Vor dem Kammergericht Berlin wurde der Streit um den Zugang zum Facebook-Account einer Verstorbenen verhandelt. Außerdem in der Presseschau: Geheimdienste sollen Fotos bekommen und Facebook darf WhatsApp-Daten vorerst nicht nutzen.
Thema des Tages
KG Berlin – Virtuelles Erbe: Das Kammergericht Berlin hat im Streit zwischen Facebook und den Eltern eines verstorbenen Mädchens einen Vergleich vorgeschlagen. Die Eltern wollten Zugriff auf den Facebook-Account ihrer Tochter, um Hinweisen auf einen möglichen Suizid nachzugehen. Facebook versetzte den Account jedoch in einen Gedenkmodus und verweigerte unter Hinweis auf die Rechte von Kommunikationspartnern die Entsperrung. Im Gegensatz zum erstinstanzlichen Landgericht ordnete das Kammergericht den Facebook-Account nicht ohne weiteres dem Erbe zu. Auch sei das Sorgerecht der Eltern mit dem Tod der Tochter erloschen. Als Vergleich schlug es jedoch vor, dass Facebook die Chatverläufe mit geschwärzten Namen herausgibt. Den Fall schildern die FAZ (Hendrik Wieduwilt), die SZ (Verena Mayer) und lto.de.
Jost Müller-Neuhof (Tsp) hält das Anliegen der Eltern für legitim und eine Einigung für wünschenswert. Zugleich sei der Prozess eine Mahnung, dass bisher Facebook alles erbt, wenn keine Vorkehrungen getroffen werden.
Rechtspolitik
Kopftuchverbot für Richterinnen: Baden-Württemberg hat ein Gesetz beschlossen, mit dem Richtern das Tragen religiöser Symbole verboten wird. Das melden die FAZ (Rüdiger Soldt) und zeit.de. Mit dem Gesetz reagiert das Land auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg, das im letzten Jahr einer muslimischen Rechtsreferendarin recht gegeben hatte.
Zugriff auf Passfotos: Polizeibehörden und Geheimdienste sollen zur Gefahrenabwehr automatischen Zugriff auf die bei den Kommunen liegenden Passbilddateien bekommen. Das sieht ein Passus im geplanten "Gesetz zur Förderung des elektronischen Identitätsnachweises" vor, den die taz (Christian Rath) beleuchtet. Die Dateien könnten auch im Zusammenhang mit der biometrischen Gesichtserkennung interessant werden, die im Herbst getestet werden soll.
Elektronischer Personalausweis: zeit.de (Eike Kühl) beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit der geplanten Verpflichtung zur Aktivierung der Onlinefunktion des Personalausweises. Bisher werde der elektronische Personalausweis kaum genutzt. Datenschützer sehen den geplanten Zwang kritisch.
Privacy Shield: Das Europäische Parlament hat eine Resolution verabschiedet, in dem der "Privacy Shield" zum Schutz personenbezogener Daten im Verhältnis zwischen den USA und der Europäischen Union als unzureichend kritisiert wird. Damit sei die Zukunft der Vereinbarung zwischen der EU und den USA unsicherer denn je, so Rechtsanwalt Marc Störing in der FAZ. Wenn es scheitere, müssten europäische Unternehmen nach neuen Lösungen für den Datenexport in die USA suchen.
Justiz
VG Hamburg zu WhatsApp-Daten bei Facebook: Facebook darf die Daten von WhatsApp vorerst nicht nutzen. Das Verwaltungsgericht Hamburg hat einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gegen eine Anordnung des Hamburger Datenschutzbeauftragten abgelehnt. Die Daten müssten jedoch nicht gelöscht werden, entschied das Gericht laut FAZ (Hendrik Wieduwilt) und bild.de.
VGH Baden-Württemberg zu Asylbescheiden: Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat entschieden, dass die vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Asylbescheiden verwendeten Rechtsbehelfsbelehrungen unrichtig sind. Die Formulierung, dass die Klage "in deutscher Sprache abgefasst sein" müsse, könne so verstanden werden, dass die Einreichung zur Niederschrift des Urkundsbeamten in der Geschäftsstelle nicht möglich sei. Jetzt haben die Betroffenen eine längere Klagefrist von einem Jahr, wie lto.de (Tanja Podolski) meldet.
BGH – Vorgetäuschte Polizeikontrollen: Am heutigen Mittwoch entscheidet der Bundesgerichtshof, ob Erkenntnisse aus einer legendierten Polizeikontrolle verwertbar sind. Die Polizei hatte eine Verkehrskontrolle vorgetäuscht und sich dabei auf das Polizeigesetz berufen, um zu vermeiden, dass ein Hintermann vorgewarnt wird. Die Verteidigung sieht darin eine unzulässige Umgehung des Richtervorbehalts der Strafprozessordnung. Jost Müller-Neuhof (Tsp) befürchtet eine Vermischung von Wahrheit und Legende und wünscht ein grundsätzliches Urteil.
LG Bonn – Tod von Niklas P.: Die Staatsanwaltschaft hat im Prozess um den Tod des 17-jährigen Niklas P. überraschend einen Freispruch gefordert. Es sei nicht auszuschließen, dass ein anderer Mann, der dem Angeklagten ähnlich sieht, den Jugendlichen angegriffen habe. Diese Unsicherheit habe sich aber erst bei der Vernehmung des Hauptbelastungszeugen ergeben, so der Staatsanwalt laut Welt (Kristian Frigelj) und spiegel.de.
OLG Düsseldorf zu Loveparade: community.beck.de (Henning Ernst Müller) analysiert den Beschluss des Düsseldorfer Oberlandesgerichts von diesem Montag, mit dem es das Verfahren gegen Verantwortliche der Loveparade eröffnet hat.
Gerichte und Populismus: Der Soziologe Andrew Arato untersucht auf verfassungsblog.de die Rolle von Gerichten in populistisch regierten Staaten. Als Strategie gegen antidemokratische Tendenzen schlägt er ein Zusammenspiel von Zivilgesellschaft und Gerichten vor.
Recht in der Welt
EuGH – Central European University in Budapest: Weil die ungarische Regierung mit einem Gesetz die Central European University in Budapest bedroht, erwägt die Europäische Kommission, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn einzuleiten. Das schreibt die SZ (Daniel Brössler).
Sonstiges
Unterlagen zu Drohnenstützpunkt: Das Auswärtige Amt hat die Herausgabe von Dokumenten zur US-Basis Ramstein abgelehnt. Das meldet netzpolitik.org (Constanze Kurz) in eigener Sache. Das Onlinemagazin hatte Unterlagen zur juristischen Prüfung der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit Deutschlands für US-Drohnen-Angriffe verlangt.
Cyberangriffe: Bei der Frage, wie sich der Staat gegen Hackerangriffe wehren kann, sucht die SZ (Ronen Steinke) nach Parallelen zur analogen Verbrechensbekämpfung. Gestohlene Daten könnten zerstört, Tatwerkzeuge unschädlich gemacht werden. Bei Strafaktionen sei hingegen auch im Äußeren die Unschuldsvermutung zu beachten.
RAF in Stammheim: Der ehemalige Generalbundesanwalt Kay Nehm kritisiert auf lto.de die Dokumentation "Stammheim – Die RAF vor Gericht", die am Montag im Ersten ausgestrahlt wurde. Die Rolle der Verteidigung werde in dem Film beschönigt.
Konzerninsolvenzen: Der Insolvenzverwalter Lucas F. Flöther stellt in der FAZ die Änderungen durch das jüngst beschlossene "Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen" vor. Die Reform sieht unter anderem einen Gruppen-Gerichtsstand, verschiedene Kooperationspflichten und ein Koordinationsverfahren vor. Ein zentraler Insolvenzverwalter wurde jedoch nicht als Regel eingeführt.
EU-Anti-Korruptionsbericht: Kommissions-Vize-Präsident Frans Timmermans hat die Fortsetzung des EU-Antikorruptionsberichts ausgesetzt. Stattdessen soll das Thema im Rahmen des Europäischen Semesters erörtert werden. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin Cornelia Spörl kritisiert auf lto.de die Entscheidung. Der Bericht habe sich durch seine besondere Schlagkraft ausgezeichnet. Man könne davon ausgehen, dass die Kommission unter dem Druck einzelner Mitgliedstaaten eingeknickt sei.
Fischer zu Habgier: In seiner Kolumne auf zeit.de beschäftigt sich Bundesrichter Thomas Fischer anlässlich des Anschlags auf den Dortmunder Mannschaftsbus mit dem Mordmerkmal der Habgier.
Vertrauen in Europa: Rechtsprofessor Armin von Bogdandy untersucht auf verfassungsblog.de die Krise der Europäischen Union aus einer Vertrauensperspektive. Er kommt zu dem Ergebnis, dass Europa nicht in einer Krise stecke, die einen Bruch mit dem bisherigen Pfad europäischer Rechtsstaatlichkeit notwendig erscheinen lasse.
Peter Lohse: Das Hbl (Katharina Schneider) portraitiert den Juristen Peter Lohse, der beim Vermögensverwalter Blackrock gekündigt hat, um zusammen mit dem Softwareunternehmen Fincite ein Projekt namens "Lexcube" zu starten. Das Unternehmen will Kunden aus der Finanzbranche im Umgang mit komplexen rechtlichen Regeln unterstützen.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/dw
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 26. April 2017: Streit um virtuelles Erbe / Passfotos zur Gefahrenabwehr / WhatsApp-Daten bei Facebook . In: Legal Tribune Online, 26.04.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22750/ (abgerufen am: 05.05.2024 )
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