Die Bundesregierung will mit einem Bündel von Maßnahmen den Missbrauch der EU-Freizügigkeit bekämpfen. Außerdem in der Presseschau: Rassistische Motive in der Strafzumessung, Waffenlieferungen und Parlamentszustimmung, Privatkopien von unveröffentlichten Werken zulässig, familienpolitische Leistungen werden bilanziert und warum es in Hamburg manchmal länger dauert, bis ein Beamter sich am Notruf meldet.
Thema des Tages
Zuwanderung aus EU-Staaten: Am Mittwoch hat die Bundesregierung ein Maßnahmenpaket zur Regelung der Zuwanderung aus EU-Ländern beschlossen. Die Maßnahmen gehen auf einen Bericht des Staatssekretärsausschusses zurück, der im Zuge der Debatte um die so genannte Armutseinwanderung eingesetzt worden war. spiegel.de (Benjamin Knaack/Gregor Peter Schmitz), die taz (Daniel Bax) und die Welt (Stefan von Borstel) stellen die Vorhaben im Einzelnen dar. Unter anderem sollen im Freizügigkeitsgesetz das Aufenthaltsrecht zur Arbeitssuche befristet und eine Wiedereinreisesperre bei Rechtsmissbrauch eingeführt werden. Im Einkommensteuergesetz soll die Kindergeldberechtigung von der Angabe der Steueridentifikationsnummer abhängig gemacht werden. Durch weitere Finanzierungsmaßnahmen werden Kommunen mit hohem Zuwanderungsanteil entlastet.
Daniel Bax (taz) wendet ein, dass Belege für den behaupteten Sozialmissbrauch bisher fehlen, die Maßnahmen seien zum Teil "ein Placebo für ein Problem, das es so nie gab". Heribert Prantl (SZ) findet die Stoßrichtung des Gesetzentwurfs "verheerend", damit würden "Vorurteile gegen die Arbeitskräfte aus Osteuropa nobilitiert". Jasper von Altenbockum (FAZ) hält den Entwurf für "zierliche Korrekturen", dies sei Ausdruck eines "Konstruktionsfehlers" der deutschen Einwanderungspolitik.
Rechtspolitik
Hasskriminalität: Als Konsequenz aus der NSU-Affäre habe die Bundesregierung einen Gesetzentwurf vorgelegt, der dem Generalbundesanwalt mehr Befugnisse zuweist, meldet spiegel.de. Außerdem sollen rassistische Motive bei Delikten in der Strafzumessung künftig stärker berücksichtigt werden. Der Deutsche Anwaltsverein habe den Entwurf als "symbolische Gesetzgebung der überflüssigen Art" kritisiert.
Suizidhilfe: Vom Gesetzentwurf einer Gruppe von Medizinern und Etikexperten zur strafrechtlichen Regelung der Suizidhilfe berichten nun auch die FR (Mira Gajevic) und die Zeit (Andreas Sentker). Vorgesehen ist ein grundsätzliches Verbot der Suizidhilfe mit einer Ausnahme für Ärzte und Angehörige von Schwerkranken mit einer begrenzten Lebenserwartung.
Waffenlieferungen: Nach Informationen von spiegel.de (Matthias Gebauer und andere) erwägen CDU und SPD, am kommenden Montag einen Entschließungsantrag im Bundestag einzubringen und die Entscheidung über die geplanten Waffenlieferungen in den Nordirak im Parlament zu debattieren. Laut einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes besteht für das Parlament zwar keine Mandatspflicht, es könne sich aber unabhängig davon im Rahmen der parlamentarischen Verfahren mit der Frage befassen und einen Parlamentsbeschluss fassen. Rechtsprofessor Pierre Thielbörger prüft auf lto.de die rechtlichen Voraussetzungen für die geplanten Waffenlieferungen. Ein Votum des Bundestages sei entbehrlich, solange keine Soldaten in den Irak geschickt werden, etwa zur Einweisung in die Waffennutzung. Außerdem legt er die völkerrechtlichen Voraussetzungen der Waffenlieferungen dar.
Bundesdatenschutzbeaftragte: Die geplante Stärkung der Bundesdatenschutzbeauftragten hat das Kabinett am gestrigen Mittwoch beschlossen, berichtet netzpolitik.org (Andre Meister). Sie soll in eine eigenständige oberste Bundesbehörde überführt und vom Bundestag gewählt werden. Der ehemalige Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar kritisiert in einem Gastbeitrag auf der Plattform den "völlig unterambitionierten Gesetzentwurf".
Tarifeinheit: Im Zuge der Tarifverhandlungen im Flug- und Schienenverkehr werden erneut die Vorhaben der Bundesregierung diskutiert, im Wege einer gesetzlichen Regelung der Tarifeinheit die Handlungsmöglichkeiten von Spartengewerkschaften einzuschränken, berichten die SZ (Thomas Öchsner) und die FAZ (Kerstin Schwenn). Problematisch sei insbesondere die damit einhergehende Einschränkung der verfassungsrechtlich geschützten Tarifautonomie der Gewerkschaften. Ein Gesetzentwurf soll erst im Herbst vorgelegt werden.
Justiz
BGH zu Privatkopien: Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die Schrankenregelung in § 53 Abs. 1 S. 1 des Urheberrechtsgesetzes auch auf Kopien unveröffentlichter Werke anwendbar ist. In dem Fall klagte eine Fotografin gegen eine Kundin, die ihr vorgelegte Fotos ohne Absprache eingescannt und gespeichert hatte. Die Urteilsgründe seien nun veröffentlicht worden, meldet lto.de.
VG Frankfurt zu Rüstungslieferung: Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle hatte die für Rheinmetall erteilte Ausfuhrgenehmigung für die Lieferung eines Gefechtsübungszentrums nach Russland ausgesetzt, wogegen sich das Unternehmen wehrte. Das Verwaltungsgericht Frankfurt hat den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz nun abgewiesen, weil sonst vollendete Tatsachen geschaffen würden, meldet http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/rheinmetall-gericht-bestaetigt-stopp-fuer-ruestungsgeschaeft-mit-russland-a-988356.htmlspiegel.de.
AG Steinfurt zu Fotografien: Mieter müssen keine Bildaufnahmen der Wohnräume durch Vermieter dulden, entschied das Amtsgericht Steinfurt. Bei der Abwägung des Eigentumsrechts des Eigentümers mit dem Persönlichkeitsrecht des Mieters habe die Privatsphäre überwogen, stellt lawblog.de (Udo Vetter) dar.
LG Köln zu Corinna Schumacher: Corinna Schumacher wollte der taz und dem ZDF untersagen, Bilder zu veröffentlichen, die sie bei der Krankenvisite ihres Mannes Michael Schumacher zeigen. Anders als in anderen Medien sei es in der Berichterstattung um eine kritische Auseinandersetzung mit den Medienberichten rund um den Krankenhausaufenthalt gegangen und damit nicht um bloße Befriedigung von Neugier, hat das Landgericht Köln festgestellt und die Unterlassungsklage abgewiesen, berichtet die taz und FR.
VG Hamburg zu Uber: Nach einem Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg darf der umstrittene Online-Vermittler von Fahrdiensten Uber seine Tätigkeit erst einmal fortsetzen. Die Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation sei für eine Untersagung des Betriebs nicht zuständig gewesen, meldet lto.de. Das Gericht habe sich jedoch kritisch hinsichtlich der Zulässigkeit des Dienstes geäußert.
StA Karlsruhe – Häftling verhungert? spiegel.de und die SZ berichten von Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Karlsruhe in der Justizvollzugsanstalt Bruchsal wegen Verdachts auf unterlassene Hilfeleistung. In der JVA sei Anfang August ein Häftling tot aufgefunden worden, der in Einzelhaft gesessen habe und vor Monaten in den Hungerstreik getreten war. Der Gefängnisdirektor sei bereits suspendiert worden.
Recht in der Welt
China – Ermittlungen gegen Autohersteller: Die FAZ (Johannes Ritter), die SZ (Thomas Fromm) und spiegel.de stellen die aktuellen Ermittlungen der chinesischen Behörden gegen zahlreiche Automobilhersteller und Händler auf dem Markt für Oberklassewagen vor, der vor allem von deutschen Unternehmen beherrscht werde. Die Kartellbehörde habe bereits Strafen gegen deutsche Unternehmen wegen Preisabsprachen verhängt. Die oberste Antikorruptionsbehörde ermittle derweil gegen einen ehemaligen und den amtierenden Manager von FAW-Volkswagen wegen "schwerwiegender Gesetzesbrüche".
Frankreich – Christine Lagarde: Im Zusammenhang mit einem französischen Finanzskandal laufen Ermittlungen gegen die Chefin des Internationalen Währungsfonds Christine Lagarde. spiegel.de, das Handelsblatt (Moritz Koch) und die FAZ (Christian Schubert/Patrick Welter) stellen den Fall und die Vorwürfe dar. Die Vorwürfe der "Nachlässigkeit" stammten aus ihrer Zeit als Wirtschafts- und Finanzministerin in Frankreich. Sie soll einer Entschädigungszahlung im Rahmen eines Schiedsgerichtsverfahrens zugestimmt haben, das nun wegen Manipulationsverdachts überprüft werde.
Sonstiges
Familienpolitische Leistungen: Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) hat den Abschlussbericht einer Studie zur Beurteilung familienpolitischer Leistungen vorgestellt. Elf wissenschaftliche Institute haben die Wirksamkeit von insgesamt 150 familienpolitischen Leistungen wie dem Ehegattensplitting, Kindergeld, Kinderbetreuung und der beitragsfreien Familienmitversicherung auf ihre Effizienz hin bewertet. Die Ergebnisse der Studie erläutern die taz (Simone Schmollack), die Welt (Dorothea Siems) und die SZ (Constanze von Bullion).
Cyber-Kriminalität: In ihrem aktuellen Lagebericht zum Cybercrime warnt das Bundeskriminalamt vor einem Vormarsch der Internetkriminalität. Laut aktuellen Zahlen haben Delikte wie Phishing, Online-Erpressungen und Cyber-Sabotage nur um rund ein Prozent zugenommen, jedoch gehe das BKA von einem riesigen Dunkelfeld aus. Die Zusammenfassung der Ergebnisse gibt es unter anderem in der Welt (Ulrich Clauss) und bei spiegel.de (Judith Horchert).
Das Letzte zum Schluss
Bei Notruf keine Antwort: "Bitte legen Sie nicht auf, der nächste Mitarbeiter steht für Sie bereit" – ist ungefähr das Letzte, was man beim Wählen von 110 hören möchte. Wenn man in Hamburg in einer Notlage den Notruf wählt, kann einem dies durchaus passieren. Wegen chronischen Personalmangels könne es zwischen 30 Sekunden und 2 Minuten dauern, bis sich ein Beamter am Polizeinotruf melde, berichtet strafakte.de (Mirko Laudon).
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ms
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 28. August 2014: EU-Freizügigkeit – Waffenlieferungen in den Irak – Häftling der JVA Bruchsal verhungert? . In: Legal Tribune Online, 28.08.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13017/ (abgerufen am: 28.04.2024 )
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