Eine Krankenkasse hatte per Satzungsänderung auch unverheirateten Paaren Zuschüsse für die künstliche Befruchtung gewähren wollen. Das BSG bestätigte aber am Dienstag, dass nach der derzeitigen Gesetzeslage nur Eheleute einen Anspruch darauf haben dürfen. Sebastian Kauschke macht enttäuschten Partnern Hoffnung, denn der Gesetzgeber hätte die Möglichkeit, die Normen der Realität anzupassen.
Laut Gesetz müssen sich die Krankenkassen mit mindestens 50 Prozent an den Kosten für die ersten drei Versuche einer künstlichen Befruchtung beteiligen. Vorausgesetzt, das unfreiwillig kinderlose Paar ist verheiratet.
Um den Wettbewerb zwischen den Krankenkassen zu stärken, dürfen diese aber seit Anfang 2012 freiwillige Satzungsleistungen anbieten, die über die gesetzlichen hinausgehen. Daran anknüpfend änderte die Betriebskrankenkasse Verkehrsbau Union (BKK VBU) als einzige Krankenkasse ihre Satzung im selben Jahr dahingehend, dass auch unverheiratete Paare in einer "auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft" bei ihrem Kinderwunsch mit sogar 75 Prozent der Kosten finanziell unterstützt werden können. Mit dieser Erweiterung wollte sie den zahlreichen Anträgen unverheirateter Paare, die eine solche Leistung bereits angefragt hatten, entsprechen, wie deren stellvertretender Vorstand, Helge Neuwerk, gegenüber der Deutschen Presseagentur (dpa) angab.
Diese Satzungsänderung ist allerdings vom zuständigen Bundesversicherungsamt abgelehnt worden. Daraufhin klagte die Kasse vergebens vor dem Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg gegen die Ablehnung der Aufsichtsbehörde (Urt. v. 13.6.2014, Az. L 1 KR 435/12 KL). Seit Dienstag steht fest, dass auch die Revision vor dem Bundessozialgericht (BSG) erfolglos blieb. Der Senat entschied, die Änderung der Satzung sei nicht mit höherrangigem Recht vereinbar (Urt. v. 18.11.2014, Az. B 1 A 1/14 R). Nun besteht Klarheit darüber, dass zumindest die bundesweit vertretenen Krankenkassen den Zuschuss nicht auf unverheiratete Paare ausdehnen dürfen. Paare ohne Trauschein müssen damit auf eine Gesetzesänderung hoffen.
BSG entscheidet wie bisherige Rechtsprechung
Die Einführung einer neuen Satzungsleistung durch die Krankenkasse setzt nach § 194 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, S. 2 Sozialgesetzbuch, fünftes Buch (SGB V) eine ausdrückliche Ermächtigung zu dieser Regelung voraus, welche für die in der neuen Satzung angebotene Leistung aber nicht besteht. Die künstliche Befruchtung ist in § 27a SGB V geregelt, dessen Abs. 1 Nr. 3 voraussetzt, dass es sich bei den Anspruchstellern um Eheleute handeln müsse.
Eine entsprechende Anwendung auf nichteheliche Lebensgemeinschaften oder Partner einer eingetragenen Lebensgemeinschaft sei nicht möglich, stellten nun auch die Richter des Bundesgerichts klar. Die Kasse habe nicht eine zusätzliche, sondern eine andere Leistung anbieten wollen, die mit dem in der Norm ausgedrückten Willen des Gesetzgebers nicht vereinbar sei. Dass ledige Paare kein Geld für die Behandlung bekommen, sei zudem verfassungskonform. Die Ehe biete Kindern grundsätzlich mehr rechtliche Sicherheit.
Damit beziehen sich die Richter auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) aus dem Jahr 2007 (Urt. v. 28.2.2007, Az. 1 BvL 5/03). Dieses hatte die Beschränkung der Zuschüsse auf Eheleute für mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) vereinbar erklärt. Es hatte zwar eine finanzielle Benachteiligung von versicherten Partnern in einer nichtehelichen Beziehung im Verhältnis zu Ehepartnern festgestellt, diese sei aber wegen des verfassungsrechtlichen Schutzes von Familie und Ehe aus Art. 6 Abs. 1 GG sachlich gerechtfertigt. Ehepartner sind gemäß § 1353 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) füreinander rechtlich verantwortlich. Dies sei ausreichend, um von einer "erhöhten Belastbarkeit der Partnerschaft" ausgehen zu dürfen, die den Partnern im Falle einer künstlichen Befruchtung häufig abverlangt werden wird. Diesem Prinzip stehe für nichteheliche Lebensgemeinschaften nur die freiwillige Übernahme von Verantwortung gegenüber.
2/2: Hoffnungsschimmer für Ledige aus Baden-Württemberg
Helge Neuwerk von der BKK reagierte enttäuscht auf die Entscheidung. "Wir finden, dass das an den Lebenswirklichkeiten vorbei geht", sagte er. "Wir hoffen jetzt auf den Gesetzgeber, dass er die Initiative ergreift und das Thema noch einmal neu aufrollt." Zumal in Baden-Württemberg die zuständige Aufsichtsbehörde der regionalen BKK Scheufelen gestattet hat, auch den Kinderwunsch von nichtehelichen Partnerschaften zu fördern.
Allerdings bleibt dies nur ein kleiner Hoffnungsschimmer für unverheiratete Paare. Insgesamt unterliegen nämlich alle Betriebskrankenkassen, die bundesweit vertreten sind und damit 70 Prozent von ihnen, der Aufsicht des Bundesversicherungsamtes, dessen Ablehnung das BAG gerade bestätigt hat.
Zwar besteht nun endgültig Klarheit darüber, dass diese Krankenkassen selbst den Zuschuss nicht auf unverheiratete Paare ausdehnen dürfen. Es bleibt aber die Hoffnung auf eine Initiative des Gesetzgebers.
Das Gesetz muss den Lebensverhältnissen angepasst werden
Nichteheliche Lebenspartnerschaften sind in der heutigen Zeit gesellschaftlich voll akzeptiert. Ein unerfüllter Kinderwunsch hat sowohl auf verheiratete als auch auf nicht verheiratete Paare dieselben negativen Auswirkungen. Auch im Hinblick auf den demographischen Wandel, mit dem die Bundesrepublik zu kämpfen hat, erscheint es fragwürdig, nur verheiratete Paare finanziell in ihrem Kinderwunsch zu unterstützen.
Wie wichtig diese Unterstützung beim Kinderwunsch ist, zeigen aber die Daten der Krankenkassen. Wie N 24 berichtet, werden jährlich durchschnittlich 75.000 Kinder nach einer künstlichen Befruchtung geboren. Die Kosten beliefen sich je nach Methode auf zwischen 1.800 Euro und 5.000 Euro. Bei einer Erfolgsquote zwischen 15 und 20 Prozent könnten sich enorme Kosten ergeben.
Die bisher bei der Krankenkasse eingegangenen Anträge unverheirateter Paare auf künstliche Befruchtung müssen nun abgelehnt werden. Können sie es sich nicht leisten, die Behandlung selber zu bezahlen, müssen sie damit auf Kinder verzichten.
Die Notwendigkeit einer Neuregelung hatte Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) laut einem Bericht des Berliner Tagesspiegels bereits nach dem vorinstanzlichen Urteil durch das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg im Juni dieses Jahres erkannt und sich für einen Kassenzuschuss bei einer Kinderwunsch-Behandlung auch für unverheiratete Paare ausgesprochen. Allerdings scheint diesbezüglich keine Einigkeit mit dem Koalitionspartner zu bestehen. Der CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn hob die Bedeutung einer gefestigten Beziehung hervor, die bei Eheleuten gegeben und bei unverheirateten Paaren nur schwer zu überprüfen sei.
Die Chancen auf eine Neuregelung sind demnach unklar. Schließlich hatte schon 2007 das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber Handlungsspielraum gelassen. Dieser sei zwar verfassungsrechtlich nicht verpflichtet nichteheliche Partnerschaften in ihrem Kinderwunsch zu unterstützen. Die Richter unterstrichen jedoch gleichzeitig die Berechtigung zu einer solchen Änderung.
Ob der Gesetzgeber sich dieser Thematik nun annehmen und mit einer Neuregelung den gesellschaftlichen Umständen entgegenkommen wird, bleibt mit Spannung abzuwarten.
Der Autor Sebastian Kauschke ist wissenschaftliche Hilfskraft am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Arbeitsrecht und Sozialrecht von Prof. Dr. Oliver Ricken an der Universität Bielefeld. Er hat sich im Rahmen der Forschungsstelle Recht der Gesundheitswirtschaft bereits in Form einer Urteilsbesprechung mit dem vorinstanzlichen Urteil des LSG Berlin-Brandenburg beschäftigt.
Sebastian Kauschke, BSG zur künstlichen Befruchtung: Kein Zuschuss der Krankenkasse für unverheiratete Paare . In: Legal Tribune Online, 19.11.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13862/ (abgerufen am: 20.04.2024 )
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