In Europa wird Folter nicht geduldet: Der EGMR hat Polen verurteilt, weil die CIA dort ein Geheimgefängnis betrieb. Außerdem in der Presseschau: die Bundesregierung wimmelt Anfrage ab, das BVerfG stärkt Hochschullehrer, der BGH hat die Suhrkamp-Insolvenz kritisiert, Wirtschaftskriminalität richtet hohe Schäden an - und Rauchern bleibt bald nur noch eine Eisscholle.
Thema des Tages
EGMR zu Folterverbot: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat Polen verurteilt, weil die CIA dort in einem Geheimgefängnis Terrorverdächtige gefoltert hat. Geklagt hatten ein Saudi-Araber und ein Palästinenser, die in den Jahren 2002 und 2003 dort festgehalten, verhört und gefoltert wurden. Sie sind inzwischen in Guantanamo inhaftiert. Polen soll ihnen nun ein Schmerzensgeld in Höhe von je 100.000 Euro zahlen. Die polnische Regierung habe von der Folter gewusst und die CIA-Einrichtung dennoch unterstützt, so der EGMR. Polen erwägt, gegen das Urteil Berufung einzulegen. Es berichten die taz (Christian Rath), die SZ (Frederik Obermaier) und internet-law.de (Thomas Stadler).
Klaus Brill (SZ) hofft, US-Präsident Obama werde sich das Urteil "zu Herzen nehmen". Der Westen müsse nun zeigen, dass rechtsstaatliche Grundsätze tatsächlich gelten. Christian Rath (taz) kommentiert, das Urteil könne über den konkreten Fall hinaus wirken. So müsse auch Deutschland damit rechnen, sich in Straßburg auf der Anklagebank wiederzufinden, wenn es Daten für völkerrechtswidrige Morde mit US-Drohnen liefere.
Rechtspolitik
Kastration von Sexualstraftätern: Bisher konnten sich Sexualstraftäter in Deutschland auf eigenen Antrag kastrieren lassen. Das Anti-Folter-Komitee des Europarates hat Bund und Länder nun aufgefordert, diese Praxis zu beenden. Das meldet spiegel.de.
Informationspflicht der Regierung: Die Fraktion der Linken hat im Bundestag eine kleine Anfrage zu den rechtlichen Grundlagen des Bundesnachrichtendienstes (BND) gestellt, ist aber von der Bundesregierung mit einer nur elf Zeilen knappen Antwort "abgewimmelt" worden, kritisiert die SZ (Heribert Prantl) in einem Bericht. Im Mai hatten Experten – darunter der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts Hans-Jürgen Papier – im NSA-Untersuchungsausschuss geäußert, der BND handele im Ausland möglicherweise ebenso ohne Rechtsgrundlage wie der US-Geheimdienst NSA in Deutschland. Papier mahnte nun laut SZ, die Bundesregierung müsse ihre Informationspflichten gegnüber dem Parlament beachten.
In einem gesonderten Kommentar schreibt Prantl (SZ), der Umgang der Bundesregierung mit Anfragen sei "skandalös" und wünscht sich einen Straftatbestand der "Missachtung des Parlaments".
Andrea Voßhoff: Die FAZ (Joachim Jahn) stellt die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff (CDU) und ihre Behörde vor. Als Amtschefin sei sie "eine mächtige Frau", die nicht nur die Bundesministerien, sondern auch Jobcenter, Sozialversicherungsträger und Telkommunikationsdienstleister beim Umgang mit sensiblen Daten kontrolliert – auch wenn sie keine Sanktionen verhängen kann. Voßhoffs wichtigstes Projekt sei es, die EU-Datenschutz-Grundverordnung voran zu treiben.
Justiz
BVerfG zu Wissenschaftsfreiheit: Das Bundesverfassungsgericht hat die Rechte von Hochschullehrern gestärkt. Die im Grundgesetz garantierte Freiheit der Wissenschaft verlange, sie an allen Entscheidungen zu beteiligen, die für die Wissensschaft relevant sind – dazu gehören auch Organisationsstruktur und Haushalt. Konkret hielten die Richter Vorschriften des niedersächsischen Hochschulgesetzes über die Medizinische Hochschule Hannover für verfassungswidrig und gaben damit der Verfassungsbeschwerde eines Hochschullehrers statt. Es berichten die SZ (Wolfgang Janisch/Roland Preuss) und die FAZ (ahan).
BVerfG – Wahlrecht für Minderjährige: Der Rechtswissenschaftler Moritz von Rochow befasst sich auf juwiss.de mit dem Wahlrecht für Minderjährige. Er glaubt, der Ausschluss von Jugendlichen werde einst so anachronistisch anmuten, wie der Ausschluss von Frauen und abhängig Beschäftigten heute. Ob das Bundesverfassungsgericht in der anhängigen Wahlprüfungsbeschwerde zur Bundestagswahl zu diesem Ergebnis kommt, sei aber noch nicht gesagt.
BGH zu Suhrkamp: Der FAZ (Sandra Kegel) liegt der bisher nicht veröffentlichte Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 17. Juli zum Insolvenzplanverfahren des Suhrkamp Verlags vor. Demnach habe der BGH die Beschlüsse des Landgerichts Berlin nicht nur aus formalen Gründen aufgehoben und zurückverwiesen. So kritisierten die Richter, dass alle Forderungen von Insolvenzgläubigern voll erfüllt werden sollten und Sanierungsmaßnahmen fehlten. Außerdem hielten sie die Umwandlung der Suhrkamp KG in eine Aktiengesellschaft für problematisch. Im FAZ-Leitartikel erläutert Kegel, damit stärke der BGH die Rechte des Miteigentümers Barlach. Die Justiz sehe den Streit dabei "naturgemäß als rechtliche Kontroverse", anstatt die kulturelle Bedeutung des Verlages in den Mittelpunkt zu stellen.
BGH zu Speicherung von IP-Adressen: internet-law.de (Thomas Stadler) berichtet knapp über eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs von Anfang Juli, die bestätigt, dass Internetserviceprovider IP-Adressen ihrer Kunden sieben Tage lang speichern dürfen, um Störungen der Telekommunikationsanlagen zu beseitigen. Dass der Europäische Gerichtshof die Vorratsdatenspeicherung gekippt hatte, ändere daran nach Ansicht der Richter nichts, weil die Daten nicht zum Zweck der Strafverfolgung gespeichert würden.
BVerwG zu Produktplatzierung: Der Rechtsanwalt Gero Himmelsbach analysiert auf lto.de das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zur Produktplatzierung in Fernsehsendungen – hier ging es um die Kooperation von Sat1 und Hasseröder-Bier. Die Richter hielten die Sendung für zulässig, sie hätten dabei aber Belange des Jugendschutzes und die Rolle der Landesmedienanstalten nicht ausreichend berücksichtigt.
LG Regensburg – Mollath-Prozess: spiegel.de (Beate Lakotta) und die SZ (Hans Holzhaider) im Bayern-Teil berichten über die Zeugenbefragung im Prozess gegen Gustl Mollath vor dem Landgericht Regensburg, hier traten nun die Psychiater Klaus Leipziger und Hans S. auf. Hans Holzhaider (SZ) kommentiert außerdem die Mandatsniederlegung von Mollaths Anwälten, die nun als Pflichtverteidiger weitermachen. Das sei wohl als "Schuss vor den Bug" zu verstehen, um Mollath die Spielregeln vor Gericht klar zu machen.
Recht in der Welt
Frankreich – Hohe Kaution für UBS: Die französische Justiz ermittelt gegen die Schweizer Bank UBS wegen illegaler Kundenanwerbung, Beihilfe zur Steuerhinterziehung und Geldwäsche - und verlangte nun vorab eine Sicherheitsleistung von 1,1 Milliarden Euro. Offenbar sei man in Frankreich "auf den Geschmack" gekommen, nachdem zuletzt US-Behörden hohe Strafzahlungen von der Credit Suisse Bank gefordert hatten, heißt es in einem Bericht der FAZ (du).
Österreich – Josef S. geht in Berufung: Der deutsche Student Josef S., der in Wien nach den Protesten gegen den Akademiker-Ball der Burschenschafter zu zwölf Monaten Haft verurteilt worden ist, will Berufung einlegen, so spiegel.de. Die Beweislage gegen S. galt als ausgesprochen dürftig.
USA – Todesstrafe: Nachdem erneut ein Straftäter qualvoll hingerichtet wurde, wird in den USA über die Todesstrafe diskutiert. Die SZ befasst sich damit auf der Themenseite: David Hesse schildert den aktuellen Fall, in dem der verurteilte Mörder Joseph Wood erst nach zwei Stunden starb. Christoph Behrens erklärt, warum Hinrichtungen mit Giftcocktails schmerzhaft sind. Reymer Klüver erläutert die Argumente der Todesstrafe-Gegner. Auch focus.de (Markus Sebek) berichtet über den Fall Wood und andere Fälle.
Sonstiges
Studie zu Vorratsdatenspeicherung: netzpolitik.org (Andre Meister) berichtet über eine Studie zu den Folgen des Urteils des Europäischen Gerichtshofes zur Vorratsdatenspeicherung. Demnach kommen die Rechtsprofessoren Franziska Boehm und Mark Cole zu dem Ergebnis, dass nun auch nationale Gesetze und andere Datensammlungen wie Abkommen zu Reisedaten und Finanztransaktionsdaten überprüft werden müssten.
Studie zu Wirtschaftskriminalität: Das Bundeskriminalamt hat das Lagebild zur Wirtschaftskriminalität vorgestellt. Demnach gab es im Jahr 2012 zwar weniger Wirtschaftsstraftaten, dabei aber größere Schäden – insgesamt in Höhe von rund 3,8 Milliarden Dollar. Es berichten die FAZ (Joachim Jahn) und spiegel.de.
Rüstungsexporte: Kann die Bundesregierung bereits genehmigte Waffenexporte widerrufen? Ja, wenn sie das betroffene Unternehmen angemessen entschädigt, erklärt die SZ (Christoph Hickmann). Das regelt das Kriegswaffenkontrollgesetz und so sehe es auch die Bundesregierung in einer Stellungnahme für das Bundesverfassungsgericht. Hintergrund für die Stellungnahme war die Verhandlung über eine Klage dreier Bundestagsabgeordneter der Grünen, die Informationen über Rüstungsexporte verlangt hatten.
Das Letzte zum Schluss
Kein Platz für Raucher: Den Rauchern gehe es derzeit wie den Eisbären, schreibt Wolfgang Janisch (SZ) – ihr Lebensraum verschwinde. Nun will eine Wohnungsgenossenschaft in Halle-Süd eine komplett qualmfreie Anlage mit 33 Wohnungen bauen - juristisch nicht unbedenklich. Denn dass sich die Mieter beim Einzug verpflichten, nicht zu rauchen, möge ja noch angehen, aber spätestens wenn einer davon eine Raucherin ehelicht, stelle sich die Frage, ob eine Kündigung wegen Rauchens nicht unverhältnismäßig sei: "Muss er sich dann von der Wohnung trennen? Oder von der Frau?"
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ak
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 25. Juli 2014: EGMR gegen Folter – BVerfG für Wissenschaftsfreiheit – BGH zweifelt an Suhrkamp-Insolvenz . In: Legal Tribune Online, 25.07.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12676/ (abgerufen am: 05.05.2024 )
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