Reporter ohne Grenzen verklagt BND wegen Verletzung des Fernmeldegeheimnisses vor BVerwG. Außerdem in der Presseschau: Bundestag berät über Suizidhilfe, Facebook-Klage abgelehnt, "Schandurteil von Karlsruhe" und Masing im Porträt.
Thema des Tages
BVerwG – ROG verklagt BND: Reporter ohne Grenzen hat beim Bundesverwaltungsgericht am vergangenen Dienstag eine Klage gegen den Bundesnachrichtendienst eingereicht. Die Organisation wirft dem BND vor, ihren E-Mail-Verkehr mit ausländischen Partnern und Journalisten überwacht und dadurch das Fernmeldegeheimnis verletzt zu haben. Das Vorgehen der Bundesbehörde gefährde zudem die unbefangene Arbeit von Journalisten. reporter-ohne-grenzen.de informiert über die Hintergründe der Klage. Die Klage liegt der taz (Christian Rath) vor.
Rechtspolitik
Suizidhilfe: Am heutigen Donnerstag berät der Bundestag in erster Lesung über vier Gesetzentwürfe zur Regelung der Suizidhilfe. Die Juristin und Journalistin Gunda Trepp erläutert in ihrem Essay auf spiegel.de, dass auch nach der vorangegangenen Debatte – der "würdigsten" nach der Wiedervereinigung – die Frage nach der Legitimität von Suizidhilfe nicht klar beantwortet werden kann.
Die ehemalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger fasst in der Welt die derzeitigen Regelungen in Sachen Suizid- und Sterbehilfe zusammen. Sie teilt zudem ihre persönliche Meinung zu den Reformvorschlägen mit und betont Selbstbestimmung sowie die Unantastbarkeit der Menschenwürde müssten auch "im letzten Lebensabschnitt" gelten.
Bleibe- und Asylrechtsreform: Am heutigen Donnerstag soll der Bundestag über Änderungen im Bleibe- und Asylrecht abstimmen. So soll beispielsweise der sogenannte Ausreisegewahrsam eingeführt werden, welcher die Abschiebung erleichtern soll. Die taz (Martin Kaul) berichtet ausführlich über das geplante Gesetz und entsprechende Kritikpunkte.
TTIP: Das EU-Parlament hat den Vorschlag seines Präsidenten Martin Schulz (SPD), Schiedsgerichte durch ein "neues System" für Investorenklagen zu ersetzen, angenommen. Dieser sieht unter anderem unabhängige, öffentlich ernannte Richter und eine Berufungsinstanz vor. Die FAZ (Hendrik Kafsack) erklärt auch, welche Rolle die Meinung des EU-Parlaments bei den TTIP-Verhandlungen spielt. Kritiker hielten den Vorschlag für "zu vage", weiß die taz (Anja Krüger).
EU-Richtlinie zu Geschäftsgeheimnissen: Die EU-Kommission hat im Jahr 2013 eine Richtlinie zum besseren Schutz von Geschäftsgeheimnissen vorgelegt, welche nun vom Rechtsausschuss des EU-Parlaments gebilligt wurde. Presse- und Medienfreiheit sollen nicht eingeschränkt werden – unter anderem der Deutsche Journalistenverband sieht diese Voraussetzung allerdings im vorliegenden Entwurf nicht erfüllt, so das Handelsblatt (Thomas Ludwig).
EU-Urheberrechtsverordnung: Die SZ (Simon Hurtz) erläutert, mit welchen rechtlichen Folgen Fotografen rechnen müssten, würde das EU-Parlament die Panoramafreiheit abschaffen. Entwarnung gebe es immerhin für Bauwerke, deren Schöpfer vor über 70 Jahren verstorben sind, denn hier greife das Urheberrecht nicht mehr.
Justiz
EuGH zu Weservertiefung: Die Wasserrahmenrichtlinie der EU verpflichtet die Mitgliedsstaaten dazu, Vorhaben zu versagen, die die Wasserqualität schiffbarer Flüsse verschlechtern können – es sei denn, eine Ausnahme liegt vor. Dies entschied der Europäische Gerichtshof auf Vorlage des Bundesverwaltungsgerichts. Im Ausgangsfall hatte der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland gegen die genehmigte Vertiefung der Weser geklagt. Das BVerwG wird nun darüber entscheiden müssen, ob hier eine Ausnahme greift. SZ (Peter Burghardt), FAZ (Carsten Germis/cmu.) und Badische Zeitung (Christian Rath) berichten.
BVerfG zu Mindestlohngesetz: Das Bundesverfassungsgericht hat drei Verfassungsbeschwerden gegen das Mindestlohngesetz als unzulässig abgewiesen. Unter anderem hatten 14 ausländische Transportunternehmen geklagt, die auch in Deutschland tätig sind. Dies meldet die taz. lto.de resümiert auch kurz die Punkte, zu denen sich das BVerfG inhaltlich äußerte.
OLG Hamburg zu YouTube/GEMA: YouTube ist grundsätzlich nicht dazu verpflichtet, die dort gespeicherten Informationen zu überwachen. Wenn das Videoportal allerdings auf eine klare Rechtsverletzung hingewiesen wird, muss es die betroffenen Inhalte unverzüglich sperren. Dies entschied das Oberlandesgericht Hamburg und bestätigte damit die erstinstanzliche Entscheidung des Landgerichts Hamburg. Im vorliegenden Fall wollte die GEMA zwölf Musiktitel auf YouTube wegen Rechtsverletzungen sperren lassen. zeit.de verweist zudem kurz auf die Entscheidung des Landgerichts München I im Fall GEMA versus YouTube. Auch spiegel.de berichtet.
LG München I zu Youtube/GEMA: Das Landgericht München I hat am vergangenen Dienstag eine Schadensersatzklage von GEMA gegen YouTube abgewiesen, meldet jetzt auch spiegel.de. YouTube sei, laut Gericht, ein sogenannter "Hostprovider" und nicht unmittelbar für die durch die Nutzer hoch geladenen Inhalte verantwortlich – eine Gebührenpflicht entfalle daher.
OLG München – NSU: Reinhard G., Beamter beim Brandenburgischen Verfassungsschutz, sagte im NSU-Prozess über den von ihm betreuten V-Mann Carsten Sz. ("Piatto") als Zeuge aus. Er gab allerdings an, die meisten Fragen wegen Erinnerungslücken nicht beantworten zu können. Dies teilen die taz (Konrad Litschko) und spiegel.de mit.
LG München I – Deutsche Bank: Der Richter am Oberlandesgericht München Guido Kotschy hatte das Verfahren im Fall Kirch geführt, nun sagt er als Zeuge im Strafprozess gegen Top-Manager der Deutschen Bank vor dem Landgericht München I aus. Von Kotschys Aussage könnte abhängen, ob die fünf Angeklagten verurteilt werden. SZ (Stephan Radomsky) und FAZ (Joachim Jahn) schildern die Zeugenbefragung durch die Verteidigung, bei welcher Kotschy sich wohl "angriffslustig" zeigte.
LG Lüneburg – Auschwitz-Prozess: Der Angeklagte Oskar Gröning hat im Prozess vor dem Landgericht Lüneburg erneut seine Mitschuld an den Morden in Auschwitz betont. Mit seiner Tätigkeit im Konzentrationslager habe er dazu beigetragen, "dass das System Auschwitz funktionierte". Dies schreiben die SZ (Hans Holzhaider) und die taz (Andreas Speit). Die BerlZ (Christian Bommarius) schildert die Zeugenaussage einer Überlebenden und warum es sich bei den Einlassungen des Angeklagten nicht um ein Schuldgeständnis im juristischen Sinne handele.
StA Frankfurt (Oder) – "Maskenmann"-Prozess: Die Staatsanwaltschaft in Frankfurt (Oder) hat begonnen, die Zeugenaussagen im "Maskenmann"-Prozess auf Falschaussagen hin zu überprüfen, meldet spiegel.de.
Anzeige wegen BND-Spionage: Der österreichische Grünen-Abgeordnete Peter Pilz hat seine Anzeige wegen der Spionageaktivitäten des Bundesnachrichtendienstes nun auch auf Frank-Walter Steinmeier (SPD) und Thomas de Maizière (CDU) erweitert, weiß spiegel.de (Gerald Traufetter).
Porträt Johannes Masing: Das Bundesverfassungsgericht wird kommenden Dienstag über die Klage gegen das BKA-Gesetz verhandeln. Der Verfassungsrichter Johannes Masing ist Berichterstatter in diesem Verfahren. Aus diesem Grund widmet die Zeit (Heinrich Wefing) ihm ein ausführliches Porträt unter dem Titel "Prof. Freiheit". Dieses reicht von seinem akademischen Werdegang bis zu seinem Verfassungsverständnis, welches wohl auch in die Entscheidung zum BKA-Gesetz einfließen wird.
DFB-Sportgerichte – Ineffektive Geldstrafen: Fußballvereine des Deutschen Fußball-Bunds haften im Stadionbereich verschuldensunabhängig für ihre "Mitglieder, Anhänger und Zuschauer" – Höhe und Häufigkeit der Verbandsstrafen nehmen zu. lto.de (Marcel Schneider) erläutert die Zwickmühle der Vereine in solchen Fällen und warum die vom DFB beabsichtigte Abschreckungswirkung solcher Verbandsstrafen nicht wie geplant greift.
BVerfG zu § 175 StGB: Als "Schandurteil von Karlsruhe" bezeichnet der Rechtshistoriker Benjamin Lahusen in der Zeit eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1957. Die Karlsruher Richter hatten zwei Verfassungsbeschwerden gegen den damaligen § 175 des Strafgesetzbuchs, welcher Geschlechtsverkehr unter Männern kriminalisierte, abgelehnt. Der Beitrag erläutert ausführlich die historische Entwicklung der Rechte männlicher Homosexueller in Deutschland.
Recht in der Welt
Wien – Klage gegen Facebook: Das Wiener Landesgericht hat die Sammelklage des österreichischen Datenschutz-Aktivisten Max Schrems gegen Facebook als unzulässig abgewiesen. Schrems sei kein Verbraucher und dürfe somit nicht in seinem Heimatland klagen. Er müsste vielmehr in Irland gerichtlich gegen Facebook vorgehen, da das Unternehmen dort seinen Europasitz hat. Die Kläger wollen Rechtsmittel gegen die Entscheidung einlegen. Die taz (Svenja Bergt) schreibt über das Verfahren.
China – Sicherheitsgesetz: Das chinesische Parlament hat das Gesetz zum Schutz der nationalen Sicherheit verabschiedet. Die SZ (Kai Strittmatter) und spiegel.de (Bernhard Zand) stellen die umstrittenen Regelungen vor – Menschenrechtler kritisierten die Einschränkung von Bürgerrechten.
USA – NSA-Überwachung zugelassen: Das US-amerikanische Gericht, welches ausschließlich für Fälle des Foreign Intelligence Surveillance Act (FISA) zuständig ist, hat der NSA am vergangenen Montag wieder erlaubt, für einen Zeitraum von 180 Tagen Telefon-Metadaten von US-Bürgern zu sammeln. Diese Entscheidung widerspricht dem Urteil des Berufungsgerichts. Dieses hatte im Mai erklärt, das Sammeln besagter Daten sei nicht durch den US-Kongress legitimiert, schildert spiegel.de (meu).
Juristische Ausbildung
Belastungen im Juraexamen: "Vor dem Examen übergaben wir uns" – unter diesem Titel gibt eine ehemalige Jurastudentin zeit.de (Jasper Riemann) einen Einblick in ihre persönlichen Erfahrungen während der Examenszeit. Sie beschreibt insbesondere, wie sie und ihre Kommilitonen mit der psychischen Belastung, die sie erfuhren, umgegangen sind.
Sonstiges
Kurt Graulich als NSA-Sonderermittler: Die Bundesregierung hat sich auf den ehemaligen Richter am Bundesverwaltungsgericht Kurt Graulich als NSA-Sonderermittler geeinigt. spiegel.de (Annette Meiritz) spricht in einem ausführlichen Interview mit ihm über die Überwachung durch die NSA und die Rolle des Bundesnachrichtendienstes sowie über die auf ihn zukommende Tätigkeit.
Das Letzte zum Schluss
Uni kennt keine "Gender-Pflicht": Einige Universitäts-Lehrkräfte verpflichten ihre Student*innen dazu, in wissenschaftlichen Arbeiten gendersensible Sprache zu verwenden und drohen mit Punktabzug, wenn diese Vorgabe nicht erfüllt wird. So auch eine Dozentin der Technischen Universität Berlin. Einer ihrer Studierenden wollte sich dies jedoch nicht gefallen lassen und wandte sich an die Rechtsabteilung der Hochschule. Diese kam zu dem Schluss, dass es – entgegen der Ansicht der Lehrkraft – keine entsprechende "Vorgabe seitens der TU Berlin" gebe. justillon.de (Stephan Weinberger) weist auf die Feststellung der Rechtsabteilung hin.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/vb
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 2. Juli 2015: Reporter ohne Grenzen verklagt BND – Facebook-Klage abgelehnt – quälendes Examen . In: Legal Tribune Online, 02.07.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16065/ (abgerufen am: 02.05.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag