Das LG München II hat das Urteil gegen Uli Hoeneß auf 50 Seiten veröffentlich. Außerdem in der Presseschau: Europäische Flüchtlingspolitik, Gesetzentwurf zur Tarifeinheit, Pkw-Maut, BVerwG zu Beamtenbesoldung, LG Würzburg zum Autobahnschützen, EGMR zu politischem Protest, Inzestverbot kritisiert und welche Gefahren an Halloween lauern.
Thema des Tages
LG München – Hoeneß-Urteil: Sieben Monate nach der Verurteilung von Uli Hoeneß zu dreieinhalb Jahren Haft wegen Hinterziehung von 28,5 Millionen Euro hat das Landgericht München II* nun die 50-seitige Begründung veröffentlicht. Die FAZ (Joachim Jahn), zeit.de (Michael Brehme/Britta Schultejans) und spiegel.de (Björn Hengst) fassen die Urteilsbegründung zusammen. Das Gericht gehe davon aus, dass Hoeneß die Selbstanzeige getätigt habe, weil er wegen bevorstehender Presseveröffentlichungen "getrieben von Angst" gewesen sei. Trotz der unwirksamen Selbstanzeige habe das Gericht sie aber strafmildernd berücksichtigt und in Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs keinen besonders schweren Fall angenommen. Zu seinen Gunsten sei berücksichtigt worden, dass die Ermittlungen ohne seine Angaben nicht mit dem gleichen Erfolg hätten geführt werden können. Zuletzt habe Hoeneß rückhaltlos kooperiert und sich geradezu "ans Messer geliefert". Ferner führe die Begründung aus, dass das Urteil nicht durch eine Absprache mit der Strafverteidigung zustande gekommen sei.
Rechtspolitik
Ceta-Abkommen: Die taz (Lisa Schnell) und sueddeutsche.de (Silvia Liebrich) stellen das von Professor Andreas Fischer-Lescano und seinem Mitarbeiter Johan Horst verfasste Rechtsgutachten zum Ceta-Abkommen vor. Das Abkommen verstoße gegen das EU-Recht, weil die vorgesehenen Schiedsgerichte auch über EU-Recht entscheiden sollen, was ausschließlich dem Europäischen Gerichtshof vorbehalten sei. Ferner sei das Abkommen auch wegen eines Verstoßes gegen die im Grundgesetz verankerte Garantie der kommunalen Selbstverwaltung rechtswidrig.
Flüchtlingspolitik: Heribert Prantl (SZ) plädiert für eine grundlegende Änderung der europäischen Flüchtlingspolitik. Hierfür stellt der Autor einen 10-Punkte-Plan vor. Unter anderem soll das auf "Flüchtlingsabwehr" ausgelegte Dublin-System abgeschafft und durch das Prinzip der freien Wahl ersetzt werden. Zudem sollen die Asylverfahren für Flüchtlinge aus extrem unsicheren Staaten vereinfacht werden, der Bund sich bei der Finanzierung der Flüchtlingsheime beteiligen, bessere Wohnbedingungen geschaffen und die Einschulung von Flüchtlingskindern erleichtert werden.
Tarifeinheit: Den von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) am Dienstag vorgestellten Gesetzentwurf zur Tarifeinheit bespricht Professor Hermann Reichold auf lto.de. Eine nach dem Mehrheitsprinzip auflösungsbedürftige Tarifpluralität soll lediglich bei Überschneidungen der Geltungsbereiche verschiedener Tarifverträge in einem Betrieb gelten. Der neue § 4a des Tarifvertragsgesetzes werde zudem erst greifen, wenn die Tarifkollisionen nicht anders gelöst werden können. Verfassungsrechtlichen Bedenken werde durch ein sogenanntes Nachzeichnungsrecht begegnet: Die unterlegene Gewerkschaft könne "einen inhaltsgleichen Tarifvertrag vom Arbeitgeber als 'eigenen' Abschluss verlangen". Unter diesen Voraussetzungen würde der zuletzt geführte Streik der GDL eine unverhältnismäßige Arbeitskampfmaßnahme darstellen.
Pkw-Maut: Am gestrigen Donnerstag hat Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) den Gesetzentwurf zur Einführung der Pkw-Maut vorgelegt. Unter anderem die taz (Richard Rother) stellt die Pläne vor und berichtet, dass EU-Verkehrskommissar Siim Kallas seine Zustimmung signalisiert habe, Österreich jedoch klagen wolle. Die FAZ (Helene Bubrowski/Michael Stabenow) diskutiert in einem separaten Schaukasten, ob die Einführung der Maut und die geplante Kfz-Steuererleichterung für deutsche Kraftfahrer gegen das Diskriminierungsverbot und damit gegen EU-Recht verstoße.
Gewaltbereite Hooligans: Nach den jüngsten Hooligan-Ausschreitungen in Köln werden rechtliche Konsequenzen erwogen. Wie focus.de meldet, haben Unionspolitiker vorgeschlagen, den Hooligans die Pässe zu entziehen oder eine spezielle Kennzeichnung von "Hooligan-Personalausweisen" einzuführen. Die Gewerkschaft der Polizei befürworte dagegen eine Verschärfung des Versammlungsrechts und die Einführung von Meldeauflage, stellt lto.de dar.
* Anm. d. Red.: Auf den Hinweis eines Lesers hin nachträglich präzisiert, dass es sich um das LG München II handelt, am 31.10.2014 um 12:58 Uhr.
Justiz
BVerwG zu Beamtenbesoldung: Wie spiegel.de meldet, hat das Bundesverwaltungsgericht am gestrigen Donnerstag die Zahlungsansprüche von Beamten wegen unzulässiger altersabhängiger Besoldung in begrenzter Höhe anerkannt. Geklagt hatten Beamte aus Sachsen und Sachsen-Anhalt, wo die Besoldung bis zur Anpassung an das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ausschließlich an das Alter anknüpfte und damit die jüngeren Beamten benachteiligte, wie der Europäische Gerichtshof im Juni entschied. Das BVerwG beschränkte die Entschädigungsansprüche auf 100 Euro pro Monat und auf den Zeitraum zwischen Inkrafttreten des AGG und der Einführung unionsrechtskonformer Besoldungsvorschriften in den Ländern.
LG Würzburg zum Autobahnschützen: Das Landgericht Würzburg hat den Autobahnschützen Michael K. am gestrigen Donnerstag zu einer Haftstrafe von zehneinhalb Jahren unter anderem wegen versuchten Mordes in vier Fällen verurteilt. Der Mann hatte aus seinem Lkw heraus über 700 Mal auf andere fahrende Autos geschossen. spiegel.de (Benjamin Schulz) und die FAZ (Jonas Jansen) stellen den Fall und die Begründung des Richters dar. Die Verteidigung habe angekündigt, wegen des Kennzeichenabgleichs, mit dessen Hilfe K. gefasst worden war, in Revision zu gehen.
LAG Hamm zu Unterschriftenliste: Ein Arbeitnehmer hat sich im Betrieb für die Einführung einer 35-Stunden-Woche eingesetzt und hierfür Unterschriften unter den Kollegen gesammelt. Daraufhin kündigte ihm der Arbeitgeber außerordentlich. Das Landesarbeitsgericht Hamm hat im Juli dieses Jahres entschieden, dass die Unterschriftenaktion keine Vertragspflichtverletzung darstellt, solange sie "einen gewissen zeitlichen Rahmen nicht überschreitet, die Arbeitsleistung nicht darunter leidet und der Arbeitsablauf nichts ins Stocken gerät". Das meldet blog.beck.de (Christian Rolfs).
OLG Karlsruhe zu Kachelmann: Laut lto.de darf der Wettermoderator Jörg Kachelmann seine ehemalige Partnerin Claudia D., die ihn wegen Vergewaltigung angezeigt hatte, nicht als "Kriminelle" bezeichnen; erlaubt sei dagegen die Bezeichnung "Falschbeschuldigerin". Kachelmann war 2011 in dubio pro reo vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen worden und hat Claudia D. daraufhin falsche Beschuldigung vorgeworfen.
AG Brandenburg zu Wohnungsschlüssel: Schickt ein Mieter den Wohnungsschlüssel nach Auszug aus der Wohnung per Einschreiben an den Vermieter und kommt der Umschlag leer an, trägt der Mieter das Versandrisiko. Das entschied das Amtsgericht Brandenburg mit Urteil vom 1. September, schildert lawblog.de (Udo Vetter).
OLG Frankfurt – Kreshnik B.: Die SZ (Susanne Höll) berichtet vom vierten Prozesstag gegen den 20-jährigen Kreshnik B., der wegen Mitgliedschaft in der terroristischen Vereinigung "ISIS" vor dem Oberlandesgericht Frankfurt angeklagt ist. Nach seinem Geständnis vom 10. Oktober ging es diesmal um die Motive des Angeklagten, sich der Terrormiliz anzuschließen und seinen konkreten Einsatz in Syrien.
LG Köln – Kohl-Zitate: Am gestrigen Donnerstag verhandelte das Landgericht Köln über den Rechtsstreit zwischen Altkanzler Helmut Kohl und seinem ehemaligen Biografen Heribert Schwan, dem die Verwendung von über 100 Zitaten in seiner Kohl-Biografie untersagt werden soll. Das Gericht habe angedeutet, dass es den Anträgen Kohls womöglich stattgeben werde, meldet spiegel.de. Die Entscheidung wurde für den 13. November angekündigt.
LG Essen - Middelhoff: Im Untreueprozess gegen den früheren Arcandor-Chef Thomas Middelhoff vor dem Landgericht Essen hat die Staatsanwaltschaft das Plädoyer gehalten, berichten das Handelsblatt (Massimo Bognanni) und die SZ (Kirsten Bialdiga). Wegen Untreue in 44 Fällen und Steuerhinterziehung in drei Fällen forderten die Ankläger eine Haftstrafe von drei Jahren und drei Monaten.
Recht in der Welt
EGMR zu Inhaftierung: Im Fall Shvydka v. Ukraine hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschieden, dass eine Inhaftierung wegen eines politischen Protests für zehn Tage eine übertriebene Maßnahme darstellt, meldet die SZ. Shvydka hatte im Protest gegen den ehemaligen Präsidenten Janukowitsch ein Band von einem Gedenkkranz gerissen und wurde wegen Hooliganismus für zehn Tage unter Arrest gestellt. Die Maßnahme habe gegen das Recht auf Meinungsäußerung verstoßen, entschied das Gericht.
Sonstiges
Inzestverbot: Die SZ (Christina Berndt) schildert ausführlich den Fall eines Paares, das wegen Verstoßes gegen das Inzestverbot angeklagt worden ist. Neben der Darstellung des Falles wird die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte erwähnt und die Stellungnahme des Ethikrats gegen die Strafbarkeit von konsensuellem Geschlechtsverkehr unter volljährigen Verwandten dargestellt.
Interview mit Juli Zeh: Die SZ (Verena Mayer) führt ein ausführliches Interview mit Juli Zeh. Neben ihrer Schriftstellerinkarriere und dem politischen Engagement kommt auch ihre Zeit als Rechtsreferendarin zur Sprache. Außerdem kritisiert Zeh den Wandel "von einem freiheitlich orientierten Gemeinwesen zu einer höheren Sicherheitskultur".
Der europäische Haftbefehl: Anhand des Falles von Julian Assange kritisiert Wolfgang Kaleck in seinem Blog auf zeit.de den Europäischen Haftbefehl. Diese vereinfachte Möglichkeit zur Überstellung von Verdächtigen werde von EU-Staaten mittlerweile auch bei Straftaten ohne Terrorbezug eingesetzt. Den Betroffenen werde die Rechtsdurchsetzung dagegen oft erschwert.
Das Letzte zum Schluss
Polizei warnt vor Halloween: Während die bayerische Polizei vor Sprengungen von Briefkästen zu Allerheiligen warnt, ist das Tragen von Clownskostümen an Halloween in einer französischen Gemeinde ganz untersagt worden, wo eine Gruppe von verkleideten Clowns seit Tagen die Bevölkerung mit Waffenattrappen terrorisiert. In den USA hat die Polizei dagegen Sorge vor Cannabisprodukten in Süßigkeiten und hat ein Aufklärungsvideo für Eltern herausgebracht. Das meldet spiegel.de.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ms
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
* Anm. d. Red.: Auf den Hinweis eines Lesers hin nachträglich präzisiert, dass es sich um das LG München II handelt, am 31.10.2014 um 12:58 Uhr.
Die juristische Presseschau vom 31. Oktober 2014: Hoeneß-Urteil veröffentlicht – Autobahnschütze verurteilt – Gefahrvolles Halloween . In: Legal Tribune Online, 31.10.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13663/ (abgerufen am: 04.05.2024 )
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