Druckversion
Freitag, 16.05.2025, 02:47 Uhr


Legal Tribune Online
Schriftgröße: abc | abc | abc
https://www.lto.de//recht/feuilleton/f/justiz-zu-ausserirdischen-aliens-rechtsgeschichte
Fenster schließen
Artikel drucken
25589

Außerirdische: Was E.T. von Rechts wegen zu erwarten hat

von Martin Rath

19.11.2017

Außerirdischer (Symbol)

© adimas - stock.adobe.com

Während die deutsche Justiz gegenüber Außerirdischen unfreundliche Ignoranz an den Tag legt, finden sich bei ausländischen Juristen andere Auffassungen zu Aliens – zwischen Naturrechtsdiskurs und Quarantänerecht.

Anzeige

Es sollte kein allzu eigenwilliger Humor vonnöten sein, um die Komik darin zu sehen, eine junge Jura-Studentin bei der Lektüre von Ted Chiangs Short Story "Die Geschichte deines Lebens" zu beobachten.
Inzwischen wurde diese Geschichte, die vordergründig vom ersten Kontakt zwischen Außerirdischen und zwei menschlichen Linguisten handelt, unter dem Titel "Arrival" verfilmt.

Wie es sich für Pointen gehört, wird am Ende verraten, warum sich jedenfalls die Lektüre dieser Science-Fiction-Geschichte von einem E.T.-Erstkontakt selbst für Jura-Studenten lohnen könnte, die Aliens für Unfug halten.

Das LG Berlin fand E.T.-Vergleiche gar nicht witzig

Eine bodenständig unfreundliche Haltung gegenüber Aliens ließ namentlich das Landgericht (LG) Berlin in seinem Urteil vom 19. Januar 2010 (Az. 27 O 1050/09) erkennen.

In der Sache ging es um einen Unterlassungsanspruch des Berliner Rechtsanwalts Johannes Eisenberg (1955–) gegen den Springer-Verlag. Die Bild-Zeitung hatte Eisenberg in E.T.-Nähe gerückt.

Indem es den Schutz der Bild-Leute durch das Grundrecht der Kunstfreiheit, Artikel 5 Abs. 3 Grundgesetz (GG) ausschloss, steigerte sich das LG Berlin regelrecht in Alien-unfreundliche Positionen:

"Zwar handelt es sich bei der Äußerung. 'Sind die Aliens schon unter uns?', um Satire, denn bei dem Antragsteller handelt es sich ersichtlich nicht um einen Außerirdischen. Tatsächlich steckt in der Äußerung das Werturteil, das Vorgehen des Antragstellers als Rechtsanwalt sei auffällig – eben eines Aliens würdig –, weil er bei seinem Kampf gegen investigative Medien wie von einem anderen Stern argumentiere."

Für wie beleidigend es das LG Berlin hielt, mit einem E.T. verglichen zu werden, ließ es klar erkennen: Anwalt Eisenberg bewege "sich – anders als Karl Lagerfeld, Claudia Roth und Lorielle London, die sich möglicherweise die Frage, ob die Aliens schon unter uns sind, gefallen lassen müssen – nicht derart in der Öffentlichkeit, dass allein schon seine Person öffentliches Interesse erweckt".

Reines Ignorieren ist auch hM

Niemand macht sich wohl gerne die Mühe eines Lichtjahre durchquerenden Anflugs auf den Planeten Erde, nur um vor dem LG Berlin mit Karl Lagerfeld und Claudia Roth verglichen zu werden. Aber es kommt noch schlimmer.

Mit Urteil vom 13. Mai 2014 befand das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main über den urheberrechtlichen Unterlassungsanspruch einer amerikanischen Stiftung gegen einen deutschen Verein wegen der Veröffentlichung von Auszügen des Buches "A Course in Miracles" – es handelte sich hierbei um den deutschen Ausläufer einer in den USA langjährig geführten Copyright-Streitigkeit.

Der beklagte Verein räumte zwar schuldrechtliche Vereinbarungen mit der Stiftung ein, argumentierte aber, diese seien unerheblich, weil die Klägerin keine Rechte an dem Werk habe begründen können: Der Text sei nicht etwa von der amerikanischen Psychologin Helen Schucman (1909–1981) verfasst, sondern ihr wortwörtlich von Jesus diktiert worden, sodass dieser als Urheber in Betracht zu ziehen sei – es habe gegen den Verhandlungsgrundsatz verstoßen "wenn sich das Landgericht über den als unstreitig geltenden Vortrag der Parteien, Jesus von Nazareth habe den Kurs Wort für Wort erdacht, hinweggesetzt habe".

Dies wies das OLG von sich, indem es sich der herrschenden Auffassung anschloss, dass "jenseitige Inspirationen rechtlich uneingeschränkt ihrem menschlichen Empfänger zuzurechnen" seien.
"Anderenfalls müssten derartige Schöpfungen", begründete das Gericht, "urheberrechtlich schutzlos bleiben, weil 'außerirdische Wesen' nicht Rechtssubjekte sein können".

Und wenn sie doch kämen?

Das Frankfurter Urteil nimmt nicht wunder, unterfällt das Außerirdische doch schlechthin nicht dem Realitätsprinzip deutscher Juristen. Zu denken ist hier beispielsweise auch an den berühmten Siriusfall (BGH, Urt. v. 5.7.1983, Az. 1 StR 168/83).

Hier führte die langjährige Behauptung des Angeklagten, er sei ein Bewohner des Sterns Sirius und gehöre einer dem Menschen philosophisch überlegenen Rasse an, bekanntlich auch nicht dazu, ihn einem astrobiologischen Gutachterteam zuzuführen.

So bodenständig und insoweit grundsympathisch dieses Realitätsprinzip deutscher Juristen ist, raubt es ihnen doch die Chance, sich dem Gegebenen aus der spekulativen Perspektive des Möglichen zu nähern.

Dies kann, eher weniger fruchtbar, auf dem Gebiet des positiven Rechts geschehen. Durchaus sinnvoll scheint aber die Diskussion um ein Recht, das auch für Außerirdische gelten könnte.

Seite 1/2
  • Seite 1:

    Die deutschen Gerichte vertreten ausgesprochen Alien-unfreundliche Positionen

  • Seite 2:

    In den USA wurde schon viel ernsthafter über interstellares Handelsrecht diskutiert

  • Drucken
  • Senden
  • Zitieren
Zitiervorschlag

Martin Rath, Außerirdische: . In: Legal Tribune Online, 19.11.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25589 (abgerufen am: 16.05.2025 )

Infos zum Zitiervorschlag
  • Mehr zum Thema
    • Rechtsgeschichte
    • Weltraumrecht
Öffnung der Holzkisten in den Räumen des Obersten Gerichts 14.05.2025
Nationalsozialismus

Historischer Fund in Argentiniens höchstem Gericht:

83 Holz­kisten voller NS-Pro­pa­ganda

Postkarten, Mitgliedsausweise, Propagandamaterial: Bei einem Umzug im Corte Suprema sind über 80 Jahre alte NS-Dokumente aufgetaucht – und zwar kistenweise. Fachleute erhoffen sich davon neue Erkenntnisse über das NS-Regime.

Artikel lesen
Museum Berlin-Karlshorst 08.05.2025
Rechtsgeschichte

Der 8. Mai 1945:

Bedin­gungs­lose Kapi­tu­la­tion und Unter­gang des Deut­schen Rei­ches?

Über die Bedeutung des 8. Mai 1945 ist in Deutschland viel gestritten worden: Befreiung oder Niederlage? Auch die Staatsrechtslehre der Nachkriegszeit diskutierte. Sebastian Felz erinnert an die Positionen von Hans Kelsen und Günter Dürig.

Artikel lesen
Albert Kesselring (1953) 01.05.2025
Rechtsgeschichte

Protest gegen den "Stahlhelm" in Betriebsversammlung:

Legitime Ein­mi­schung oder Störung des Betriebs­frie­dens?

Am 4. Mai 1955 bestätigte das Bundesarbeitsgericht den Ausschluss von drei Betriebsratsmitgliedern einer Bremer Werft. Vorgeworfen wurde ihnen, durch eine politische Resolution unzulässig Unruhe in den Betrieb getragen zu haben.

Artikel lesen
Gedenktafel an die Opfer, die aus religiösen Gründen in das KZ Buchenwald kamen 20.04.2025
Rechtsgeschichte

Verfolgung der Zeugen Jehovas durch das NS-Regime:

Wenn es nach der Hin­rich­tung auf ein "nur" ankommt

Im öffentlichen Ansehen rangieren sie heute harmlos in der Nähe von Freikirchen oder Scientology. Von der NS-Justiz wurden die Zeugen Jehovas scharf verfolgt, eine Entschädigung nach dem Krieg hing oft an einem seidenen Argumentationsfaden.

Artikel lesen
Fritz Bauer und sein Team in "The Darkest Files", dem wir in der Rolle von Esther Katz beitreten 10.04.2025
Computerspiele

Computerspiel "The Darkest Files":

Auf Nazi-Jagd mit Fritz Bauer

1956, Frankfurt: In "The Darkest Files" schließt man sich als junge Staatsanwältin dem Team von Fritz Bauer an, um NS-Unrecht zu sühnen. Die Fälle, die man bearbeitet, sind echt, düster und brutal – eine Simulation, die unter die Haut geht.

Artikel lesen
Das Bild zeigt historische Gesetzesblätter von 1914 bis 1923, wichtig für Jastrows sozialpolitische und juristische Arbeit. 16.03.2025
Rechtsgeschichte

Historiker, Sozialpolitiker und Jurist Ignaz Jastrow:

Vom Kriegs­aus­bruch mit Trom­mel­wirbel zum tele­gra­fierten Gesetz

Der Wirtschafts- und Rechtswissenschaftler Ignaz Jastrow gehörte vor 100 Jahren zu den innovativen Köpfen beider Fächer. Er bereitete die moderne Arbeitsmarktgestaltung vor und kritisierte früh Formverluste in der Gesetzgebung.

Artikel lesen
logo lto karriere
TopJOBS
Logo von Gleiss Lutz
Wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­beit (m/w/d) Ge­werb­li­cher Rechts­schutz

Gleiss Lutz , Ber­lin

Logo von REDEKER SELLNER DAHS
Rechts­an­wäl­tin/Rechts­an­walt (m/w/d) Di­gi­ta­li­sie­rung und Öf­f­ent­li­ches...

REDEKER SELLNER DAHS , Ber­lin

Logo von Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr, Wohnen und ländlichen Raum
Re­fe­rats­lei­tung (w/m/d) für das Re­fe­rat III 7 „Bör­sen­auf­sich­t“

Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr, Wohnen und ländlichen Raum , Wies­ba­den

Logo von Görg
Rechts­an­walt im Be­reich Re­struk­tu­rie­rung/In­sol­venz­recht (m/w/d)

Görg , Mün­chen

Logo von Bundesnetzagentur
VOLL­JU­RIST*IN­NEN (w/m/d)

Bundesnetzagentur , Bonn

Logo von Oppenhoff
Rechts­an­walt (m/w/d) Öf­f­ent­li­ches...

Oppenhoff , Köln

Logo von DLA Piper UK LLP
Se­nior As­so­cia­te (m/w/x) im Be­reich Pri­va­te Equi­ty / Spe­cial Si­tua­ti­on...

DLA Piper UK LLP , Frank­furt am Main

Logo von Bird & Bird LLP
Wis­sen­schaft­li­cher Mit­ar­bei­ter (m/w/d) Com­mer­cial Con­tracts/Dis­pu­te...

Bird & Bird LLP , Ham­burg

Mehr Stellenanzeigen
logo lto events
Moovijob Day Luxembourg in Trier

23.05.2025, Trier

Plötzlich doch selbständig? Wie aus einer Scheinselbständigkeit von Lehrkräften eine selbständige Tätigkeit werden kann

26.05.2025, Bonn

Logo von Hagen Law School in der iuria GmbH
Fachanwaltslehrgang Erbrecht im Fernstudium/ online

23.05.2025

Konfliktvermeidung durch Vertragsgestaltung und Vertragsgestaltung zur Konfliktlösung

26.05.2025, Frankfurt am Main

Matchwinner Verfahrensrecht

26.05.2025

Mehr Events
Copyright © Wolters Kluwer Deutschland GmbH