Für heute wird das Urteil im Prozess gegen die ehemaligen Deutsche Bank-Manager erwartet - es wird wohl ein Freispruch. Außerdem in der Presseschau: Merkel irrt bei Böhmermann, blöde Gedichtanalysen nicht verboten und das Fürstentum Sealand.
Tagesthema
LG München I – Deutsche-Bank: Im Verfahren gegen die ehemaligen Deutsche Bank-Vorstandsmitglieder Rolf-Ernst Breuer, Josef Ackermann, Clemens Börsig und Tessen von Haydebreck, sowie den Co-Vorstandsvorsitzenden Jürgen Fitschen wird für den heutigen Montag ein Freispruch erwartet. spiegel.de (Gisela Friedrichsen) erläutert noch einmal alle Hintergründe der Anklage – "mehr Masse als Klasse" – wegen versuchten Prozessbetrugs im Zivilverfahren vor dem Oberlandesgericht München, von der nur noch ein "Scherbenhaufen" übrig sei. Der Vorsitzende Richter habe bei Ablehnung des letzten staatsanwaltlichen Beweisantrags klar erkennen lassen, dass es keine Verurteilung geben werde. Spannend sei nun lediglich, wie hart das Urteil mit der Staatsanwaltschaft ins Gericht gehe. Weiter geht es um die Seltenheit und Bedeutung von Freisprüchen - so endeten in Bayern nur 2,7 Prozent aller angeklagten Fälle mit einem Freispruch.
Die WamS (Philipp Vetter) befasst sich mit Chefanklägerin Christiane Serini, die nicht lockerlässt, und mit dem, was ihre Kollegen, die Angeklagten und Verteidiger offen und hinter vorgehaltener Hand über sie sagen.
Rechtspolitik
Sexualstrafrecht: Die wissenschaftliche Mitarbeiterin Ulrike Lembke kritisiert auf verfassungsblog.de den Gesetzentwurf zur Reform des Sexualstrafrechts. Schon weil das "rechtswidrig" durch höchstrichterliche Rechtsprechung geschaffene Erfordernis von Widerstand nicht aufgegeben werde, handele es sich nicht um eine Reform. Parallel zu Diebstahl und Raub müsse ein Grundtatbestand der "nicht einverständlichen sexuellen Handlung" her, der durch Nötigungsmittel zur Vergewaltigung qualifiziert werde.
Verbraucherklagen: Verbraucherschutzminister von Bund und Ländern haben sich am Freitag einstimmig für eine Erweiterung der Klagerechte von Verbrauchern ausgesprochen, melden lto.de und Samstags-Welt. Das umfasst Musterklagen nach dem Vorbild des Kapitalmarktrechts und die Erweiterung der Möglichkeit für Sammelklagen. "Amerikanische Verhältnisse" soll es aber nicht geben.
Urhebervertragsrecht: In der Samstags-FAZ kritisiert der Verleger Jörg Sundermeier den Entwurf zum neuen Urhebervertragsrecht, weil er auf dem Bild unmündiger Autoren und Verleger basiere. Außerdem meint er, ein Leistungsschutzrecht sei keine Lösung für die Lücke, die das VG Wort-Urteil des Bundesgerichtshofs reiße.
Strafbare Blasphemie: Wie zeit.de meldet, fordert die Schriftstellervereinigung PEN die Abschaffung des § 166 im Strafgesetzbuch, welcher die Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen unter Strafe stellt; dies sei genauso unzeitgemäß wie die Strafbarkeit der Beleidigung ausländischer Staatsoberhäupter.
Neue Mitglieder für Ethikrat: Heike Schmoll (Montags-FAZ) kritisiert die Pluralismus-Müdigkeit bei der Neubesetzung der Hälfte der 26 Plätze im deutschen Ethikrat, der ohnehin oft "Kompromisspapiere" produziere. Es gäbe ein Übergewicht von Medizinern, Theologen und Juristen. "Kaum nachvollziehbar" sei, dass das Staatsrecht gleich mehrfach vertreten sei, das Völkerrecht hingegen ganz fehle. Im ersteren Falle werde dies auch noch "in Gestalt eines Lehrers und dessen Schüler", der den Gesetzentwurf zum assistierten Suizid geschrieben habe, repräsentiert. Die Philosophie sei lediglich von einem rechtsphilosophisch "bewanderten" Juristen vertreten. Berufen werden die Mitglieder vom Bundestagspräsidenten auf "unkoordinierten" Vorschlag von Bundesregierung und Bundestagsfraktionen.
Justiz
"Frau Merkels Justizirrtum": Patrick Bahners (Montags-FAZ) kritisiert den Wertungswiderspruch im Fall Böhmermann, einerseits gemäß § 104a Strafgesetzbuch die Ermächtigung zur Strafverfolgung zu erteilen, andererseits aber eine Abschaffung des § 103 Strafgesetzbuch anzukündigen. Eine Berufung Merkels auf das Gebot der Gewaltenteilung greife nicht durch, das Gesetz sehe ja gerade eine den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen vorgehende politische Entscheidung vor. Die erteilte Ermächtigung sei übrigens, so schließt Bahners, widerrufbar.
BVerwG zu Beamtenrecht in B-W: Nach Baden-Württembergischem Disziplinarrecht entfalten nicht nur – wie im Bund und anderen Ländern – Gerichtsentscheidungen bindende Wirkung im gerichtlichen Disziplinarverfahren, sondern auch bestandskräftige Bescheide. Ebenfalls abweichend von sonstigem Disziplinarrecht sind Entlassungen durch Behördenbescheid zulässig. Beide Regelungen hielt das Bundesverwaltungsgericht in Entscheidungen vom vergangenen Donnerstag nicht für verfassungswidrig, wie Rechtsanwalt Frank Wieland auf lto.de berichtet.
BAG zu Kündigung bei Schwerbehinderung: Treten bei schwerbehinderten Menschen Schwierigkeiten im Arbeitsverhältnis auf, sind frühzeitig Schwerbehindertenvertretung, Betriebs- oder Personalrat und das Integrationsamt einzuschalten, um Beratung und Unterstützung zur langfristigen Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu leisten. Dieses sogenannte Präventionsverfahren findet jedoch bei Kündigung innerhalb der Probezeit keine Anwendung, wie das Bundesarbeitsgericht entschied. Rechtsanwalt Robert Hotstegs setzt sich auf lto.de mit der Entscheidung auseinander.
OVG Koblenz zu Racial Profiling: Lässt es sich bei einem Bündel von Motiven nicht ausschließen, dass die Hautfarbe tragendes Kriterium für eine Kontrolle war, liegt ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot vor. So das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in einem Grundsatzurteil, berichtet lawblog.de (Udo Vetter).
LG Köln – Einigung zwischen Zwanziger und Netzer: Laut spiegel.de haben sich Günther Netzer und Theo Zwanziger noch außergerichtlich unter vier Augen einigen können. Netzer hatte gegen Zwanziger vor dem Landgericht Köln auf Unterlassung geklagt: Zwanziger hatte behauptet, Netzer habe ihm bei einem Treffen berichtet, dass für die Vergabe der Fußball-WM 2006 an Deutschland vier asiatische Stimmen gekauft worden seien. Der für diesen Mittwoch geplante Verhandlungstermin sei aufgehoben.
OLG München – OSS: Vor dem Oberlandesgericht München beginnt am Mittwoch der Prozess gegen vier Mitglieder der "Oldschool Society", einer Gruppe, die sich aus einem rechtsextremen Chat heraus entwickelte und mutmaßlich Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte plante. Dazu berichtet die WamS (Florian Flade).
AG München zu Wohnungsüberbelegung: Einem Mann, der mit Ehefrau und zwei kleinen Kindern in einer 26 Quadratmeter großen Wohnung lebte wurde wegen Überbelegung gekündigt. Laut Mietvertrag durfte nur seine Ehefrau bei ihm wohnen und er war der Aufforderung, die Anzahl der Bewohner zu reduzieren nicht gefolgt. Das Amtsgericht München erklärte die Kündigung für rechtmäßig, meldet lto.de.
VG Bayreuth – Asylverfahren: Der Focus (Herbert Weber) beschreibt die Arbeit in Asylverfahren am kleinsten Verwaltungsgericht Deutschlands in Bayreuth. Alle zwei Wochen findet ein Schwerpunkttag Asyl statt und im Halbstundentakt verhandeln 17 Richter Abschiebeklagen.
LG Düsseldorf – Reker-Attentat: Im Prozess vor dem Landgericht Düsseldorf hat der Angeklagte gestanden, die heutige Kölner Oberbürgermeisterin mit einem großen Messer angegriffen zu haben. Einen Tötungsvorsatz verneinte er jedoch, er habe "ein Zeichen" setzen wollen, berichten Samstags-FAZ (Reiner Burger) und spiegel.de (Beate Lakotta).
LG Detmold – Auschwitz-Prozess: Im Detmolder Auschwitz-Prozess erläuterte ein historischer Gutachter die Arbeit der Kompanie des bisher schweigenden Angeklagten an der sogenannten Rampe im Konzentrationslager. Er halte es für wahrscheinlich, dass auch der Angeklagte dort eingesetzt war, berichtet spiegel.de.
LG Stuttgart – Schlecker: Das Landgericht Stuttgart hat über die Eröffnung des Verfahrens gegen Anton Schlecker wegen Insolvenzverschleppung zu entscheiden. Mit 270 Seiten Anklageschrift und 204 Leitz-Ordnern an Ermittlungsakten kann das bis 2017 dauern, schreibt die WamS (Hannelore Crolly/Michael Grassmann) in einem Bericht über Ehingen, den Ort der ehemaligen Konzernzentrale, nach der Pleite.
AG Tiergarten – "S-Bahn-Urinierer": Der Mann, dem unter anderem vorgeworfen wird, auf eine nicht deutsch anmutende Mutter mit zwei Kindern in der Berliner S-Bahn uriniert zu haben, verneint dies. Die übrigen Vorwürfe räumt er ein. Die Hose soll ihm jedoch versehentlich herabgerutscht sein und uriniert habe er nicht. Am Dienstag wird das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten erwartet, berichtet die Samstags-taz (Uta Eisenhardt).
BAW – Gruppe-Freital: Der Spiegel (Steffen Winter) schreibt über die "Gruppe-Freital", die ihnen zugeschriebenen Anschläge und die Arbeit der Ermittlungsbehörden. Es könnte einen verdeckten Ermittler in der Gruppe gegeben haben. Was die zunächst zuständige Staatsanwaltschaft als Einschüchterung bewertete und vor dem Amtsgericht verhandeln wollte, sieht die Bundesanwaltschaft als versuchten Mord.
StA Schwerin – LKA-Korruption: Ein LKA-Beamter aus Mecklenburg-Vorpommern soll dienstliche Informationen an eine Unternehmensberaterin aus Berlin verkauft haben, die ihrerseits mit entsprechenden Informationen Handel treiben soll. Bundesweit werde ermittelt, inwieweit sie in weiteren Fällen Verkäufer gefunden hat. Laut spiegel.de ergingen gegen beide Haftbefehle.
StA Stuttgart – Abgasaffäre: Eine Anwaltskanzlei hat Verantwortliche der Bosch GmbH bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart wegen Lieferung von Motorsteuerungen mit "Schummelsoftware" an verschiedene Autohersteller angezeigt, berichtet focus.de. Ermittelt werden solle "wegen des Verdachts der Mittäterschaft oder der Beihilfe zur Luftverunreinigung nach § 325 StGB in mittelbarer Täterschaft, der Körperverletzung nach § 223 StGB und des Betruges nach § 263 StGB", wird die Anzeige zitiert.
Recht in der Welt
USA – Klo-Gesetz: Mit dem kürzlich im US-Bundesstaat North Carolina verabschiedeten Gesetz, wonach öffentliche Toiletten, Duschen und Umkleiden nur dem Geschlecht entsprechend benutzt werden dürfen, das in der Geburtsurkunde festgehalten ist, und den vehementen Kritik befassen sich ausführlich Paul Middelhoff/Chapel Hill (spiegel.de).
USA - Geldwäsche: Die WamS (Ulli Kulke) beschreibt, wie die Besteuerung kriminell erworbenen Geldes die "Gangster-Bosse" der USA in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts dazu brachte die Geldwäsche zu erfinden. Ihre kriminellen Aktivitäten waren ihnen nicht nachzuweisen aber wegen Steuerhinterziehung wanderte nicht zuletzt Al Capone ins Gefängnis.
Sonstiges
"Wenn Maschinen Verträge schließen": Die Montags-SZ (Guido Bohmsen) berichtet über die Arbeit einer von der Bundesregierung eingesetzten Arbeitsgruppe, bestehend aus 25 Juristen aus Unternehmen und Verbänden, die sich mit rechtlichen Implikationen der Digitalisierung der Industrie befasst. Im Fokus stehen etwa Fragen danach, ob Maschinen verbindlich Verträge schließen können – zum Beispiel die Maschine eines Autobauers, die automatisch neue Bleche bestellt und die Zwischenhändler-Maschine, die das liefernde Stahlwerk organisiert. Das Recht sei dafür zwar offen, müsse aber teilweise präzisiert werden.
Blöde Böhmermann-Analyse nicht verboten: Bei einer Demonstration vor der türkischen Botschaft in Berlin hat der Landesvorsitzende der Berliner Piraten, Bruno Kramm, Teile des Böhmermann-Gedichts zitiert. Die Polizei löste nach zweimaliger Warnung Kramms die Versammlung auf und wies dabei, so bz-berlin.de, auch auf den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 14. April hin, wonach das Gedicht "Schmähkritik” des Satirikers vor der türkischen Botschaft weder gezeigt und noch zitiert werden dürfe. Christian Rath (Montags-taz, Berlin-Teil) kommentiert: Kramm habe das Gedicht als Beispiel für typische Machtkritik der Ohnmächtigen zitiert – "blöde Literaturanalysen" seien aber nicht verboten, auch nicht durch den genannten VG-Beschluss, der gerade nur das "isolierte" Aufsagen verbiete.
Böhmermann - Staatsehre, Recht, Moral: Universitätsassistent Ralph Janik lenkt auf verfassungsblog.de den Blick in der Causa Böhmermann auf die völkerrechtliche Dimension und die Bedeutung anstehender Entscheidungen der deutschen Rechtsprechung für den internationalen Umgang mit der Staatsehre. Rechtsprofessor Uwe Volkmann hebt auf verfassungsblog.de den Aspekt des Verhältnisses von Recht und Moral hervor und fragt, ob das Recht nicht zum Wohle einer anständigen Debatte durchaus äußere Grenzen setzen dürfe.
Urlaubsansprüche nach Kündigung: Rechtsanwalt Mathias Kühnreich befasst sich auf dem Handelsblatt-Rechtsboard mit der Frage, was mit Urlaubsansprüchen geschieht, wenn das Arbeitsverhältnis gekündigt wird.
Big Brother Award: Die BerlZ (Christian Bommarius) und netzpolitik.org (Ben Siegler) zählen die "Gewinner" des diesjährigen Big Brother Award auf. Für besonders kritikwürdigen Umgang mit Datenschutz wurden unter anderem Change.org, die Berliner Verkehrsbetriebe und der Verfassungsschutz ausgezeichnet.
Alternde Gefangene: Der Spiegel (Barbara Schmid) schreibt über Altern im Gefängnis und wie mit der älter werdenden Gefangenenpopulation umgegangen wird. Mit Mehrgenerationenwohnen und Alten-WGs versuchen Justizvollzugsanstalten auch im Alter ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen, denn Alter allein sei eben kein Grund zur Haftentlassung.
Das Letzte zum Schluss
Sealand: Eine rostige Plattform vor der Küste Großbritanniens für die Einen, das Fürstentum Sealand für die Anderen, die Samstags-SZ (Katrin Langhans) schreibt ausführlich über die Geschichte des "Pseudo-Fürstentums". Es hatte auch einen deutschen Einwohner, der sich international für die Anerkennung als Staat stark machte und nach einem misslungenen Putsch gegen den selbsternannten Fürsten und einer Zeit in sealändischer "Kriegsgefangenschaft" eine Exilregierung in Belgien gründete.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/krü/dc
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 23. bis 25. April 2016: Freisprüche für Banker? / Merkels Justizirrtum / Blöde Böhmermann-Analyse erlaubt . In: Legal Tribune Online, 25.04.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19188/ (abgerufen am: 03.05.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag