Die Bundesanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts der Spionage durch türkische Geheimdienstmitarbeiter. Außerdem in der Presseschau: BAG bestätigt durch Betriebsrat erwirkte Kündigung und im NSU-Prozess streiten sich die Verteidiger.
Thema des Tages
GBA – Türkische Spionage: Die Bundesanwaltschaft hat Ermittlungen wegen des Verdachts der Spionagetätigkeit türkischer Geheimdienstmitarbeiter eingeleitet. Zuvor hatten deutsche Behörden ein Amtshilfeersuchen des türkischen Geheimdienstes abgelehnt und stattdessen die Betroffenen gewarnt. Es berichten die SZ (Georg Mascolo und die taz (Daniel Bax).
Heribert Prantl (SZ) sieht in dem Vorgehen des türkischen Geheimdienstes einen Verstoß gegen die deutsche Souveränität. Deutschland habe eine Schutzpflicht auch gegenüber hier lebenden Bürgern mit türkischen Wurzeln.
Rechtspolitik
Alterspräsident des Bundestags: Die Regierungsfraktionen haben sich laut FAZ (Günter Bannas) und spiegel.de darauf verständigt, dass in Zukunft nicht mehr der lebensälteste, sondern der dienstälteste Abgeordnete Alterspräsident des Bundestags sein soll. Zuvor waren Befürchtungen laut geworden, dass die AfD im nächsten Bundestag den Alterspräsidenten stellen werde.
Jasper von Altenbockum (FAZ) kritisiert in einem Kommentar die "Lex AfD". Der Bundestag begebe sich auf das Niveau derer, "die er bekämpfen will".
Ehe für alle: Die SPD will nach einer Meldung der SZ (Constanze von Bullion) noch vor der Wahl die Ehe für homosexuelle Paare öffnen. Das Thema soll im heute tagenden Koalitionsausschuss behandelt werden. Dass die Union zustimmen wird, gilt als unwahrscheinlich. In einem separaten Kommentar begrüßt Constanze von Bullion (SZ) zwar eine entsprechende Änderung, bezeichnet die ihrer Meinung nach viel zu spät kommende Initiative der SPD aber als scheinheilig.
Gewalt gegen Beamte: Die Bundesregierung plant nicht, die Straftatbestände zum Schutz von Vollstreckungsbeamten auf andere Berufsgruppen auszuweiten und verweist zur Begründung auf die allgemeinen Strafvorschriften. Laut der Grünen-Politikerin Irene Mihalic verdeutlicht das, dass auch für Polizeibeamte der bisherige Schutz ausreichte. Es sei ein Fehler, Wertschätzung über das Strafgesetzbuch auszudrücken, wird die Politikerin von der FAZ (Reinhard Müller) zitiert.
Managergehälter: Der Rechtsanwalt Georg Roderburg kritisiert in der FAZ die Pläne der SPD, die steuerliche Absetzbarkeit von sehr hohen Gehältern einzuschränken. Die Maßnahme sei ein "steuerrechtlicher Systembruch": Mit dem Abzugsverbot werde ein betrieblich gebotenes Verhalten bestraft, nur weil die SPD dieses Verhalten für politisch unangemessen halte. Mit sozialer Marktwirtschaft habe dies wenig zu tun.
Autonomes Fahren: Ein Änderungsantrag der Regierungskoalition sieht größere Freiheiten für Autofahrer vor, die mit sogenannten Assistenzsystemen fahren. Sie sollen sich laut dem Antrag auch von der Straße abwenden dürfen, etwa um E-Mails zu schreiben. Das berichtet die FAZ (Kerstin Schwenn/Roland Lindner). Im Interview mit lto.de (Constantin van Lijnden) beschreibt der Strafrechtler Eric Hilgendorf die Arbeit der Ethikkommission zum autonomen Fahren und äußert sich grundsätzlich positiv dazu, dass sich Fahrer bei "bestimmungsgemäßer Verwendung" des Systems abwenden dürfen. Was das genau bedeutet, werde die Rechtsprechung klären.
Justiz
EuGH zu Sanktionen gegen russische Unternehmen: Die im Zuge des Ukraine-Konflikts von der Europäischen Union verhängten Sanktionen gegen russische Unternehmen verstoßen nicht gegen Unionsrecht. Das hat der Europäische Gerichtshof nach Meldungen der FAZ (Marcus Jung) und von lto.de entschieden. Der russische Ölkonzern Rosneft hatte vor einem britischen Gericht geklagt und sich auf seine unternehmerische Freiheit berufen.
BAG zu Kündigungverlangen des Betriebsrats: Das Bundesarbeitsgericht hat eine Kündigung bestätigt, die vom Betriebsrat gerichtlich erstritten wurde. Der Betriebsrat hatte nach mehreren Zwischenfällen gemäß § 104 Betriebsverfassungsgesetz die Kündigung der Arbeitnehmerin gefordert und damit vor Gericht Erfolg. Als der Arbeitgeber dem Urteil nachkam, wehrte sich die Arbeitnehmerin, war aber nur teilweise erfolgreich. Zwar sei die fristlose Kündigung unwirksam, die hilfsweise ordentliche fristlose Kündigung sei jedoch rechtmäßig ergangen. Insoweit entfalte das vom Betriebsrat erstrittene Urteil, in dessen Verfahren die Arbeitnehmerin beteiligt wurde, eine präjudizielle Wirkung, so das Bundesarbeitsgericht. Den Fall schildern die SZ (Detlef Esslinger), die FAZ (Hendrik Wieduwilt) und community.beck.de (Markus Stoffels). Auf lto.de analysiert Rechtsprofessor Michael Fuhlrott das Urteil.
VG Schleswig zu Dieselautos: Die Umweltschutzorganisation BUND ist mit einem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gescheitert, mit dem sie das Kraftfahrt-Bundesamt verpflichten wollte, den Verkauf von Dieselautos zu verbieten. Das Gericht argumentierte, dass das Unionsrecht ein solches Verkaufsverbot nicht zulasse. Außerdem gebe es bereits Abgastestmethoden für Fahrzeuggenehmigungen. Den Rechtsstreit schildert die FAZ (Martin Gropp).
EuGH – Dublin-Verordnung: Der Europäische Gerichtshof prüft, ob Flüchtlinge, die 2015 und 2016 nach Österreich und Slowenien einreisten, nach Kroatien abgeschoben werden können. Fraglich ist dabei, ob der geduldete Grenzübertritt nach Kroatien eine illegale Einreise im Sinne der Dublin-Verordnung gewesen sei. Es gehe also um die "rechtliche Beurteilung der Praxis des Durchwinkens", zitiert die SZ (Wolfgang Janisch) einen Vertreter der EU-Kommission.
OLG München – NSU-Prozess: Im NSU-Prozess ist der Streit zwischen den diversen Verteidigern der Hauptangeklagten Beate Zschäpe eskaliert. Nachdem die Verteidiger Sturm, Heer und Stahl erneut ihre Entlassung beantragt hatten, haben die weiteren Verteidiger Hermann Borchert und Mathias Grasel die dabei erhobenen Vorwürfe in einem Schreiben an das Gericht als "Unverschämtheit" zurückgewiesen. Außerdem hätten die Kollegen ihre Schweigepflicht verletzt. Über den Konflikt schreiben die SZ (Wiebke Ramm) und die taz (Konrad Litschko).
Annette Ramelsberger (SZ) äußert Verständnis für den Unmut der Pflichtverteidiger. Auf das Urteil müssten sie trotzdem warten: "Die Angeklagte wird in Haft kommen, ihren Verteidigern verheißt es die Freiheit."
blog.zeit.de (Tom Sundermann) wirft einen Blick auf den kommenden Abschluss des Verfahrens. Wann es ende, sei noch nicht abzusehen. Nach Ende der Hauptverhandlung ergehe aber sehr bald das Urteil.
LG Frankfurt/Main – S&K-Prozess: Am heutigen Mittwoch wird das Landgericht Frankfurt am Main sein Urteil im Prozess gegen die Gründer der Immobiliengruppe S&K verkünden. Nach einer Verständigung zwischen Gericht, Staatsanwalt und Verteidigung werden die Hauptangeklagten voraussichtlich wegen Untreue in besonders schweren Fällen zu Freiheitsstrafen zwischen achteinhalb und neuneinhalb Jahren verurteilt. Die FAZ (Marcus Jung) geht davon aus, dass das Gericht nicht von dieser Zusage abweichen wird, und stellt den Vorsitzenden Richter Alexander El Duwaik vor.
Recht in der Welt
EGMR zu Flüchtlingen in Ungarn: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat eine einstweilige Verfügung gegen die Internierung von acht Jugendlichen und einer schwangeren Frau in einem Lager für Asylbewerber erlassen. Die ungarische Regierung reagiert laut SZ (Cathrin Kahlweit) empört.
In einem separaten Kommentar bezeichnet Cathrin Kahlweit (SZ) die Reaktionen als entlarvend. Der Straßburger Gerichtshof zeige auf, dass sich Viktor Orbán längst aus der Wertegemeinschaft verabschiedet habe, die er zu retten vorgebe.
Vereinigtes Königreich – EU-Austrittsverfahren: Die britische Premierministerin Theresa May hat am Dienstagabend ihre Unterschrift unter den Brief gesetzt, mit dem der Austritt aus der Europäischen Union eingeleitet werden soll. Das meldet zeit.de.
USA – Germanwings-Katastrophe: Ein US-amerikanisches Gericht hat die Klage von Hinterbliebenen der Germanwings-Katastrophe vorerst abgewiesen. Das Gericht erteilte jedoch die Auflage, den Rechtsstreit in Deutschland auszutragen. Die Opferangehörigen verlangen von der Lufthansa-Flugschule Entschädigung, wie lto.de (Pia Lorenz) schreibt.
USA – Trumps Eid: Die FAZ (Patrick Bahners) beschäftigt sich mit dem Eid, den Donald Trump bei seinem Amtsantritt geleistet hat. Dabei wird auf Beiträge des Blogs "Lawfare" eingegangen, in denen die These aufgestellt wird, dass US-amerikanische Richter nicht mehr von der Rechtlichkeit des Regierungshandelns ausgehen, wofür der Eid eigentlich die formale Gewähr bieten würde.
Indien – Supreme Court: Die FAZ (Alexandra Kemmerer) berichtet von einem Vortrag, den die indische Anwältin und Wissenschaftlerin Menaka Guruswamy gehalten hat. Sie sieht den "gerichtlichem Aktivismus" des indischen Supreme Court als Ausdruck des Scheiterns des politischen Systems in Indien.
Polen – Justizreform: In einem (englischsprachigen) Beitrag auf verfassungsblog.de beleuchten die Juniorprofessorin Anne Sanders und die wisschenschaftliche Hilfskraft Luc von Danwitz die geplante Justizreform Polens. Die Reform des für die Auswahl von Richtern zuständigen Richterrates verstoße gegen europäische Standards und werfe ein fragwürdiges Licht auch auf die deutschen Regeln.
Türkei – Verfassungsreform: Worum es bei dem inzwischen begonnenen Referendum über die Reform der türkischen Verfassung genau geht, erklären die SZ (Mike Szymanski), die Welt (Boris Kalnoky) und spiegel.de (Almut Cieschinger u.a.).
Isolationismus: Die Wahl von Donald Trump führe nicht zu einer Rückkehr des klassischen Völkerrechts mit seinem Interventionsverbot. Zu diesem Ergebnis kommt Maximilian Lakitsch auf juwiss.de und verweist auf gegenläufige Indizien aus der US-Politik, die historischen Grundlagen und den Alltag der UN-Friedensmissionen.
Sonstiges
Auslieferung von Edward Snowden: Die Bundesregierung gibt keine klare Antwort auf die Frage, ob sie verpflichtet wäre, Edward Snowden an die USA auszuliefern. Zwar habe das Bundesjustizministerium auf Nachfragen Antworten von den USA bekommen, diese seien jedoch vertraulich. Rechtlich gehe es um die Frage, ob Snowdens Geheimnisverrat als "politisches Delikt" anzusehen sei, so die taz (Christian Rath).
Unternehmenssanierung: Der Rechtsanwalt Georg Bernsau beschäftigt sich in der FAZ mit den vor fünf Jahren eingeführten Eigenverwaltungs- und Schutzschirmverfahren, bei dem insolvente Unternehmen nicht abgewickelt werden, sondern saniert werden können. Dies stelle eine echte Alternative dar, jedoch seien auch Probleme, etwa bei Verpflichtungen gegenüber dem Fiskus, zu beachten.
Zukunft der EU: Die FAZ (Thomas Thiel) berichtet vom Frankfurter Hallstein-Kolloquium, das sich mit Zukunftsfragen der Europäischen Union beschäftigt hat. Der Völkerrechtler Armin von Bogdandy habe auf einen Widerspruch zwischen den Vorbehalten osteuropäischer Staaten und dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens hingewiesen. Der Rechtswissenschaftler Axel Flessner habe eine demokratisch zweifelhafte europäischen Rechtssuprematie konstatiert.
Das Letzte zum Schluss
Klax mahnt Klex ab: Ein Berliner Kita-Betreiber namens Klax hat die 5.000-Einwohner-Gemeinde Kirchheim am Neckar abgemahnt, weil diese eine Kita mit dem Namen Klex betreibt. Klex soll jetzt in Klecks unbenannt werden. info.legal-patent.com untersucht die zugrunde liegenden markenrechtlichen Probleme.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/dw
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 29. März 2017: Ermittlungen wegen türkischer Geheimdienstarbeit / Betriebsrat verlangt Kündigung / Streit im NSU-Prozess . In: Legal Tribune Online, 29.03.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22506/ (abgerufen am: 02.05.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag