Andreas Voßkuhle lehnt zum zweiten Mal eine Kandidatur zum Bundespräsidenten ab. Außerdem in der Presseschau: Das BVerfG verhandelt bald über Eilanträge zu Ceta, das Familienministerium prüft, ob das Wechselmodell dem Kindeswohl entspricht.
Thema des Tages
Voßkuhle bleibt: Andreas Voßkuhle, der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, will nicht Bundespräsident werden. SPD-Chef Sigmar Gabriel hatte ihn gefragt, nachdem sich abzeichnete, dass die Parteien einen Konsens-Kandidaten suchen, um riskante rot-rot-grüne oder schwarz-grüne Signale zu vermeiden. Noch im Rennen ist Christine Hohmann-Dennhardt, Ex-Verfassungsrichterin und inzwischen Vorstandsmitglied wechselnder Autohersteller. Der Spiegel (Sven Böll u.a. - spiegel.de-Zusammenfassung) berichtet.
Rechtspolitik
Vollschleier im Gericht: Der Bundesrat hat am Freitag einen Antrag aus Hamburg und Schleswig-Holstein angenommen. Danach soll die Bundesregierung prüfen, ob ein gesetzliches Verbot der Vollverschleierung vor Gericht erforderlich ist, so lto.de. Ein weitergehender Antrag von Bayern kam nicht zum Zug. Dort hätte die Bundesregierung direkt zu einem gesetzlichen Verbot aufgefordert werden sollen.
Illegale Autorennen: Auf Antrag der Länder Nordrhein-Westfalen und Hessen hat der Bundesrat einen Gesetzentwurf beschlossen, der es ermöglichen würde, die Teilnahme an illegalen Autorennen mit Haftstrafen zu ahnden. sueddeutsche.de (Thomas Harloff) stellt die Hintergründe der Initiative dar.
Extremistische Richter: Die bayerische Landesregierung plant ein Landesgesetz, das die Überprüfung aller neu einzustellenden Richter durch den Verfassungsschutz vorsieht, meldet lto.de. Anlass ist der Fall eines rechtsextremistischen Richters.
Steuersparmodelle: Der Gesetzgeber kann Steuerberater verpflichten, neue Steuersparmodelle dem Fiskus zu melden. Das ergab ein Gutachten des Max-Planck-Instituts für Steuerrecht und öffentliche Finanzen, das im Auftrag des Bundesfinanzministeriums erstattet wurde. Die Samstags-SZ (Cerstin Gammelin) und die Montags-FAZ (Heike Göbel) fassen das Gutachten zusammen.
Erbschaftsteuer: Die Anwältin Luise Uhl-Ludäscher stellt auf lto.de den in der vergangenen Woche im Vermittlungsausschuss gefundenen Kompromiss zur Erbschaftsteuer vor und bewertet ihn. "Für sehr viele Unternehmen wird die Reform des Erbschaftsteuergesetzes keine Nachteile, sondern sogar Vorteile haben. Das kommt vor allem daher, dass die Bewertung der Unternehmen gegenüber dem bisherigen Recht um fast ein Viertel günstiger werden wird." Verlierer der Reform seien Erben, die Unternehmensanteile im Wert von mehr als 26 Mio. Euro erben. Sie müssten künftig eventuell Erbschaftsteuer zahlen, wenn sie sich nicht gut beraten ließen.
Die Samstags-FAZ (Johannes Leithäuser) zeigt auf, wie widersprüchlich die Grünen auf den Kompromiss bei der Erbschaftsteuer reagieren.
BND-Reform: netzpolitik.org (Markus Reuter) gibt einen ausführlichen Überblick über die Gegner der geplanten Legalisierung der BND-Auslands-Auslands-Kommunikationsüberwachung und ihre Argumente.
Der ehemalige Richter am Bundesgerichtshof, Linke-MdB und Geheimdienstkontrolleur Wolfgang Neskovic fordert in einem Beitrag für netzpolitik.org ein Sonderstrafrecht zum Schutz der Geheimdienstkontrolle. Unter anderem solle strafbar sein, "wenn Geheimdienst-Mitarbeiter ihre Dienstvorgesetzten und das Parlamentarische Kontrollgremium nicht, falsch oder irreführend informieren".
Ceta: Die FAZ (Hendrik Kafsack) berichtet über das informelle Treffen der EU-Handelsminister in Bratislava zum Thema Ceta. Unter anderem sei beschlossen worden, dass die Minister am 18.Oktober Ceta zustimmen wollen. Bis dahin soll noch eine gemeinsame Erklärung der EU und Kanada zu folgenden Themen erarbeitet werden: "die Versorgung der Menschen mit wichtigen Dienstleistungen wie Wasser, den Arbeitnehmerschutz, die Durchsetzung des Vorsorgeprinzips, den Verbraucherschutz sowie die Unabhängigkeit des neuen Gerichtshofs für Investorenschutzklagen". Das Abkommen soll in großen Teilen vorläufig angewandt werden können - aber ohne den neuen Investitionsgerichtshof.
Justiz
BVerfG - Ceta: Das Bundesverfassungsgericht will am 12. Oktober über Eilanträge gegen Ceta verhandeln und am 13. Oktober seine Entscheidung verkünden. Die Samstags-taz (Christian Rath) sieht darin eine Unterstützung der Bundesregierung bei ihren Verhandlungen. Die Samstags-SZ (Wolfgang Janisch) weist darauf hin, dass ein zentraler rechtlicher Streitpunkt laut Verhandlungsgliederung die "Weiterübertragung von Hoheitsrechten auf das Gerichts- und Ausschusssystem" sein werde.
BVerwG zu Erfahrungszeiten von Richtern: Das Bundesverwaltungsgericht hat es abgelehnt, die Zeit, die ein Richter während des Studiums als Steward im Flugverkehr gejobbt hat, als "Erfahrungszeit" im Sinne des Bundesbesoldungsgesetzes anzuerkennen. Anrechenbare Tätigkeiten müssten einen Bezug zum Beruf des Richters aufweisen. Das Urteil und seine Vorgeschichte wird in launiger Form von Anwalt Robert Hotstegs auf lto.de vorgestellt.
VG München zu polizeilichen Brustimplantaten: Auch eine Frau mit Brustimplantaten kann Polizistin werden, entschied das Verwaltungsgericht München in einem Eilverfahren. Ein Gutachter hatte laut spiegel.de festgestellt, dass es bei hochwertigen Brustimplantaten kein erhöhtes Verletzungsrisiko gebe.
LG Bonn - Eizellen: Nun berichtet auch der Spiegel (Bruno Schrep) - mit vielen Details - über ein Verfahren vor dem Landgericht Bonn. Eine Frau will sich zwei eingefrorene Eizellen im Vorkernstadium einpflanzen lassen, doch ihr Ex-Freund (der Samenspender) hat seine Einwilligung zurückgezogen. Das Gericht habe in der Verhandlung angedeutet, dass der Widerruf maßgeblich sei.
OLG Düsseldorf - Sven Lau: Die FAS (Reiner Burger) berichtet über den Fortgang des Prozesses gegen den Islamisten Sven Lau, insbesondere über die Aussage des Salafisten-Aussteigers Dominic Schmitz, der früher eine Art persönlicher Referent von Lau war. Schmitz stützt den Vorwurf, Lau habe junge Muslime zum Dschihad in Syrien überredet.
OLG München - NSU/Strafvereitelung: Mehrere Nebenkläger haben Strafanzeige wegen Strafvereitelung gegen zwei Bundesanwälte gestellt, weil diese die Vernichtung eines Notizbuchs des Rechtsradikalen Jan Werner angeordnet haben. Werner steht im Verdacht, den NSU-Terroristen eine Waffe besorgt zu haben. Die Bundesanwaltschaft betont, dass es sich um ein Versehen handelte und dass Kopien des Notizbuchs existieren. Es berichten spiegel.de (Wiebke Ramm) und die Montags-taz (Konrad Litschko).
LG München - Waffentransport: spiegel.de (Conny Neumann) und die Samstags-SZ (Christian Rost) schildern den Auftakt des Prozesses gegen den Montenegriner Vlatko V. Er war mit einem Auto voller Waffen für mögliche islamistische Attentäter in Paris erwischt worden. Es spreche wenig dafür, dass er bewusst Terroristen helfen wollte.
LG Frankfurt/M. - S&K: Nun berichtet auch focus.de über die Probleme des Landgerichts Frankfurt/Main, das Verfahren gegen die wegen Betrugs angeklagten Manager der Immobileingruppen S&K in absehbarer Zeit abzuschließen.
LG Bochum - Mauss: Am Landgericht Bochum beginnt am heutigen Montag der Prozess gegen den Geheimagenten Werner Mauss. Ihm wird Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit den Erträgen eines von ihm verwalteten angeblichen Geheimfonds vorgeworfen. Die Samstags-SZ (Hans Leyendecker u.a.) stellte den Fall in einem ausführlichen Dossier dar. Auch die Samstags-Welt (Dirk Laabs) und das Hbl (Volker Votsmeier) berichteten ausführlich.
Sexueller Mißbrauch von Kindern: bild.de (Maximilian Kiewel u.a.) findet, dass "Kinderschänder" in Deutschland zu milde, oft nur mit Bewährung, bestraft werden. Als Beleg werden Statistiken ausgewertet und exemplarische Fälle vorgestellt.
Justizkritik: Der Präsident des OLG Jena, Stefan Kaufmann, interpretiert in einem Leserbrief an die Samstags-FAZ die Justizkritik von Bundespräsident Norbert Lammert. Diese habe im Kern nicht auf die Gerichte, sondern die Staatsanwaltschaften gezielt.
Recht in der Welt
Frankreich - Kerviel: Ein Berufungsgericht in Versailles hat entschieden, dass der ehemalige Börsenhändler Jérôme Kerviel seiner früheren Arbeitgeberin, der Bank Societé General, nur eine Million Euro des angerichteten Schadens von 4,9 Mrd. Euro ersetzen muss. Die Bank trage eine Mitschuld am Schaden, weil sie Kerviel nicht ausreichend kontrollierte, berichtet die Samstags-SZ (Leo Klimm).
Italien - Schleuser: Der Spiegel (Alexander Bühler u.a.) berichtet in einer ausführlichen Reportage über die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in Palermo gegen einen eritreischen Schleuserring. Dank eines Kronzeugen wisse man mehr als je zuvor über die Machenschaften.
EU - Apple: Die in Manchester lehrende Kartellrechtlerin Liza Lovdahl-Gormsen kritisiert in einem Gastbeitrag für die Montags-SZ das Vorgehen der EU-Kommission gegen die Steuervermeidungspolitik Irlands, die den US-Konzern Apple begünstigte. Hier werde das Wetttbewerbsrecht missbraucht, um eine in den EU-Verträgen nicht vorgesehene Harmonisierung des Steuerrechts durchzusetzen. Die Rechtstaatlichkeit in der EU sei in Gefahr.
Juristische Ausbildung
Abbruch des Jurastudiums: Die FAS (Corinna Budras) beschreibt Gründe für den Abbruch des Jurastudiums und stellt zwei prominente Abbrecher vor: Herbert Grönemeyer und Günther Jauch.
Sonstiges
Stalking: Der Samstags-Tsp (Jost Müller-Neuhof u.a.) nimmt den Fall des Piraten-Politikers Gerwald Claus-Brunner zum Anlass für eine ausführliche Darstellung des Phänomens Stalking. Es wird erläutert, warum die Polizei nach einer Stalking-Anzeige des späteren Opfers von Clauss-Brunner nicht ermittelte, welche Beratungsmöglichkeiten es gibt, wie sich Opfer juristisch wehren können und welche gesetzlichen Änderungen geplant sind.
Facebook und Daten: Die FAS (Corinna Budras) spielt den Gedanken durch, dass Verträge mit Facebook und ähnlichen Anbietern keine unentgeltlichen Rechtsgeschäfte seien, weil jeder mit seinen Daten bezahle. Dies könnte unter anderem dazu führen, dass Verträge von Facebook mit Minderjährigen erst gültig sind, wenn eine Genehmigung der Eltern vorliegt.
Kindeswohl und Wechselmodell: Das Familienministerium hat zur Vorbereitung möglicher Gesetzgebung eine Studie zum Umgangsrecht in Auftrag gegeben, bei der es vor allem um die Frage geht, ob ein Wechselmodell (bei dem das Kind mal beim einen, mal beim anderen Elternteil wohnt) dem Kindeswohl entspricht. Laut WamS (Freia Peters/Sabine Menkens - verkürzte Fassung auf welt.de) könnten bei der Untersuchung aber ausgerechnet Kinder aus besonders strittigen Konstellationen nicht befragt werden. Geschildert wird ein Fall, in dem das Wechselmodell gescheitert ist, weil die Kinder unter den ständigen Ortswechseln litten.
Rechtsmedizin: Die WamS (Susanne Donner) stellt den Rechtsmediziner Michael Tsokos und seine Arbeit vor, insbesondere deren Veränderungen im Laufe der Zeit.
Einstweiliger Ruhestand: Der Spiegel (Dietmar Hipp) interviewt den emeritierten Rechtsprofessor Ulrich Battis zum Fall der in den einstweiligen Ruhestand versetzten 37-jährigen Berliner Senatssprecherin Daniela Augenstein. "Spätestens mit 39 Jahren müsste Frau Augenstein wohl wieder andere Einkünfte erzielen."
Mestmäcker: Die Samstags-FAZ (Werner Mussler) würdigt den emeritierten Rechtsprofessor Ernst-Joachim Mestmäcker anlässlich seines 90. Geburtstags. "Mestmäcker ist und bleibt der unbestrittene Nestor der Kartellrechtswissenschaft in Deutschland (und damit auch in Europa)."
Das Letzte zum Schluss
Konfetti und Datenschutz: Ein Mitarbeiter der Kommunalverwaltung Bad Kreuznach hat bei einem Heimspiel des 1. FC Kaiserslautern Konfetti verstreut, um die Stimmung zu heben. Wie das interessierte Publikum dann aber laut datenschutzticker.de feststellen konnte, handelte es sich um schlecht geschredderte Akten der Bad Kreuznacher Verwaltung, insbesondere zu Mietkostenzuschüssen und Unterhaltsfragen.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage. www.lto.de/presseschau
Die juristische Presseschau vom 24. bis 26. September 2016: Voßkuhle bleibt / Karlsruhe verhandelt über Ceta / Kindeswohl und Wechselmodell . In: Legal Tribune Online, 26.09.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20682/ (abgerufen am: 29.04.2024 )
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