Verdis Verfassungsbeschwerde gegen kirchliches Streikverbot ist unzulässig. Außerdem in der Presseschau: Längere Verträge für wissenschaftliche Mitarbeiter, Richter und StA klären über "Asylfragen" auf und "Terminator" vor IStGH.
Thema des Tages
BVerfG zu Verdi: Das Bundesverfassungsgericht hat eine Verfassungsbeschwerde von Verdi zum Streikrecht für unzulässig erklärt. Beschwerdegegenstand war ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts, in welchem die Erfurter Richter der Gewerkschaft zwar in der Sache recht gegeben hatten, in den Entscheidungsgründen allerdings ein allgemeines Streikrecht bei kirchlichen Arbeitgebern ablehnten. Verdi wollte sich gegen diese Feststellung wehren, das BVerfG erklärte allerdings, dass die Entscheidungsgründe des Urteils den Beschwerdeführer nicht unmittelbar und gegenwärtig betreffen und er folglich nicht beschwerdebefugt ist. SZ (Detlef Esslinger), FAZ (Reinhard Bingener) und taz (Christian Rath) befassen sich mit dem Beschluss aus Karlsruhe.
Rechtspolitik
Ceta: Ceta soll nicht erneut verhandelt werden, meint die EU-Kommissarin Cecilia Malmström, obwohl Kritiker das Abkommen – insbesondere die Einführung von Schiedsgerichten – nach wie vor beanstanden. Malmström will die "Feinabstimmung" erst vornehmen, wenn der Vertrag in Kraft getreten ist. Fabio De Masi (Linke) hatte eine entsprechende Anfrage gestellt und moniert, es sei "scheinheilig", bei Ceta und TTIP unterschiedliche Pläne hinsichtlich der Schiedsgerichte zu verfolgen, so die Zeit (Petra Pinzler).
Wissenschaftszeitvertragsgesetz: Arbeitsverträge von wissenschaftlichen oder künstlerischen Mitarbeitern müssen künftig solange laufen, wie es für die Qualifizierung oder das jeweilige Projekt notwendig ist. Eine entsprechende Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes hat das Bundeskabinett auf den Weg gebracht. Die FAZ (Joachim Jahn) informiert über die geplanten Änderungen.
Flüchtlingspolitik: Im Interview mit der Zeit (Marc Prost/Heinrich Wefing – Online-Fassung) spricht Thomas de Maizière (CDU) über die Ausschreitungen gegen Flüchtlinge und über notwendige flüchtlingspolitische Reformen, die "binnen Wochen" geschehen müssten. Auch tagesschau.de und die Welt greifen seine Änderungspläne auf und heben insbesondere hervor, dass der Innenminister erwägt, das Grundgesetz zu ändern. Dies solle unter anderem dem Bund ermöglichen, direkte Finanzhilfen für die Flüchtlinge an Kommunen zu senden.
Heribert Prantl (SZ) hält die "Basteleien" am Grundgesetz für "Verschlimmbesserungen". Gegen die geplante Unterstützung von Kommunen sei wenig zu sagen – die Änderung des Asylartikels allerdings bedinge, dass für bestimmte Flüchtlinge der Rechtsschutz entfalle.
Modernere Landgerichte: Das Land Berlin hat bereits vergangenen Juli einen Gesetzesantrag an den Bundesrat gestellt, in dem es anregt, die Strukturen der Landgerichte zu modernisieren. Beispielsweise sollen die Landesregierungen dazu ermächtigt werden, bezirksübergreifende Spezialkammern zu installieren. zpoblog.de (Benedikt Meyer) schildert die vorgeschlagenen Änderungen des Gerichtsverfassungsgesetzes und bewertet den Entwurf.
Justiz
OLG München – NSU-Prozess: Am 225. Verhandlungstag im NSU-Prozess befragte das Gericht zum zweiten Mal den Neonazi-Aussteiger Kay S. – einen der wenigen zur Aussage bereiten Zeugen. Dieser führte erneut aus, gemeinsam mit den beiden Angeklagten sowie Böhnhardt und Mundlos eine rassistisch motivierte Straftat begangenen zu haben. Der zweite Zeuge, der Taxifahrer Patrick H., hingegen habe das Gericht mit seinen Angaben eher verwirrt, teilt spiegel.de (Wiebke Ramm) mit. Die SZ (Annette Ramelsberger) informiert insbesondere über das "schneidige" Auftreten von Wohllebens Strafverteidiger, Olaf Klemke, welcher erfolglos beantragte, S. vereidigen zu lassen – er wirft ihm Falschaussage vor.
"Zschäpes Maske sitzt noch": zeit.de (Tom Sundermann) erklärt, warum das Verhalten der Angeklagten im NSU-Prozess, insbesondere gegenüber ihrer Verteidigung, den Ausgang des Verfahrens nicht beeinflussen werde, wie es einige Pressestellen vermuteten. Es sei strafprozessrechtlich unzulässig, "Traktate" der Angeklagten als Beweis zu ihren Lasten heranzuziehen. Richter Götzl sei erfahren und daher wohl in der Lage derartige Faktoren auszublenden.
Volksentscheid zu Gerichtsstrukturreform: Am kommenden Sonntag dürfen die Bürger Mecklenburg-Vorpommerns darüber abstimmen, ob die aktuelle Gerichtsstrukturreform wieder rückgängig gemacht werden soll. Die Anzahl der Amtsgerichte soll bis Februar 2017 von 21 auf 10 reduziert werden. Die SZ (Thomas Hahn) kennt die Kritik vom Anwaltsverein und weist darauf hin, dass es eines Drittels der Wählerstimmen bedürfe, um die Reform aufzuheben.
In einem separaten Kommentar mahnt Thomas Hahn (SZ), dass der Staat sich nicht weiter zurückziehen dürfe. Er müsse vielmehr präsent sein, um eine menschenfreundliche Gesellschaft vor "rechtsextremen Kräften" zu schützen.
Recht in der Welt
EGMR zu Lampedusa: Italien hat im Jahr 2011 durch die Zustände in den Erstaufnahmeeinrichtungen und Gruppenabschiebungen die Menschenrechte von Lampedusa-Flüchtlingen verletzt. Dies entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte. lto.de (Anne-Christine Herr) schildert ausführlich die Entscheidungsgründe.
IStGH – Bosco Ntaganda: Am gestrigen Mittwoch begann die Hauptverhandlung gegen Bosco Ntaganda, den ehemaligen stellvertretenden Stabschef der "Patriotischen Streitkräfte für die Befreiung des Kongo", alias "Terminator", vor dem Internationalen Strafgerichtshof. Die Chefanklägerin Fatou Bensouda verdächtigt den Angeklagten unter anderem der Verbrechen gegen die Menschlichkeit, der Vergewaltigung und der Rekrutierung von Kindersoldaten. Ntaganda gibt an, unschuldig zu sein. SZ (Tobias Zick), FAZ (stah) und taz (Dominic Johnson) berichten.
EGMR und Meinungsfreiheit: Der Europarechtler Jan Oster analysiert in der FAZ, inwiefern der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seiner Rechtsprechung auch Nichtjournalisten, welche über Massenmedien publizieren, die Privilegien der Pressefreiheit zugesteht. Diese genössen immer mehr den gleichen Schutz wie professionelle Journalisten, im Gegenzug müssten sie allerdings auch ihre Inhalte gleichermaßen verantworten.
Sonstiges
Aufklärung in "Asylfragen": Der Präsident des Oberverwaltungsgerichts Bautzen Erich Künzler berichtet in der FAZ über eine gemeinsame Veranstaltungsreihe mehrerer Justizvertreter, welche dazu beitragen sollte, die Flüchtlingsdebatte zu versachlichen. Dazu luden die Initiatoren Schulklassen in Gerichte ein, um dort mit ihnen über "Asylfragen" zu sprechen. Künzler beschreibt ausführlich, welchen Fehlinformationen die Teilnehmer hinsichtlich der Sach- und Rechtslage unterlagen.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/vb
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 3. September 2015: Verdi verliert Verfassungsbeschwerde – Modernere Landgerichte – "Terminator" vor IStGH . In: Legal Tribune Online, 03.09.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16791/ (abgerufen am: 29.04.2024 )
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