Muss Facebook rassistische Kommentare löschen? Außerdem in der Presseschau: illegale Einreisen sollen entkriminalisiert werden, BVerwG zu Verkehrsunternehmern, unwürdige Ermittler und Haft für den "Bunkermann".
Thema des Tages
Facebook-Hetze: Bundesjustizminister Heiko Maas hat die Europa- und Deutschland-Zentrale von Facebook für den 14. September zu einem Gespräch eingeladen, um die Effektivität und Transparenz der weltweit geltenden Gemeinschaftsstandards im Hinblick auf die Löschung von Hassbotschaften durch Nutzer zu verbessern. Der Verweis auf die Gemeinschaftsstandards werde zur Farce, wenn Facebook Nacktfotos wegen moralischer Bedenken automatisch lösche, rassistische Äußerungen dagegen selbst nach Hinweisen nicht entferne, habe Maas gemahnt - zumal derartige Äußerungen regelmäßig Straftatbestände, insbesondere den der Volksverhetzung, erfüllten. Facebook habe Gesprächsbereitschaft gezeigt. Darüber berichten, die FAZ (Anna Gyapjas) und lto.de.
Die SZ (Gökalp Babayiğit) erinnert am Beispiel eines 34-jährigen Berliners, der wegen seiner vor Menschenverachtung strotzenden Facebook-Kommentare kürzlich zu einer Geldstrafe von 4.800 Euro verurteilt wurde, daran, dass das Internet kein rechtsfreier Raum ist.
Joachim Jahn (FAZ) findet die Entwicklung, überall in der Wirtschaft Hilfssheriffs zu installieren, bedenklich. Strafbare Äußerungen seien ein Fall für die Justiz. Es drohten "Zensur und Sprachpolizei". Auch Patrick Beuth (zeit.de) spricht sich dafür aus, das Problem nicht allein Facebook zu überlassen. Wenn Maas ein Zeichen gegen Fremdenhass setzen wolle, müsse er dafür sorgen, dass jene verfolgt werden, die zu Gewalt aufrufen.
Rechtspolitik
Bannmeilen: Der Rechtsanwalt Michael Winkelmüller schreibt auf lto.de zu den von der Gewerkschaft der Polizei geforderten Bannmeilen für Flüchtlingsheime. Eine solche Regelung würde das Grundrecht der Versammlungsfreiheit unverhältnismäßig beschränken, weil die für Demonstrationen gesperrten öffentlichen Bereiche in bislang nicht gekanntem Maße ausgeweitet würden. So läge eine Ausdehnung auf andere Stätten, wie Synagogen und Moscheen, nahe.
Routerzwang: Das Bundeskabinett hat einen Gesetzentwurf verabschiedet, mit dem der sogenannte Routerzwang abgeschafft werden soll, so dass Kunden auch ein anderes als das vom Provider gelieferte Endgerät nutzen können. Was wie ein Luxusproblem klinge, habe enorme Auswirkungen auf die Privatssphäre, da über den Router sämtliche Telefonate und Internetverbindungen verliefen, und die Geräte viel zu häufig mit Sicherheitslücken gespickt seien, wie der Koordinator des deutschen Teams der Free Software Foundation Europe Max Mehl auf Netzpolitik.org erläutert.
Suizidbeihilfe: Oliver Tolmein (FAZ) kritisiert, die Ausführungen zur Bestimmtheitsproblematik im Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages zu den Suizidbeihilfe-Gesetzesvorhaben beruhten auf der falschen Prämisse, dass Suizidbeihilfe eine besondere Form der Sterbehilfe ist. Tatsächlich würden nur wenige Patienten ihre Ärzte um Suizidbeihilfe bitten. Sollten Ärzte dies dennoch geschäftsmäßig anbieten, sei ihre Tätigkeit durch die geplante Strafvorschrift erfasst. Das sei allerdings nicht ein Problem mangelnder Bestimmtheit, sondern das Ziel des Gesetzentwurfs.
Illegale Einreise: Der Bund deutscher Kriminalbeamter (BDK) will sich für eine Entkriminalisierung der illegalen Einreise stark machen. Weil bislang die Einreise nach Deutschland ohne gültigen Aufenthaltstitel als Straftat gewertet werde, sei in jedem Fall ein Ermittlungsverfahren zu eröffnen, was bei der späteren Gewährung von Asyl wieder eingestellt werden müsse. Dieses Vorgehen sei angesichts der fehlenden legalen Einreisemöglichkeiten widersprüchlich, gibt spiegel.de (Jörg Diehl) das interne Thesenpapier des BDK wieder.
Kopftuch im Schulunterricht: Per Erlass will das niedersächsische Kultusministerium muslimischen Lehrerinnen an öffentlichen Schulen grundsätzlich das Tragen eines Kopftuchs erlauben und damit eine Enscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom März umsetzen, nach der ein pauschales Verbot gegen die Religionsfreiheit verstößt. Wie die taz berichtet, haben Nordrhein-Westfalen und Bremen das Kopftuch schon zugelassen.
Legalisierung von Prostitution: In einem Interview mit der taz (Heide Östreich) spricht sich Catherine Murphy von Amnesty International dafür aus, dass Regierungen für den Schutz der Menschenrechte von Sexarbeiterinnen mit diesen zusammenarbeiten müssen.
Justiz
BVerwG zu Verkehrsunternehmern: Wer Shuttlefahrten organisiert, die er durch konzessionierte Taxi- und Mietwagenunternehmen durchführen lässt, braucht dennoch eine Genehmigung nach dem Personenbeförderungsgesetz, entschied das Bundesverwaltungsgericht. Anders als der Fahrdienst Uber sei der Shuttlebetrieb aber genehmigungsfähig, erläutert der Regierungsrat Adolf Rebler auf lto.de.
Netzpolitik.org: Nach einer bisher geheimen Einschätzung des Justizministeriums verletzten die Netzpolitik.org-Artikel über Möglichkeiten des Bundesamtes für Verfassungsschutz zur "Massendatenauswertung" nur deshalb keine Staatsgeheimnisse, weil es zuvor andere Veröffentlichungen gegeben hatte. Dies zeige, dass die Landesverratsparagrafen dringend entschärft werden müssen, schreibt die taz (Christian Rath).
Einen Überblick darüber, wer wann was bei der Einleitung der Landesverratsermittlungen gewusst hat, gibt Netzpolitik.org (Anna Biselli) und bezieht sich dabei auf die Antworten zu einer Kleinen Anfrage der Grünen im Bundestag.
AG Coburg - Millionenstrafe: Der Chef des Autozulieferers Brose, Michael Stoschek, hat einen Strafbefehl wegen Urkundenfälschung und Kennzeichenmissbrauchs in Höhe von 1,65 Millionen Euro erhalten, weil er in seinem Porsche mit einem unzulässigen Klebekennzeichen unterwegs war, wie die SZ (Katja Auer) berichtet. Gegen den Strafbefehl hat er Einspruch eingelegt.
Sonderzahlungen und Mindestlohn: lto.de (Tanja Podolski) stellt den aktuellen Stand der Rechtsprechung hinsichtlich der Anrechnung von Sonderzahlungen, wie Weihnachts- oder Urlaubsgeld, auf den Mindestlohn dar. Während das Arbeitsgericht (ArbG) Berlin im März urteilte, dass Sonderzahlungen nicht angerechnet werden, entschieden das ArbG Herne und das ArbG Brandenburg an der Havel jüngst Gegenteiliges.
Diskriminierung?: Die FAZ (Joachim Jahn) befasst sich mit Querulanten, die mit Scheinbewerbungen und im Fall ihrer Ablehnung angestrengten AGG-Klagen die Arbeitsgerichte auf Trab halten. Nun habe das Bundesarbeitsgericht den Europäischen Gerichtshof gefragt, ob sich die Justiz überhaupt mit solchen vorgetäuschten Bewerbungen befassen müsse.
OLG Dresden zu fehlendem Kita-Platz: Nun berichtet auch beck-blog.de (Hans-Otto Burschel) über die Entscheidung des Oberlandesgerichts Dresden, nach der Eltern bei fehlenden Kita-Plätzen keinen Anspruch auf Ersatz ihres Dienstausfalls haben.
Recht in der Welt
Österreich - Schlepper: Im Fall der auf der Flucht nach Österreich in einem Lastwagen gestorbenen 50 Flüchtlinge hat die Staatsanwaltschaft Kontakt zu den Strafverfolgungsbehörden in Ungarn, wo der Lastwagen zugelassen war, aufgenommen, meldet spiegel.de.
Österreich - Weisungsrecht: In Österreich steht eine umfassende Reform des ministeriellen Weisungsrechts gegenüber der Staatsanwaltschaft an, dessen Abschaffung zunächst erwogen worden war. Nun soll es zwar beibehalten werden, Transparenz und ein zusätzlich eingerichtetes Beratungsgremium sollen aber den Anschein politischer Willkür beseitigen, schreibt die FAZ (Stephan Löwenstein).
USA - Autohersteller vor Gericht: Nach einem Bericht des Handelsblattes (Thomas Jahn) wurde in den USA eine Sammelklage gegen zehn Autohersteller, unter anderem VW, Mercedes und BMW, eingereicht. Die Kläger machen geltend, ein mit den automatischen Startsysthemen verbundenes Austreten von Kohlenmonoxid habe zu mindestens 13 Todesfällen und zahlreichen Verletzungen geführt.
Sonstiges
Verdeckte Ermittler: Heribert Prantl (SZ) meint, die Art und Weise, wie sich die verdeckt ermittelnden Polizeibeamtinnen in Hamburg mit der zu beobachtenden Szene eingelassen haben, sei eines Rechtstaates unwürdig. Der Fall zeige, wie bedenklich die verabschiedete Reform des Verfassungsschutzgesetzes ist, nach der V-Leute und Verdeckte Ermittler Straftaten begehen dürfen.
Schulpflicht für Flüchtlingskinder: Die Forderung von Erfurts Oberbürgermeister Andreas Bausewein, die Schulpflicht für Flüchtlingskinder bis zur Feststellung des Aufenthaltsstatus auszusetzen, verstößt gegen die von Deutschland ratifizierte UN-Konvention über die Rechte des Kindes, die den Ausschluss von Kindern aus der Schule und von Bildung verbietet. Darüber berichtet zeit.de (Andrea Dernbach).
DMSB zu Boxenbefehl: Wie die SZ (René Hofmann) berichtet, hat das Sportgericht des Deutschen Motor Sport Bundes gegen Audi eine Rekordstrafe von 200.000 Euro wegen "unsportlichen Verhaltens" verhängt, weil sein Motorsportchef Wolfgang Ullrich den Fahrer Timo Schneider aufgefordert hatte, einen Mercedes-Konkurrenten von der Piste zu drängen.
Das Letzte zum Schluss
Bunkermann: Sie nannten ihn den "Bunkermann". Das Landgericht Bayreuth hat einen 36-Jährigen zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt. Er hatte seinem Arbeitgeber 200.000 Euro entwendet, sich davon einen Bunker gebaut und hierin Handgranaten, Rohrbomben, zehn Kilogramm Sprengstoff und Marihuana gehortet. Aufgeflogen war die ganze Sache, nachdem er wegen des fehlenden Geldes in Verdacht geraten war, meldet spiegel.de.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ml
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 28. August 2015: Maas trifft Facebook – BVerwG zu Verkehrsunternehmern – unwürdige Ermittler . In: Legal Tribune Online, 28.08.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16736/ (abgerufen am: 03.05.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag