Auch mutmaßliche Mörder haben ein Bedürfnis nach Erholung. Im NSU-Prozess sagen Urlaubsbekanntschaften aus. Außerdem in der Presseschau: ein Superausschuss für den Bundestag, neuer Versuch für die Vorratsdatenspeicherung, EuGH zu Internet-Sperren, Bundeskartellamt gegen Amazon, keine Anklage gegen Assange und ein teurer Abi-Streich.
Thema des Tages
OLG München – NSU-Prozess: Am 60. Verhandlungstag im Verfahren gegen Beate Zschäpe und andere beschäftigte sich das Oberlandesgericht München mit mutmaßlich unverfänglichen Aktivitäten des Trios. Nach dem Bericht der SZ (Tanjev Schultz) zeichneten Urlaubsbekanntschaften ein harmonisches Bild der gemeinsam auf der Ostseeinsel Fehmarn verbrachten Tage. Politik sei nie ein Thema gewesen, bei einem mit einem Zeugen unternommenen Ausflug soll Uwe Mundlos sich einen Döner gekauft haben. Eine Zeugin habe sich erinnert, dass die Angeklagte die Urlaubskasse verwaltete. Auch zeit.de (Tom Sundermann) berichtet. Spiegel.de (Gisela Friedrichsen) schreibt zudem über eine Aussage eines Zwickauer Hausmeisters, mit dem Zschäpe des öfteren in geselliger Runde beisammen saß. Über Politik sei nie gesprochen worden, habe sich der Zeuge beeilt zu berichten.
Rechtspolitik
Superausschuss: Zur Überbrückung der nach wie vor anhaltenden Arbeitsunfähigkeit des Bundestags soll nach Bericht der SZ (Robert Roßmann) an diesem Donnerstag ein sogenannter Super- oder Hauptausschuss eingerichtet werden. Die designierten Oppositionsparteien forderten derweil die Einsetzung zumindest der im Grundgesetz vorgesehenen Ausschüsse.
Vorratsdatenspeicherung: Nach einer Meldung von netzpolitik.org (Markus Beckedahl) einigte sich die designierte große Koalition auf die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung. Auf europäischer Ebene solle auf eine Verkürzung der Speicherfrist auf drei Monate hingewirkt werden. Die Meldung kommentiert Thomas Stadler (internet-law.de) und setzt dabei Hoffnungen auf eine anstehende Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, dessen kritische Fragen vermuten ließen, "dass er die Richtlinie zumindest nicht gänzlich unbeanstandet lassen wird." Udo Vetter (lawblog.de) meint, dass eine etwaige Verkürzung der Speicherfristen nichts an dem "chilling effect" ändern würde, den das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung zur ersten Vorratsdatenspeicherung beschrieben habe.
Teilzeitbeschäftigung: Während in den Koalitionsverhandlungen noch über einen Rechtsanspruch für Teilzeitbeschäftigte auf Rückkehr in eine Vollzeitstelle gestritten wird, will die Telekom ihren Teilzeitbeschäftigten ab dem kommenden Jahr eine entsprechende Garantie geben. Die taz (Simone Schmollak) berichtet.
Normenkontrollrat: Das sächsische Kabinett hat einen Gesetzentwurf zur Bildung eines Normenkontrollrates vorgelegt, meldet die FAZ (Peter Schilder). Aufgabe des Gremiums soll die Überprüfung des "Erfüllungsaufwandes" neuer Gesetze oder Verwaltungsvorschriften sein.
Prostitution: Juniorprofessorin Ulrike Lembke (juwiss.de) beteiligt sich an der Debatte über eine Reform des Prostitutionsgesetzes. Sie stellt hierzu die umstrittenen Auswirkungen des vieldiskutierten "schwedischen Modells" vor und formuliert Fragen, die durch eine Neuregelung beantwortet werden müssten. Bestehende Probleme der Sexarbeit wie etwa die Festschreibung eines hierarchischen Geschlechterverhältnisses sollten dabei nicht dazu führen, dass Gewaltschutz, Menschenwürde und Autonomie "gegeneinander ausgespielt werden".
Unternehmens-Geldbußen: Aus Anlass des jüngsten Vorschlags zur Schaffung eines Unternehmens-Strafrechts stellt Rechtsanwalt Bernd Groß (FAZ) in einem längeren Gastbeitrag bestehende Sanktionsmöglichkeiten nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz vor. Der Autor vertritt die Ansicht, dass die nach diesem Gesetz verhängten Geldbußen "existenzielle Risiken für Unternehmen und deren Führungspersonal" mit sich bringen würden und die Folgen pflichtwidrigen Verhaltens für die Betroffenen "keinesfalls kalkulierbar" wären.
Justiz
EGMR zu Terror-Liste: Maximilian Steinbeis (verfassungsblog.de) schreibt über eine Kammerentscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zum Konflikt von EMRK- und UN-Recht. Ein Kläger wehrte sich unter Verweis auf Art. 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) gegen die Einfrierung seines Vermögens infolge einer Aufnahme in die Anti-Terror-Liste. Nach Ansicht des Gerichts zu Recht; weil es gegenüber Anordnungen des UN-Sicherheitsrates keinen gleichwertigen Schutz gebe, habe die beklagte Schweiz gegen ihre Pflichten aus der EMRK verstoßen, auch wenn sie nach UN-Recht keine Alternative besessen hätte.
EuGH – Internetsperren: Im Grundsatzverfahren des Europäischen Gerichtshofs zur Verpflichtung von Internetprovidern, den Zugang zu illegalen Film-Webseiten zu sperren, hat Generalanwalt Pedro Cruz Villalon eine derartige Pflicht bejaht. Nur so könne der EU-Urheberrechtslinie von 2001 Rechnung getragen werden. Gleichzeitig seien unbestimmte Vorgaben des nationalen Rechts abzulehnen, schreibt die taz (Christian Rath) und stellt Verfahrensbeispiele vor. Auch netzpolitik.org (Kilian Froitzhuber) berichtet.
BGH – Deutsche Bahn: Der Bundesgerichtshof lehnte eine Nichtzulassungsbeschwerde der Deutschen Bahn gegen eine Entscheidung des Kammergerichts Berlin zu Bahnhofsbenutzungsgebühren aus dem Januar ab. Mit dem jetzigen, der SZ (Daniela Kuhr) vorliegenden Beschluss sei damit bestätigt, dass die Bahn von Mitbewerbern, aber auch eigenen Tochterunternehmen, jahrelang zu hohe Gebühren für die Nutzung ihrer Bahnhöfe erhoben hat, es seien daher Rückerstattungen in zweistelliger Millionenhöhe zu erwarten.
BGH zu angewandter Kunst: Vor zwei Wochen entschied der Bundesgerichtshof, dass auch Gebrauchsgegenstände von geringem künstlerischen Wert Urheberrechtsschutz genießen. In einem Gastbeitrag analysiert der Rechtsanwalt Constantin Kurtz (FAZ) die Entscheidung und ihre "erheblichen" Auswirkungen für Unternehmen und die Kreativbranche.
LG Landshut – Kindstötung: Vor dem Landgericht Landshut muss sich eine Frau derzeit wegen der Tötung dreier ihrer Kinder verantworten. Über das Verfahren schreibt die SZ (Hans Holzhaider) in einer Seite Drei-Reportage.
LG Frankfurt – Alice Schwarzer: Der Prostitutiertenverein Dona Carmen ist vor dem Landgericht Frankfurt mit dem Versuch gescheitert, gegen die Verbreitung des neuen Buchs von Alice Schwarzer, "Prostitution – Ein deutscher Skandal", eine einstweilige Verfügung zu erwirken. Die behaupteten unwahren Stellen im Buch über den Verein seien nach Ansicht des Gerichts als zulässige Meinungsäußerung zu werten, schreibt die taz (Simone Schmollack) und macht darauf aufmerksam, dass sich Schwarzer vor Gericht von Johann Schwenn vertreten ließ. Der verteidigte Jörg Kachelmann während dessen Vergewaltigungs-Prozess.
LG Frankfurt – Suhrkamp: Die taz (Christian Rath) referiert das nun veröffentlichte Urteil des Landgerichts Frankfurt im Gesellschafter-Streit beim Suhrkamp-Verlag. Das mit einem "klaren Unentschieden" beendete Verfahren biete "reiches Anschauungsmaterial" für die "Tricks und Unverschämtheiten", mit denen sich die Kontrahenten duellierten.
AG Dresden – Bodo Ramelow: Der Fraktionsvorsitzende der Linken in Thüringen, Bodo Ramelow, muss sich im kommenden Januar vor dem Amtsgericht Dresden wegen der Störung einer Versammlung von Rechtsradikalen im Februar 2010 verantworten. Die SZ (Cornelius Pollmer) berichtet.
Bundeskartellamt – Amazon: Der Internethändler Amazon hat sich nach Darstellung der SZ (Caspar Busse) gegenüber dem Bundeskartellamt verpflichtet, Geschäftsbedingungen zu sogenannten Bestpreis-Klauseln zu ändern. Die Bestimmungen verpflichteten auf Amazon tätige Händler, ihre Waren auf keiner anderen Plattform günstiger anzubieten und veranlassten die Behörde zu nunmehr eingestellten Ermittlungen wegen der Errichtung von Marktzutrittsbarrieren. Weitere Verfahren, etwa gegen das Internet-Hotelportal HRS, liefen weiter.
Verfahrensöffentlichkeit: In einem Kommentar im Bayern-Teil erinnert Annette Ramelsberger (SZ) an die Funktion der Öffentlichkeit von Strafverfahren. Sie stelle sicher, dass es keine Geheimjustiz gebe und Recht nachvollziehbar bleibe. Auch wenn die Justiz auf Kritik bisweilen mit Abschottung reagiere, beweise ein aktuelles Urteil eines Münchner Amtsgerichts, dass einen Rechtsradikalen wegen der Bedrohung von Journalisten vor einem Gerichtssaal verurteilte, dass die Justiz lernfähig sei.
Recht in der Welt
USA – Julian Assange: Nach Bericht der FAZ (Andreas Ross) wird die US-amerikanische Justiz keine Anklage gegen Julian Assange wegen der Veröffentlichung geheimer Regierungsdokumente erheben. Das Justizministerium des Landes hätte keine belastbaren Hinweise auf eine aktive Beteiligung Assanges am Diebstahl der Informationen gefunden. Zudem müsste im Falle einer Anklage auch gegen zahlreiche inländische Medien vorgegangen werden.
Neuseeland – Klimaflüchtling: Vor dem Hohen Gericht Neuseelands ist ein Bürger der Pazifik-Insel Kiribati mit dem Versuch gescheitert, unter Berufung auf die UN-Flüchtlingskonvention Asyl zu beantragen. Die Existenz seiner Heimat ist durch den steigenden Meeresspiegel bedroht, die Anwendbarkeit der Flüchtlingskonvention setze nach Ansicht des Gerichts jedoch eine individuelle Verfolgung voraus, schreibt welt.de (Jens Wiegmann).
Sonstiges
Scientology: Der Verfassungsschutz bescheinigt Scientology zwar immer noch einen totalitären Charakter, beabsichtigt aber nach Informationen des Spiegels aus Kapazitätsgründen die Einstellung der Beobachtung. Rechtsprofessor Arnd Diringer stellt für lto.de die Hintergründe dieser Entscheidung vor und erwähnt dabei auch Rechtsprechung, nach der diese Beobachtung nie grundsätzlich in Frage gestellt wurde.
Das Letzte zum Schluss
Abi-Streich: Eine Neusser Studentin wird sich noch eine längere Zeit an ihren Abi-Streich erinnern. Nachdem ihr das Einwickeln mehrerer Lehrer-Autos in Frischhaltefolie offenbar nicht ausgefallen genug war, begoss sie den Wagen ihrer Deutschlehrerin zusätzlich mit Öl. Die verstand angesichts beschädigter Dichtungen an ihrem Fahrzeug offensichtlich keinen Spaß – das mit der Sache befasste Amtsgericht auch nicht. Wie die Welt meldet, verurteilte es die Studentin zu 20 Sozialstunden und 400 Euro Geldstrafe.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 27. November 2013: Terroristen im Urlaub – Neuer Anlauf für Vorratsdatenspeicherung – EuGH zu Internetsperren . In: Legal Tribune Online, 27.11.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10171/ (abgerufen am: 03.05.2024 )
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