Wie steht es um das Steuergeheimnis der Bürger? Haben Finanzbeamte zu leichtes Spiel beim Zugriff auf Steuerdaten? Der Fall Hoeneß löst erneut eine Debatte aus. Außerdem in der Presseschau: Noch keine Verfahrenseinstellung im Fall BayernLB, kein Visum für einen Nebenkläger vor dem BGH, Verfahrenseinstellung gegen Polizisten und warum man Diebesgut besser nicht bei Facebook feilbietet.
Thema des Tages
Finanzbeamte und das Steuergeheimnis: Nachdem die Staatsanwaltschaft München ihr Ermittlungsverfahren wegen der Verletzung von Dienst- und Steuergeheimnissen eingestellt hat, zieht der Fall Uli Hoeneß erneut Diskussionen nach sich. Im Fokus steht das Vorgehen der Finanzbehörden: Steuerdaten von Hoeneß waren damals wohl rechtswidrig an die Presse gelangt; wie sich nun herausstellte, sollen zwischen 1.000 und 3.000 Finanzbeamten Zugriff auf diese Daten gehabt haben. Angesichts dieser hohen Zahl hatte die StA das Verfahren als aussichtslos angesehen. Die SZ (Klaus Ott) fasst den Gang der Berichterstattung und die mutmaßlichen Verwicklungen einzelner Behörden und Medien zusammen. Auch die FAZ (Henning Peitsmeier/Joachim Jahn) berichtet.
"Nirgendwo in der Verwaltung geht der Auskunftsanspruch des Staats so weit wie beim Finanzamt", erklärt die SZ (Guido Bohsem/Claus Hulverscheidt), und lässt Experten zu Wort kommen, die mitunter fordern, dass jeder einzelne Zugriff auf Steuerakten protokolliert werden sollte. Der Zugriff auf Steuerdaten sei in den Bundesländern aber unterschiedlich streng geregelt. Laut der Welt (Karsten Seibel) will Bayern Zugriffsberechtigungen künftig reduzieren und Zugriffe protokollieren – und somit der Steuerdaten-Abrufverordnung gerecht werden, die den verantwortlichen Umgang mit Steuerdaten seit 2005 regele.
Für Ulrich Schäfer (SZ) offenbart der Fall den Missstand im Umgang deutscher Behörden mit den Daten seiner Bürger. Wenn eine vierstellige Zahl von Beamten Zugriff auf die Steuerakten Hoeneß' hatte und wohl auch in anderen Fällen hat – wie wolle der Fiskus sicherstellen, dass "nicht doch etwas an jemanden durchsickert, der nichts mit dem konkreten Steuerfall zu tun hat"? Außerdem offenbare sich dem Staat bereitwillig nur, "wer sich absolut sicher sein kann, dass das, was er dem Staat offenbart, nicht in falsche Hände gerät".
Rechtspolitik
Obergrenze im Asylrecht: Den Vorschlag des Bundesinnenministers Thomas de Maizère (CDU), in Deutschland eine Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen einzuführen, bezeichnet Heribert Prantl (SZ) als "absurd und verfassungswidrig". Eine Deckelung widerspreche den "ohnehin sparsamen Verpflichtungen, die in Grundgesetz und EU-Recht noch festgeschrieben sind". Die Flüchtlingszahlen stiegen nicht, weil Flüchtlinge "so gern fliehen", sondern "weil der Nahe Osten in Flammen steht, weil vor den Toren Europas die Hölle los ist".
Justiz
LG München – BayernLB und Verfahrenseinstellung: Das Verfahren gegen einige der vor dem Landgericht München angeklagten Ex-Manager der BayernLB wegen des umstrittenen Kaufs der österreichischen Bank Hypo Alpe Adria ist am gestrigen Montag nun doch nicht eingestellt worden. Der SZ (Stephan Radomsky) zufolge bremste die Staatsanwaltschaft die Einstellung gegen Geldauflagen aus. Es seien "Formulierungen im Text des Einstellungsbeschlusses umstritten" – an diesem Dienstag aber könne laut Staatsanwaltschaft feststehen, ob sie den Beschluss nun doch mitträgt. Ihre Zustimmung sei erforderlich, um das Verfahren nach § 153a Strafprozessordnung einzustellen. Auch das Handelsblatt (Kerstin Leitel) und die FAZ (Henning Peitsmeier) berichten.
Joachim Jahn (FAZ) kritisiert, die voraussichtlich 5.000 Euro, mit denen einige Landesbanker nun davon kommen könnten, seien "lachhaft niedrig". Wenn das Vorgehen der Angeklagten nicht strafbar war, müsse das Gericht "den Mumm aufbringen", die Angeklagten freizusprechen. Schließlich stört sich Jahn daran, dass die Bemessung der Geldauflage gesetzlich nicht geregelt ist: "Gefeilscht wird vielmehr getreu einer vagen Formel, in der die Vermögensverhältnisse des Beschuldigten und die Rest-Wahrscheinlichkeit seiner Verurteilung multipliziert werden."
BGH – kein Visum für Nebenkläger: Laut taz (Christian Jakob) wird der Nebenkläger im Revisionsverfahren um den Fall Oury Jalloh vor dem Bundesgerichtshof nicht nach Deutschland einreisen dürfen. Jalloh war 2005 gefesselt in einer Polizeizelle in Dessau ums Leben gekommen, nachdem dort ein Feuer ausgebrochen war. Sein Bruder Saliou Diallo will vor dem BGH als Nebenkläger auftreten, wo die Verurteilung eines ehemaligen Gruppenleiters der Polizei wegen fahrlässiger Tötung geprüft wird. Die deutsche Botschaft in Guinea habe Diallo jedoch kein Visum erteilt, weil seine Anwesenheit "nicht erforderlich", seine Absicht auszureisen, "nicht feststellbar" seien.
StA Berlin – Verfahrenseinstellung gegen Polizisten: Die taz (Sebastian Heiser) berichtet über die Einstellung eines Strafverfahrens der Staatsanwaltschaft Berlin gegen mehrere Polizisten. Sie hätten im Verdacht der Freiheitsberaubung gestanden, weil sie eine Frau nach Erteilung eines Platzverweises weggetragen und im Auto festgehalten hätten. Nach Ansicht der StA habe es aber an der subjektiven Komponente der Freiheitsberaubung gefehlt: Die Beamten seien von der Rechtmäßigkeit ihres Handelns überzeugt gewesen. Der Fall zeige, dass die Justiz mit zweierlei Maß messe, schreibt die taz, weil "je nach Art des Täters" ein Gesetz "mal in diese Richtung und mal in die andere" gebogen werde.
LG Stade – 19-Jähriger soll Schwester getötet haben: Vor der Jugendkammer des Landgerichts Stade muss sich seit Montag ein Mann wegen Totschlags verantworten. Er soll seine elfjährige Schwester erdrosselt haben. Beamte hatten das Mädchen in einem Müllsack verpackt auf dem Grundstück der Eltern entdeckt, nachdem der Vater des Mädchens dieses als vermisst gemeldet hatte. Der Mann war zum Tatzeitpunkt 18 Jahre alt. Spiegel.de meldet, seine Verteidigerin habe beantragt, eine frühere Vernehmung des Angeklagten nicht zu verwerten, weil ihm – so die Verteidigerin – ein Beamter eine Falle gestellt hatte.
LG Essen – RWE verklagt Bund und Hessen: Wie lto.de meldet, hat der Energiekonzern RWE am Montag beim Landgericht Essen Klage gegen den Bund und das Land Hessen wegen rechtswidriger Stilllegung der Reaktorblöcke des Atomkraftwerks Biblis eingereicht. RWE war vor der Stilllegung nicht angehört worden, was zuletzt das Bundesverwaltungsgericht als rechtswidrig eingestuft hatte; der Konzern begehre etwa 200 Millionen Euro Schadensersatz.
StA Kiel – Bildungsministerin unter Betrugsverdacht: Wie zeit.de meldet, hat die Staatsanwaltschaft Kiel ein Ermittlungsverfahren gegen die Bildungsministerin Schleswig-Holsteins, Waltraud Wende (parteilos), eingeleitet. Die StA verdächtige sie und den Flensburger Universitätskanzler der Bestechung, der Bestechlichkeit und des Betruges. Wende soll sich die Zusage gesichert haben, nach ihrer Zeit in der Politik wieder als Professorin der Universität Flensburg arbeiten zu können. Im Gegenzug soll sie dem Senat der Hochschule den Universitätskanzler zur Wiederwahl vorgeschlagen haben.
Recht in der Welt
Brasilien – Gefängnismeuterei: In einem offenbar überfüllten südbrasilianischen Gefängnis ist es zu einer Meuterei gekommen. Wie focus.de meldet, sind vier Menschen getötet und zahlreiche weitere verletzt worden. Die Insassen wollen bessere Haftbedingungen erpressen; dahinter stecke anscheinend eine der mächtigsten Gangs des Landes.
Sonstiges
Genfer Konvention: Anlässlich des 150-jährigen Bestehens der Genfer Konvention äußert sich der Völkerrechtler Hans-Joachim Heintze in einem Beitrag auf lto.de zu dem völkerrechtlichen Abkommen, das "die schlimmsten Exzesse des Krieges verhindern soll". Zu seinem Platz in der heutigen Zeit weist Heintze auf den Wandel bewaffneter Konflikte hin: Anders als früher sei die heute am häufigsten auftretende Form der Bürgerkrieg. Die Gewalt gehe dann von nichtstaatlichen Akteuren aus – als Beispiel nennt Heintze die Terrortruppe IS. Derlei Kriegsparteien ließen sich in das humanitäre System des Völkerrechts nicht einbinden, hier helfe nur das Strafrecht. Bei Staaten hingegen, die die IS unterstützen, setzten die Sanktionen des Sicherheitsrates an der richtigen Stelle an.
Maßregelvollzug in Bayern: In einem Bericht zum Maßregelvollzug in Bayern erläutert die SZ (Kathleen Hildebrand/Anne Kratzer) die Ziele des Maßregelvollzugs – Schutz der Bürger und Therapie der Täter – und die verschiedenen Lockerungsstufen, nach denen Patienten die Forensik zum Beispiel unbewacht verlassen dürfen. 99,99 Prozent aller Lockerungsentscheidungen seien richtig, wird eine Vollzugsleiterin der Forensik zitiert; Rückfallquoten Freigelassener seien niedriger als die ehemaliger JVA-Insassen.
Das Letzte zum Schluss
Staatsanwältin findet gestohlene Biermarken auf Facebook: 12.000 Euro sollen die im Mai auf dem Volksfest "Maidult" im Raum Niederbayern geklauten Biermarken wert gewesen sein – jetzt hat eine Staatsanwältin sie laut justillon.de (Stephan Weinberger) auf Facebook gefunden: Die mutmaßlichen Täter sollen die Biermarken auf Facebook feilgeboten haben. Die Staatsanwältin schlug zu – und bescherte den Verkäufern eine Hausdurchsuchung und ihre Festnahme.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/fr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 26. August 2014: Fall Hoeneß und Steuergeheimnis – BayernLB und Verfahrenseinstellung – Kein Visum für Nebenkläger . In: Legal Tribune Online, 26.08.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12992/ (abgerufen am: 04.05.2024 )
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