Bundesjustizminister Heiko Maas hat Edward Snowden aufgefordert, in die USA zurückzukehren. Außerdem in der Presseschau: Nullrunde für Rentner, Ermittlungen im Kosovo, Schutz für Whistleblower, Die Zeit vs. ZDF, und wie man sein Erbe im Nachtclub schonend ausgibt.
Thema des Tages
Maas - Ami Go Home: Bundesjustizminister Heiko Maas hat Edward Snowden dazu aufgefordert, in die USA zurückzukehren, obwohl er dort mit Haftbefehl gesucht wird. Es berichten die taz (Konrad Litschko) und netzpolitik.org (Anna Biselli).
Die FR (Holger Schmale) beschäftigt sich mit der scharfen Kritik an den Äußerungen von Maas durch Linkspartei ("Zynismus"), Grüne ("Blockade des NSA-Ausschusses") und Reporter ohne Grenzen.
Heribert Prantl (SZ) kommentiert, die EU bezeichne sich als Raum der Freiheit, sei tatsächlich aber ein "Raum der Feigheit". Es brauche viel weniger Zivilcourage von Maas, um Snowden aufzunehmen, als für Snowden, um die Verfolgungsmaßnahmen der US-Justiz über sich ergehen zu lassen.
Rechtspolitik
EU – Schutz für Whistleblower: netzpolitik.org (Kirsten) stellt eine Initiative der EU-Ombudsfrau (Bürgerbeauftragten) Emily O’Reilly vor, die sich für einen verbesserten Schutz von Whistleblowern ausgesprochen hat. Insbesondere beim Kampf gegen Korruption in Unternehmen seien Whistleblower unverzichtbar.
Klagerecht von Umweltverbänden: Auf der Rechtseite der FAZ kritisiert der Rechtsanwalt Wolf Spieth die "neue Macht der Umweltverbände", deren Rechte durch die europäischen Gerichte immer weiter ausgeweitet worden seien. Die Besserstellung von Verbänden gegenüber dem einzelnen Bürger verstoße gegen die Grundprinzipien des deutschen Verwaltungsstreitverfahrens.
Spruchverfahren für Aktionäre: Ebenfalls auf der Rechtseite der FAZ befasst sich die Rechtsanwältin Petra Mennicke mit überlangen Schiedsgerichtsverfahren, in denen überprüft wird, ob Aktionäre angemessene Entschädigungen erhalten haben. Zwar sei 2003 das entsprechende Gesetz reformiert worden, jedoch seien Bewertungskriterien zu komplex und Verfahrensrechte zu unpräzise ausgestaltet, um zu zeitnahen Entscheidungen zu kommen.
Justiz
BVerfG zu Rentnern: Das Bundesverfassungsgericht gesteht dem Gesetzgeber einen großen Entscheidungsspielraum bei der jährlichen Anpassung der Renten zu. Das Gericht wies eine Klage ab, die sich gegen die Renten-Nullrunde des Jahres 2005 richtete. Auch die Zusatzbelastung durch erhöhte Krankenkassenbeiträge sei hinzunehmen gewesen, beide Schritte hätten einem gewichtigen öffentlichen Anliegen, der Finanzierbarkeit der Renten, gedient. Es berichten FAZ (Kerstin Schwenn/Joachim Jahn) im Wirtschaftsteil und SZ (Wolfgang Janisch).
BVerfG – Bankenunion: Donata Riedel (Handelsblatt) kritisiert die Kläger, die vor dem Bundesverfassungsgericht eine europäische Bankenunion verhindern wollen. Ein "Totaltransfer" der Verantwortlichkeiten auf die Europäische Zentralbank, wie von Markus Kerber behauptet, liege nicht vor, es handele sich lediglich um – notwendige – Kooperation innerhalb der EU. "Der Reflex zu klagen" mit dem Ziel, den Euro zu zerstören, führe zu einer falschen Wahrnehmung der finanzpolitischen Maßnahmen der EU.
BGH zur Postbank-Übernahme: Der Bundesgerichtshof (BGH) hat ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Köln aufgehoben. Das OLG hatte die Klage des Düsseldorfer Effektenspiegel auf eine erhöhte Nachschlagszahlung durch die Deutsche Bank an die Minderheitsaktionäre der früheren Postbank abgewiesen. In seiner Entscheidung hält der BGH das Argument, die Deutsche Bank habe beim Kauf der Postbank das Übernahmegesetz bewusst umgangen, für ausdrücklich vertretbar. Die Deutsche Bank hatte die Anteile der Postbank gestückelt übernommen und konnte dadurch die Abgabe eines Pflichtangebots für die Minderheitsaktionäre vermeiden. Sollten diese Anspruch auf einen Nachschlag haben, könnte das die Deutsche Bank bis zu 1,6 Milliarden Euro kosten. Es berichten FAZ (Joachim Jahn), Die Welt (Sebastian Jost) und spiegel.de.
BGH zur Speicherung von IP-Adressen: lawblog.de (Udo Vetter) stellt eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs vor. Die Telekom darf die IP-Daten ihrer Kunden bis zu sieben Tage lang speichern, auch wenn sie einen Flatrate-Vertrag haben. Ausreichend sei, dass ein Provider die Daten zumindest vorübergehend zur Verfügung haben müsse, um Störungen zu beseitigen.
StA Bochum – UBS zahlt 300 Millionen: Die Schweizer Bank UBS zahlt 300 Millionen Euro Geldbuße und die Staatsanwaltschaft Bochum stellt die Ermittlungen wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung ein. Das Landgericht Bochum hat eine entsprechende Absprache bestätigt. Auch die Verfahren gegen einzelne Mitarbeiter werden nicht weiter verfolgt. In Gang gekommen war das Verfahren durch den Ankauf einer CD mit Steuerdaten durch deutsche Steuerfahnder. Es berichten FAZ (Joachim Jahn/Hanno Mußler) und das Handelsblatt (Torsten Alich).
Jan Dams (Die Welt) konstatiert: "Die goldenen Jahre der Steuerhinterziehung sind vorbei." Joachim Jahn (FAZ) spricht von einem weiteren großen Erfolg der Steuerfahnder: "Die Verstecke im europäischen Ausland sind bald weitgehend ausgeräuchert."
LG Hamburg – Die Zeit vs. ZDF: Wie die FR meldet, haben die Zeit-Journalisten Josef Joffe und Jochen Bittner eine einstweilige Verfügung gegen das ZDF erwirkt. Die beiden Journalisten wehren sich gegen die in der Satire-Sendung "Die Anstalt" erhobenen Behauptungen, Bittner sei Redenschreiber für Bundespräsident Joachim Gauck und Joffe Mitglied in acht transatlantischen Think Tanks und Lobbyorganisationen. Die kritisierte Sendung musste aus der Mediathek des ZDF entfernt werden. Das ZDF hat Widerspruch eingelegt.
OLG München – NSU: Im Prozess gegen Beate Zschäpe haben ihre Verteidiger einen Befangenheitsantrag gegen das Gericht gestellt, das sie als Pflichtverteidiger benannt hat. Es berichten SZ (Tanjev Schultz) und spiegel.de (Gisela Friedrichsen).
Der SWR-Terrorismus-Blog (Holger Schmidt) berichtet über die Vernehmung der beiden Brüder des Angeklagten André E. Dessen Festnahme durch die GSG 9 im menschenleeren Brandenburg wurde unter der Legende "Geschäftsleute auf Wolfsjagd" bewerkstelligt.
Porsches Rechtsstreite – ein Potpourri: Die SZ (Kristina Läsker) gibt einen Überblick über bevorstehende Prozesse von Aktionären gegen Porsche. Verfahren in Braunschweig, Stuttgart und Hannover sind bereits anberaumt, ob etwaig in London und New York anhängige Verfahren auch nach Deutschland verlegt werden, ist noch offen.
Deutsche Bank vor Gericht: Die jahrelangen Rechtsstreite der Deutschen Bank haben zu einem Anwachsen der Rechtsabteilung und zu erheblichen Mehrkosten geführt. Wie das Geldhaus auf die Serie von juristischen Auseinandersetzungen reagiert, untersuchen SZ (Harald Freiberger) und FAZ (Markus Frühauf).
In seinem Kommentar stellt Markus Frühauf (FAZ) fest, die Bank sei mit 6.000 Rechtsstreitigkeiten konfrontiert, von denen 1.000 einen Streitwert von mindestens 100.000 Euro hätten. Weitere mögliche hohe Geldbußen hingen wie ein Damoklesschwert über der Bank.
StA München – Haderthauer: Die Staatsanwaltschaft München beabsichtigt, Klage gegen die Staatskanzleiministerin Christine Haderthauer zu erheben. In der Modellbau-Affäre fühlt sich ein ehemaliger Geschäftspartner der Eheleute Haderthauer arglistig getäuscht und betrogen. Wenn Landtagspräsidentin Barbara Stamm dem Antrag auf Aufhebung der Immunität nicht widerspricht, können die Ermittlungen noch in dieser Woche beginnen. Ministerpräsident Seehofer hält an Haderthauer fest, da etwaige Verfehlungen nichts mit ihrer Amtsführung zu tun hätten. Es berichten SZ (Dietrich Mittler), FAZ (Albert Schäffer), Handelsblatt (Thomas Sigmund), Die Welt (Thomas Issig/Peter Vitzthum), bild.de (Oliver Grothmann).
StA München – Fitschen: Die SZ (Klaus Ott) beleuchtet die Bemühungen des Chefs der Deutschen Bank, Jürgen Fitschen, eine Anklage gegen sich im Zusammenhang mit dem Kirch-Verfahren zu verhindern oder bis über das Ende seiner Tätigkeit bis 2017 hinauszuzögern. Die Staatsanwalt München bereitet eine Klage gegen Fitschen, Josef Ackermann und Rolf Breuer wegen versuchten Prozessbetrugs vor. Ein Prozess könnte im Herbst beginnen.
LG München – Ecclestone: Der Prozess vor dem Landgericht München gegen Formel-1-Chef Bernie Ecclestone, dem Bestechung zur Last gelegt wird, könnte zu einem schnellen Ende kommen. Staatsanwaltschaft und Verteidigung sondierten die Voraussetzungen, unter denen es zu einem Deal kommen könnte. Für eine Einstellung des Verfahrens soll Ecclestone eine Geldauflage erhalten, außerdem sei er bereit, 25 Millionen Euro an die BayernLB zu zahlen. Das Angebot sei befristet bis zum 8. August. Es berichten SZ (Christoph Giesen/Klaus Ott), FAZ (Rüdiger Köhn), Handelsblatt (Kerstin Leitel, ähnlich online) und Die Welt (Andre Tauber).
Recht in der Welt
Kosovo – UÇK: Clint Williamson ist Chefermittler bei SITF, der Special Investigative Task Force (SITF). Diese Behörde, geschaffen von Eulex, der EU-Mission für Rechtsstaatlichkeit im Kosovo, soll Menschenrechtsverletzungen nach dem Ende des Krieges ermitteln und zur Anklage bringen. In Brüssel hat Williamson sein Vorhaben angekündigt, gegen ehemalige Kämpfer der UÇK Anklage zu erheben, denen unter anderem Organhandel vorgeworfen wird. Allerdings muss erst ein Gerichtshof geschaffen werden, vor dem derartige Prozesse durchgeführt werden können. Möglicher Sitz wäre Pristina. Es berichten die SZ (Javier Caceres) und spiegel.de.
Gaza – Völkerrecht: In einem Meinungsbeitrag beschäftigt sich Reinhard Müller (FAZ) mit völkerrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit dem Krieg um den Gaza-Streifen. Gerade die Abgrenzung zwischen einer legitimen militärischen Maßnahme und "Terrorismus" sei juristisch nicht immer eindeutig und der Nachweis häufig nicht zu führen.
Schiedsgericht – Yukos vs. Russland: Auch nach der Entscheidung des Internationalen Schiedsgerichts in Den Haag, das Russland zur Zahlung von 50 Milliarden Euro Schadensersatz für die früheren Aktionäre von Yukos verurteilt hat, gehen die rechtlichen Auseinandersetzungen weiter. Wie das Handelsblatt (Peter Thelen) berichtet, strebt Russland eine Aufhebungsklage gegen den Schiedsspruch vor einem niederländischen Gericht an.
Markus Balser (SZ) lobt die Entscheidung des Den Haager Gerichts, sieht darin aber zugleich einen Vorgeschmack auf die Macht der Schiedsgerichte im Rahmen eines Abkommens wie TTIP. Es drohe "eine Welt der Schattengerichte", bei der die Macht bei den Investoren und nicht bei den demokratisch legitimierten Institutionen liege.
Sonstiges
Uber-Verbot Hamburg: In einem Beitrag für lto.de kritisiert Rechtsanwalt Jannis T. Werner die innovationsfeindliche und überregulierte Rechtskultur in Deutschland. Werner, der auch das Hamburger StartUp WunderCar juristisch beraten hat, meint: "Kaum eine Nation aber scheint den Sinn geltender Regularien im Alltag so wenig zu hinterfragen wie wir Deutschen, so wenig Bereitschaft zu haben, im Vertrauen auf die eigene Vernunft Regeln zu brechen." Recht sei geronnene Politik, und Politik müsse offen für Neues sein.
Das Letzte zum Schluss
Schonvermögen im Nachtclub: Das Sozialgericht Heilbronn hat entschieden, dass ein Hartz-IV-Empfänger über sein Schonvermögen frei verfügen kann. Der Mann hatte geerbt und einen Teil des Geldes in Nachtclubs ausgegeben. Der lawblog.de (Udo Vetter) stellt die Entscheidung vor.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ro
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 30. Juli 2014: Maas: Ami Go Home – Haderthauer: Immunität vor Aufhebung – UBS: Zahltag in Bochum . In: Legal Tribune Online, 30.07.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12722/ (abgerufen am: 08.05.2024 )
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