Der Bundesjustizminister veröffentlicht ein Buch, Kritik lässt nicht auf sich warten. Außerdem in der Presseschau: BVerfG verhandelt zu der von Johanna Wanka erteilten Roten Karte, Verfassungsgericht Taiwans ebnet den Weg für die Homo-Ehe.
Thema des Tages
Buchautor Heiko Maas: In seinem nun veröffentlichten Buch "Aufstehen statt Wegducken. Eine Strategie gegen Rechts" entwirft Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) Handlungsanweisungen zum Umgang mit Rechtspopulisten. Die Welt (Thorsten Jungholt) attestiert dem Werk lesenswerte Passagen, etwa in der Beschreibung des Versuchs populistischer Bewegungen, über die Prägung bestimmter Begriffe "in gesellschaftlichen Debatten kulturelle Hegemonie zu erlangen". Im Übrigen tauge das Buch "zum anstehenden Wahlkampf", es sei schließlich auch seinem erklärten Selbstverständnis nach ein politisches und kein wissenschaftliches Werk. Dem entspreche dann auch die fortwährende Pauschalisierung, beginnend beim Begriff "rechts", unter den für den Minister sowohl AfD, Pegida, Reichsbürger, die sogenannte Identitäre Bewegung und mutmaßlich auch Neoliberale sowie Kritiker der von ihm maßgeblich betriebenen Mietpreisbremse fallen würden. Vergleichbar fällt die Besprechung von Eckhard Jesse im Literatur-Teil des Hbl aus. Maas verstehe "sein Amt auch als Plattform für öffentliche Interventionen", wenn er Werte der Demokratie in Gefahr sehe, so der Politikwissenschaftler. Dabei operiere er aber "mit unscharfen Begriffen" und liefere daher "eine unscharfe Analyse der gesellschaftlichen Lage" ohne "echtes Diskussionsangebot" an Vertreter anderer Ansichten.
Rechtspolitik
Ausreisepflicht: Rechtsanwalt Marcel Keienborg stellt auf lto.de die Kritik an dem in der vergangenen Woche vom Bundestag verabschiedeten Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht dar. Maßnahmen wie erweiterte Mitwirkungspflichten von Asylbewerbern oder die Verlängerung der zulässigen Höchstdauer des Verbleibs in einer Aufnahmeeinrichtung setzten "konsequent" den in dieser Legislaturperiode beschrittenen Weg fort, "Probleme allein durch Verschärfungen zu Lasten der Flüchtlinge zu lösen", und schreckten hierbei auch nicht vor möglichen Verletzungen von Verfassungsrecht zurück.
NetzDG: In seiner Kolumne erkennt Jochen Bittner (zeit.de) das mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz verbundene Anliegen an, "etwas gegen die massenhaften Verletzungen von Persönlichkeitsrechten unternehmen" zu wollen. Justizminister Heiko Maas (SPD) habe jedoch in seinem Einsatz für das Gesetz die angesichts der Bedeutung der Meinungsfreiheit gebotene Neutralität im Meinungskampf nicht einmal ansatzweise beachtet. Somit sei "das eigentlich richtige Gesetz" nun "von Anfang an mit dem gänzlich falschen Geist" eines nach verfassungsrechtlichen Maßstäben unzulässigen Sonderrechts beseelt worden.
Geschäftsordnung BT: Die SZ (Robert Roßmann) skizziert Überlegungen der Großen Koalition zu einer möglichen Änderung der Geschäftsordnung des Bundestages. Bei einem Einzug der AfD in das neu zu wählende Parlament würde sie nach bisherigen Gepflogenheiten auch den Alterspräsidenten stellen, dies solle verhindert werden, indem der dienstälteste Parlamentarier das Recht zur Eröffnung des Bundestages erhalte. Daneben könnte die AfD aber auch einen Anspruch auf einen Vizepräsidentenposten geltend machen. Hier gebe es Überlegungen zur Verkleinerung des Präsidiums.
Mietpreisbremse: Nach einem Bericht der SZ (Benedikt Müller) sind Versuche der SPD, die sogenannte Mietpreisbremse noch in dieser Legislaturperiode zu verschärfen, endgültig gescheitert. Bisherige Erkenntnisse über die Wirksamkeit der vor zwei Jahren eingeführten Bestimmungen seien uneindeutig. Die Welt (Michael Fabricius) zählt drei "Konstruktionsfehler" der Mietpreisbremse auf. So wäre es etwa nötig, Vermieter zu zwingen, die Vormiete als Berechnungsgrundlage der neuen zulässigen Miete offenzulegen.
Fahrverbot: Die Präsidenten der Oberlandesgerichte und des Bundesgerichtshofs zeigten sich auf ihrer Jahrestagung am vergangenen Mittwoch aufgeschlossen gegenüber der Sanktionsmöglichkeit eines Fahrverbots auch bei Straftaten ohne Verkehrsbezug. Daneben wurde nach dem Bericht der FAZ (Alexander Haneke) gefordert, die Pressearbeit an Gerichten weiter zu professionalisieren. Über die Tagung berichtet auch lto.de.
Bauvertragsrecht: Das ab dem kommenden Jahr geltende neue Bauvertragsrecht sieht für Bauherren ein umfassendes Anordnungsrecht für Änderungen vor. Die konfliktträchtigen Änderungen stellt ein Gastbeitrag von Rechtsanwalt Friedrich-Karl Scholtissek im Immobilen-Teil der FAZ vertieft vor.
Justiz
BVerfG – "Rote Karte": Berichte zur mündlichen Hauptsacheverhandlung am vergangenen Mittwoch zu der von der AfD beim Bundesverfassungsgericht betriebenen Organklage wegen einer Presseerklärung von Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) bringen taz (Christian Rath), SZ (Wolfgang Janisch) und FAZ (Helene Bubrowski). Die Ministerin habe auf ihrem Recht beharrt, ihrer persönlichen Empörung über Angriffe auf die Kanzlerin auch Ausdruck verleihen zu dürfen. Das Gericht dagegen habe angedeutet, dass es seine vorläufige Entscheidung, nach der die von Wanka der AfD erteilte "Roten Karte" von der Webseite des Ministeriums entfernt werden musste, aufrechterhalten werde. Ein Urteil werde in einigen Monaten erwartet.
BVerfG zu Abschiebungen: Die erfolgreiche Verfassungsbeschwerde eines syrischen Flüchtlings gegen seine instanzgerichtlich angeordnete Abschiebung nach Griechenland wird nun auch vertieft von der wissenschaftlichen Mitarbeiterin Dana Schmalz auf verfassungsblog.de vorgestellt. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom vergangenen Dienstag verdeutliche die Notwendigkeit eines Gemeinsamen Europäischen Asylsystems.
HessVGH zu Kopftuch: Kopftuchtragende Rechtsreferendarinnen dürfen in Hessen keine sitzungsleitenden Tätigkeiten ausüben. Nach einem Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom vergangenen Mittwoch müssten die betreffenden Referendarinnen auch äußerlich den Anschein staatlicher Neutralität wahren. Dies sei mit einem Kopftuch nicht möglich. Über den Beschluss schreibt spiegel.de.
LG Erfurt – Mafia: Vor dem Landgericht Erfurt versucht ein Gastronom, vom MDR ein Schmerzensgeld zu erstreiten, weil er in einem Bericht des Senders zu Unrecht als Mitglied der Mafiaorganisation Ndrangheta dargestellt worden sei. Die Verhandlung besucht hat die taz (Ambros Waibel).
StA Köln – Kölner Stadtarchiv: Acht Jahre nach dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs hat die Staatsanwaltschaft Köln nun Anklage gegen zwei Bauarbeiter und fünf für die Aufsicht über die U-Bahn-Baustelle Zuständige erhoben. Ihnen wird fahrlässige Tötung in zwei Fällen und Baugefährdung vorgeworfen. Die auf aufwändigen Ermittlungen beruhende Anklage stellt die SZ (Jan Bielecki) vor. Mit einem Prozessbeginn sei frühestens in einigen Monaten zu rechnen.
Franz Enderle: Das Hbl (Markus Fasse/Volker Votsmeier) porträtiert Rechtsanwalt Franz Enderle. Der Partner der Kanzlei Bub Gauweiler unterlag soeben mit dem Versuch, als Vertreter der Unternehmerfamilie Hastor Vorstand und Aufsichtsrat des Autozulieferers Grammer AG austauschen zu lassen, sein Auftragsbuch sei mit Mandaten wie jenem der Metro aber dennoch "prall gefüllt".
Anwaltstag: Die FAZ (Marcus Jung/Hendrik Wieduwilt) berichtet über die Eröffnung des bis zum heutigen Freitag laufenden Anwaltstages in Essen. In seiner Eröffnungsrede habe Ulrich Schellenberg, Präsident des Deutschen Anwaltvereins, auf die Bedeutung von Legal-Tech-Tools und die sich hierdurch für die Anwaltschaft ergebenden Chancen hingewiesen. Ein Grußwort von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) habe dieses Thema aufgegriffen. Daneben habe der Minister das maßgeblich von ihm betriebene Netzwerkdurchsetzungsgesetz verteidigt.
Recht in der Welt
USA – Einreiseverbot: Nachdem ein Berufungsgericht im US-Bundesstaat Virginia auch die überarbeitete Version des vorläufigen Einreiseverbots für Angehörige bestimmter muslimischer Staaten für unzulässig erklärt hat, will die US-Regierung nach Meldung von zeit.de die Rechtmäßigkeit des Erlasses vor dem Obersten Gericht prüfen lassen.
China – Korruption: In einer Reportage über die in China weit verbreitete Korruption erzählt die FAZ (Hendrik Ankenbrand) die Geschichte eines Bauern aus dem Nordosten des Landes. Aus Ärger über die Umweltverschmutzung seines Dorfes nahm dieser ein Selbststudium des Rechts auf und erstritt nach zwei Jahrzehnten gute 100.000 Euro Schadensersatz. Eine Berufungsentscheidung zum Fall stehe noch aus.
Taiwan – Homo-Ehe: Gesetzliche Bestimmungen in Taiwan, die Menschen gleichen Geschlechts die Eheschließung verweigern, verstoßen nach einer Entscheidung des Verfassungsgerichts gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung. Das Parlament müsse nun innerhalb von zwei Jahren entsprechende Regelungen für die Homo-Ehe schaffen, schreibt die SZ (Kai Strittmatter). Taiwan würde damit das erste asiatische Land sein, das gleichgeschlechtliche Partnerschaften derart legalisiert.
Das Letzte zum Schluss
Hirnschrittmacher: Vor Gericht und gerade auch in Schreiben an Richter empfiehlt sich ein sachlich-zurückhaltender Ton. Die Anrede als "ignoranter kranker Penner" oder die Empfehlung eines "Hirnschrittmachers" muss aber nicht in jedem Fall eine Verurteilung nach § 185 Strafgesetzbuch nach sich ziehen, wie burhoff.blog.de (Detlef Burhoff) in einer Meldung zu einem Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom März zu berichten weiß. Der freigesprochenen Verfasserin einer E-Mail besagten Inhalts konnte zugutegehalten werden, dass ihr Anwurf "weit überwiegend eine sachbezogene Auseinandersetzung anstrebte".
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 26. Mai 2017: Buchautor Heiko Maas / Rote Karte am BVerfG / Premiere in Taiwan . In: Legal Tribune Online, 26.05.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23004/ (abgerufen am: 29.04.2024 )
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