mk/hs/dpa/LTO-Redaktion
Lauterbach stellt Regierungsentwurf vor: . In: Legal Tribune Online, 16.08.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52499 (abgerufen am: 08.11.2024 )
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