"Basel III" geistert seit Wochen durch die Medien, bereits jetzt wird eine Überarbeitung der gerade erst verabschiedeten strengeren Eigenkapital- und Liquiditätsvorschriften für Banken diskutiert. Was bedeutet Basel III für deutsche Banken? Und wie wirksam können Vorschriften sein, die nicht alle Marktteilnehmer erfassen?
Aus Anlass der Finanzmarktkrise haben Politik und Regulierungsbehörden krisenbegünstigende Faktoren analysiert. Dabei wurden bei Banken als Krisenverstärker insbesondere eine zu geringe Menge regulatorischen Eigenkapitals, qualitative Mängel dieses Eigenkapitals sowie eine zu große Fremdkapitalfinanzierung der Institute ausgemacht.
Zur Vermeidung und Abmilderung künftiger Krisen hat der Gouverneursrat des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht am 12. September Details zu strengeren Eigenkapital- und Liquiditätsvorschriften für Banken vereinbart (so genanntes "Basel III").
Künftig soll das Eigenkapital nur noch aus zwei Kapitalklassen bestehen, dem Kernkapital (Tier 1) und dem Ergänzungskapital (Tier 2). Das Kernkapital ist dabei in "hartes" und "weiches" Kernkapital aufgeteilt.
Nach Basel III werden als hartes Kernkapital nur noch offene Rücklagen sowie eingezahltes Stammkapital (so genannte "Common Equity") bzw. vergleichbare Kapitalformen bei Nicht-Aktiengesellschaften qualifiziert. Weiches Kernkapital ist nach Prinzipien definiert. Es soll dem Institut grundsätzlich unbefristet zur Verfügung stehen und vollständig Verluste absorbieren.
Harter Kern mal anders: Insgesamt 7 Prozent bis 2019
Die Kernkapitalquote wird von 2013 bis 2019 schrittweise von derzeit 4 Prozent auf 6 Prozent angehoben, wobei die erforderliche harte Kernkapitalquote von derzeit 2 Prozent schrittweise auf 4,5 Prozent der risikogewichteten Vermögenswerte der Bank angehoben wird.
Zusätzlich müssen Banken ab 2016 einen Kapitalerhaltungspuffer zur Abfederung in Stresszeiten auftretender Verluste vorhalten. Dieser muss aus hartem Kernkapital bestehen, darf allerdings in Krisenzeiten ausnahmsweise unterschritten werden. Der Kapitalerhaltungspuffer wird anfänglich 0,625 Prozent betragen und schrittweise bis 2019 auf 2,5 Prozent erhöht. Insgesamt benötigen Institute im Jahr 2019 somit grundsätzlich eine Quote von mindestens 7 Prozent harten Kernkapitals.
Darüber hinaus soll ein weiterer antizyklischer Kapitalpuffer zum Schutz gegen exzessives Kreditwachstum von bis zu 2,5 Prozent hinzukommen, der sich an den Besonderheiten nationaler Kapitalmärkte orientiert.
Eine weitere Kennziffer für Banken wurde mit einer Verschuldungsgrenze (der so genannten Leverage Ratio) von 3 Prozent implementiert. Demnach wird das nicht-risikobereinigte Geschäftsvolumen einer Bank auf das 33-Fache ihres Kernkapitals beschränkt. In der ersten Jahreshälfte 2017 soll festgelegt werden, ob diese Kennziffer als harte aufsichtsrechtliche Verpflichtung eingeführt werden soll.
Noch nichts verbindlich, aber noch einiges offen
Basel III ist nur eine Empfehlung des Basler Ausschusses und derzeit für Banken noch nicht rechtlich bindend. Es wird erwartet, dass das Regelwerk beim nächsten G20-Gipfel Mitte November in Seoul angenommen wird.
Auf europäischer Ebene würden die Vorschriften vermutlich durch eine Abänderung der Eigenkapitalrichtlinie (bestehend aus der Bankenrichtlinie 2006/48/EG und der Kapitaladäquanzrichtlinie 2006/49/EG) übernommen und schließlich vornehmlich über das Kreditwesengesetz in bindendes deutsches Recht umgesetzt.
Zwar wurden durch Basel III viele Eigenkapitalthemen geregelt, bei Liquiditätspuffervorgaben wurde aber noch keine endgültige Einigkeit erreicht. Strittig ist insbesondere, ob und unter welchen Voraussetzungen Pfandbriefe und hochwertige Unternehmensanleihen als liquide Mittel zu bewerten sind. Auch die Ausgestaltung einer längerfristigen Liquiditätskennziffer (Net Stable Funding Ratio), die die Fristentransformation von Banken einschränken soll, ist noch offen. Die Frage der Kapitalaufschläge für systemrelevante Großbanken blieb ebenso bislang unbeantwortet.
Auswirkungen auf deutsche Banken
Öffentliche Banken in der Rechtsform der Aktiengesellschaft (z.B. HSH Nordbank, WestLB und künftig LBBW) sind von Basel III besonders betroffen, da für sie das wichtige Kapitalinstrument der stillen Einlage ab 2013 keinesfalls mehr als hartes Kernkapital qualifiziert.
Anders verhält es sich bei öffentlich-rechtlich organisierten Instituten wie etwa der Landesbank Hessen Thüringen. Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung dieser Differenzierung bleibt fraglich. Viele öffentliche Banken, die als Aktiengesellschaft firmieren und die die zusätzlich geforderte Menge an hartem Kernkapital nicht allein durch den Einbehalt von Gewinnen meistern können, müssen bald entweder neues hartes Kernkapital aufnehmen oder stille Einlagen umwandeln, um den strengeren Vorgaben zu genügen.
Sparkassen und Genossenschaftsbanken haben es einfacher, da für sie maßvolle Übergangsfristen geregelt wurden. Diese werden ebenso wie die Privatbanken versuchen, einen Großteil der Basel III-Belastungen über den Einbehalt von Gewinnen abzufedern, was aber im Gegenzug die Kreditvergabe und damit das Wirtschaftswachstum einschränken könnte.
Indirekt wird Basel III eine weitere Konsolidierung der deutschen Banken befördern, da es für Großbanken insbesondere durch deren größere Kapitalmarktfähigkeit leichter ist, das geforderte harte Eigenkapital zu besorgen als für kleine und mittlere Institute.
Kaum ist Basel III beschlossen, wird bereits an weitergehenden Reformen gearbeitet. Erste Ergänzungen werden gefordert, insbesondere Bankenaufseher in Großbritannien und der Schweiz postulieren, dass Basel III lediglich Mindeststandards vorsehe, über die bei systemrelevanten Banken hinauszugehen sei.
Unendliche Baustelle Finanzmarktregulierung – ist Basel III unzureichend?
Unabhängig davon wird kritisch hinterfragt, ob Basel III überhaupt geeignet ist, künftige Krisen wirksam zu verhindern. Ein Anknüpfungspunkt ist dabei, dass die Vorgaben nur Banken regulieren, andere Marktteilnehmer mit systemischer Relevanz, namentlich Hedgefonds und große Privat-Equity-Gesellschaften, aber ausklammern.
Deutlich wird dies bei den - ebenfalls ausgenommenen - US-Immobilienfinanzierern Fannie Mae und Freddie Mac. Deren Schieflage war einer der Ausgangspunkte der Finanzmarktkrise, ihre Rettung kostete die US-Steuerzahler bislang 143 Milliarden US-Dollar. Weitere künftige Rettungskosten werden angeblich auf weitere 400 Milliarden US-Dollar taxiert. Diese Finanzierer werden auch künftig gestützt werden müssen, um einen Supergau des Finanzsystems zu verhindern. Es bleibt somit abzuwarten, ob und wann ein vergleichbares Regelwerk auch für solche und andere, derzeit nicht erfasste Marktteilnehmer angegangen wird.
Eine weitere Frage ist, ob Basel III einen effektiven Beitrag leisten kann, um künftige Krisen zu verhindern. Denn Basel III wird eine Konsolidierung der Banken befördern und damit zu weiteren und neuartigen systemischen Risiken führen.
Bereits heute summieren sich die Bilanzen britischer beziehungsweise Schweizer Großbanken auf ein Vielfaches der jährlichen Wirtschaftsleistung des jeweiligen Landes. Eine international abgestimmte Lösung, wie mit derart großen, finanziell angeschlagenen Instituten (vor-) insolvenzrechtlich umgegangen werden soll, fehlt. Zumindest Deutschland hat für deutsche Banken mit dem Restrukturierungsgesetz diesbezüglich erste Hausaufgaben erledigt.
Daniel Baierlein ist Rechtsanwalt und Mitglied der Gruppe Finanzaufsicht einer internationalen Rechtsanwaltskanzlei und in deren Frankfurter Büro tätig. Er berät unter anderem Gesellschafter, Kapitalinvestoren und andere Gläubiger von krisengeschwächten Finanzinstituten bei der Krisenbewältigung sowie dem Weg aus der Finanzmarktkrise und ist Verfasser zahlreicher Veröffentlichungen zu aktuellen aufsichtsrechtlichen Themen.
Daniel Baierlein, Basel III: . In: Legal Tribune Online, 29.09.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/1591 (abgerufen am: 10.10.2024 )
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