Facebook soll seinen Nutzern Pseudonyme ermöglichen. Außerdem in der Presseschau: Schüler haften nur bei Vorsatz für die Folgen von Streichen, Gaddafi-Sohn zum Tode verurteilt und Geldbußen für Pfiffe gegen den spanischen König.
Thema des Tages
Facebook: Nach einem Bericht von zeit.de geht der Hamburgische Datenschutzbeauftragte wegen der Klarnamen-Pflicht gegen Facebook vor. In einer Verwaltungsanordnung an das Netzwerk forderte er, die Nutzung unter einem Pseudonym zu ermöglichen und solche Profile nicht zu sperren. Laut Telemediengesetz gebe es ein Recht auf die Nutzung von Pseudonymen im Internet.
Rechtspolitik
Einwanderung: Vor 14 Jahren wurde von der Zuwanderungskommission, unter Vorsitz von Rita Süssmuth (CDU), ein Konzept für ein deutsches Einwanderungsgesetz vorgelegt, in dem alle Vorschläge standen, über die heute noch immer diskutiert wird. So fanden sich darin eine Strategie für eine aktive Beschäftigungspolitik, eine Quotenregelung für die Einwanderung sowie ein Punktesystem für Einwanderer. Die SZ (Heribert Prantl) stellt die Vorschläge dar und macht die CDU/CSU dafür verantwortlich, dass sie nicht umgesetzt werden konnten.
Ausländer ohne Aufenthaltsrecht: Der wissenschaftliche Mitarbeiter Ibrahim Kanalan stellt auf lto.de einen aktuellen Gesetzesentwurf der Grünen vor, der Menschen ohne gültige Aufenthaltspapiere die Wahrnehmung von wesentlichen Menschen- und Grundrechten ermöglichen soll. Danach soll die Pflicht von öffentlichen Stellen, solche Menschen der Ausländerbehörde zu melden, weiter reduziert werden. Kanalan will die Pflicht sogar ganz abschaffen, da die Menschenwürde nicht relativiert werden dürfe.
Staaten-Insolvenz: Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hat sich mit einem Sondergutachten für eine Insolvenzordnung für Staaten und die Möglichkeit eines Euro-Austrittes sowie gegen "voreilige Integrationsschritte" starkgemacht. Unter solchen Schritten verstehen die Wirtschaftsweisen, wie die FAZ (Manfred Schäfers u.a.) berichtet, eine Wirtschaftsregierung mit europäischem Finanzminister.
Polizeiliche Kennzeichnungspflicht: Kilian Ertl macht sich auf juwiss.de für eine Kennzeichnungspflicht von Polizeibediensteten stark, die aktuell in sechs Bundesländern besteht und in drei weiteren in naher Zukunft eingeführt werden soll. Die Pflicht sei ein gutes, notwendiges und verfassungsrechtlich zulässiges Mittel, um im demokratischen Rechtsstaat rechtswidriger polizeilicher Gewalt vorzubeugen und diese zu sanktionieren.
Erbschaftsteuer: Der hessische Finanzminister Thomas Schäfer legt in der FAZ dar, warum der Regierungsentwurf zur Erbschaftsteuer verfassungsrechtlich bedenklich sei. Eine der zentralen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts sei die Bedürfnisprüfung für Großunternehmen oder Großgewerbe gewesen. Vor diesem Hintergrund sei der neue - praktisch automatische - Sockelverschonungsbetrag von 20 beziehungsweise 35 Prozent, der keine Verschonungsbedarfsprüfung verlange und nach oben hin nicht gedeckelt sei, verfassungsrechtlich höchst angreifbar.
Justiz
BGH zu Gebühren für Falschbuchungen: Der Bundesgerichtshof hat klargestellt, dass nicht nur Verbraucher, sondern auch Unternehmer vor Bankgebühren für Falschbuchungen geschützt sind. Wie spiegel.de berichtet, hatte ein Versicherungsmakler gegen eine Klausel in den allgemeinen Geschäftsbedingungen seiner Sparkasse geklagt, nach der Gebühren auch für fehlerhaft ausgeführte Zahlungsaufträge anfielen. Darauf habe das Institut keinen Anspruch, befanden die Richter.
OLG Düsseldorf - Düsseldorfer Tabelle: Die Höhe von Unterhaltszahlungen nach der Düsseldorfer Tabelle ist zum ersten Mal seit 2010 wieder angehoben worden. Trennungskinder bekommen nun durchschnittlich 3,3 Prozent mehr Geld, berichtet die SZ (Ulrike Heidenreich).
LG München I - Deutsche-Bank-Prozess: Dieter Hahn, der engste Vertraute Leo Kirchs, hat im Deutsche-Bank-Prozess gegen fünf (ehemalige) Führungskräfte wegen versuchten Prozessbetruges eingeräumt, dass er am Streit des Medienmagnaten mit dem Frankfurter Kreditinstitut 200 Millionen Euro verdient hat. Wie die SZ (Klaus Ott) schreibt, wollte das Gericht die Summe für die Einschätzung der Glaubwürdigkeit des Zeugen ganz genau wissen.
Hanseatisches OLG - Foodwatch: Der Nahrungsmittelkonzern Unilever darf wohl weiter behaupten, es gäbe keine Hinweise auf mögliche Gesundheitsrisiken in seiner cholesterinsenkenden Margarine Becel pro.activ. Es sieht so aus, als würde die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch auch in zweiter Instanz mit ihrer Klage gegen Unilever erfolglos bleiben. Wie die taz (Ilka Kreutzträger) weiß, sagte der Vorsitzende Richter, er halte die Entscheidung der Vorinstanz für richtig und beabsichtige, ihr zu folgen.
OLG München - NSU-Prozess: Im Leitartikel bezeichnet Helene Bubrowski (FAZ) den NSU-Prozess als eine Zumutung für alle Beteiligten. Seit Wochen sei die Aufklärungsarbeit vom Konflikt zwischen Beate Zschäpe und ihren Anwälten überschattet. Trotz dieser Turbulenzen sei es jedoch falsch, den Prozess als Farce zu bezeichnen. Vielmehr seien solche Konflikte bei langen und schwierigen Verfahren normal und müssten ausgehalten werden. Denn mit der Kontinuität der Verteidigung stehe und falle der Prozess.
Der SWR-Terrorismus-Blog (Holger Schmidt) analysiert, wie Zschäpe sich zuletzt vor allem selbst schadete. Außerdem beschreibt er die Rolle von Anwalt Hermann Borchert, der als Mentor des neuen Pflichtverteidigers Matthias Grasel gilt. Vom aktuellen Prozesstag berichtet spiegel.de (Wiebke Ramm). Ein ehemaliger Funktionär der NPD-Jugend sagte, Zschäpe sei einst "sehr unauffällig" gewesen.
AG Hannover zu Schulstreich: Das Amtsgericht Hannover hat entschieden, dass ein Schüler kein Schmerzensgeld dafür zahlen muss, dass er einem anderen den Stuhl wegzog, wodurch dieser mit dem Kopf auf den Boden schlug. Unter Berufung auf den Bundesgerichtshof befanden die Richter, dass die Schule ein besonderer Raum sei, an dem Schüler nur für vorsätzliche Taten haften. Dabei müsse sich der Vorsatz auf die ernsthaften Verletzungsfolgen erstrecken, berichten SZ (Matthias Kohlmaier) und FAZ (Reinhard Bingener).
Recht in der Welt
Österreich - Hypo-Gesetz gekippt: Der österreichische Verfassungsgerichtshof hat den vor einem Jahr gesetzlich verfügten Schuldenschnitt von 1,7 Milliarden Euro gekippt. Zur Begründung hieß es, das vom Parlament verabschiedete Sondergesetz bedeute einen "Verstoß gegen das Grundrecht auf Schutz des Eigentums". Haftungserklärungen eines Bundeslandes könnten nicht einfach per Gesetz zunichtegemacht werden. Über die Entscheidung und die Folgen berichten die FAZ (Christian Geinitz/Markus Frühauf) und die SZ (Maren Schreiber).
Libyen - Todesurteil gegen Gaddafis Sohn: Ein Gericht in Libyens Hauptstadt Tripolis hat Saif al-Islam al-Gaddafi wegen Kriegsverbrechen während des Aufstandes gegen Muammar al-Gaddafi zum Tode verurteilt und mit ihm acht weitere hochrangige Funktionäre des früheren Regimes. Wie die SZ (Paul-Anton Krüger/Ronen Steinke) berichtet, zeigte sich der UN-Menschenrechtsrat beunruhigt über den Ablauf des Prozesses. So sei die Arbeit der Verteidigung behindert und die individuelle Schuld der Angeklagten nicht festgestellt worden. Gaddafis Sohn wurde in Abwesenheit verurteilt, da er von Milizen in einem anderen Landesteil festgehalten wird.
Großbritannien - Polizeispitzel: Der britische verdeckte Ermittler Mark Kennedy bewegte sich acht Jahre in der linken Szene Europas, bis er 2010 enttarnt wurde. Zuvor war er auch in Deutschland beim Protest gegen den G7-Gipfel in Heiligendamm aktiv. Nach einem Bericht der taz (Konrad Litschko) setzte das britische Innenministerium nun einen Sonderermittler ein, um den Fall aufzurollen. Die Opposition im Bundestag fordert, dass dabei auch Kennedys Wirken in Deutschland unter die Lupe genommen wird.
USA - Spion kommt frei: Wie welt.de meldet, haben die Anwälte des israelischen Spions Jonathan Pollard mitgeteilt, dass dieser nach 30 Jahren Haft Ende des Jahres freikommen wird. Pollard, ein ehemaliger Analyst der US-Marine, verbüßt eine lebenslange Haftstrafe wegen der Weitergabe von geheimen Dokumenten an Israel.
Sonstiges
Thomas Fischer zur Irrtumskunde: Thomas Fischer schreibt in seiner zeit.de-Kolumne diesmal über Irrtümer. Im Hinblick auf die Handhabung des Vermeidbarkeitskriteriums beim Verbotsirrtum durch die Justiz kritisiert er, dass sich eine Haltung der "praktischen Notwendigkeit" ausgebreitet habe, die zu zweifelhaften Ergebnissen führe.
NSA-Selektorenliste: Im Streit um die Einsicht in die Selektorenliste der NSA erwägt die G-10-Kommission des Bundestags eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht. Wie die SZ (Georg Mascolo/ Hans Leyendecker) berichtet, soll dafür zunächst geklärt werden, ob die Kommission klageberechtigt ist.
Das Letzte zum Schluss
Spanien - Ausgejubelt: Barcelona ist längst kein guter Ort mehr für Spaniens König Felipe VI. Einst wurde er dort als Fahnenträger der spanischen Mannschaft bei den Olympischen Spielen von 1992 umjubelt. Doch bei seinem letzten Auftritt anlässlich eines großen Sportereignisses wurde er schrill ausgepfiffen. Beim Pokalendspiel von FC Barcelona und Athletic Bilbao ging es vor zwei Monaten um den Copa del Rey (Königspokal), und da musste Felipe nun einmal dabei sein. Dabei waren aus den Fanszenen beider Vereine vorher Stimmen laut geworden, dass man auch gut auf den König verzichten könne. So kam es zu dem Pfeifkonzert der vereinigten Katalanen und Basken, als der Stadionsprecher den König begrüßte. Beide Klubs gelten in ihren Heimatregionen als Hochburgen der Sezessionisten, die die Loslösung von Madrid anstreben. Das spanische Sportgericht in Madrid hat nun auf die "Entehrung von Staatssymbolen" und die "Attacken auf das Staatsoberhaupt" reagiert: Barça muss 66.000 Euro an die Staatskasse überweisen, Bilbao 18.000 Euro. Härter aber trifft es die Königliche Spanische Fußballföderation (RFEF), die nie an ihrer Königstreue zweifeln ließ: Als Ausrichter der Partie muss sie 123.000 Euro berappen, berichtet die SZ (Thomas Urban).
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ml
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 29. Juli 2015: Pseudonyme für Facebook – Kein Schmerzensgeld für Schulstreich – Todesstrafe für Gaddafi-Sohn . In: Legal Tribune Online, 29.07.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16415/ (abgerufen am: 07.05.2024 )
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