Offene Fragen beim geplanten Integrationsgesetz für Flüchtlinge sind jetzt geklärt. Außerdem in der Presseschau: Ein VW-Autohaus muss wegen arglistiger Abgas-Täuschung rückabwickeln und ein Raser muss ins Gefängnis.
Thema des Tages
Integrationsgesetz: Innenminister de Maizière und Sozialministerin Nahles haben sich bei den letzten offenen Fragen zum Integrationsgesetz geeinigt, das meldet tagesschau.de (Michael Stempfle) exklusiv. Anerkannte Flüchtlinge sollen nach fünf Jahren eine Niederlassungserlaubnis erhalten, wenn sie "hinreichende" Sprachkenntnisse (Niveau A2) haben und ihren Lebensunterhalt "überwiegend" selbst bestreiten können. Bei Flüchtlingen ohne Job oder Ausbildung kann für drei Jahre entweder vorgeschrieben werden, wo sie wohnen müssen oder wo sie nicht wohnen dürfen. In "Regionen mit unterdurchschnittlicher Arbeitslosigkeit" soll drei Jahre lang bei der Arbeitssuche nicht geprüft werden, ob für die Stelle ein Deutscher oder anderer EU-Bürger vorrangig zur Verfügung steht. Das Kabinett werde den Gesetzentwurf wohl schon am Mittwoch beschließen.
Rechtspolitik
CETA: Das bereits ausgehandelte Handels- und Investitionsschutzabkommen der EU mit Kanada (CETA) soll im Herbst im EU-Ministerrat für vorläufig anwendbar erklärt werden. Die FAZ (Helene Bubrowski) beschreibt, dass die vorläufige Anwendbarkeit durchaus viele Jahre dauern kann. Ob auch der Investitionsschutz per Schiedsgericht für vorläufig anwendbar erklärt werden soll, sei noch offen.
Terrorismus: Der Bürgerrechtler Joe McNamee weist in einem Gastbeitrag für netzpolitik.org auf die geplante EU-Richtline zur Terrorismusbekämpfung hin. Sie solle unter anderem die Blockade von Webseiten erlauben, die zur Begehung terroristischer Straftaten aufrufen. McNamee erläutert vor allem den Weg der Entscheidungsfindung auf EU-Ebene und beklagt, dass Medien sich meist zu spät für derartige Verfahren interessieren.
Societas Unius Personae: Rechtsprofessor Michael Beurskens beschreibt auf lto.de die EU-Diskussionen um die Schaffung einer optionalen harmonisierten Rechtsform der Einpersonengesellschaft namens Societas Unius Personae (SUP). Kritik komme vor allem aus Deutschland und Österreich, wo man weitere Möglichkeiten zur anonymen Gründung von Gesellschaften verhindern will. Beurskens hält die Kritik nicht für gerechtfertigt, weil die befürchteten Möglichkeiten heute schon bestünden. Trotzdem werde das Vorhaben voraussichtlich scheitern.
Grundgesetz: Am gestrigen Montag jährte sich zum 67. Mal die Verkündung des Grundgesetzes. Aus diesem Anlaß lobt Jost Müller-Neuhof (Tsp) den "überragenden" Text des Grundgesetzes und das Bundesverfassungsgericht als "Friedenswächter für den politischen Prozess". Maximilian Steinbeis (verfassungsblog.de) macht sich ausführlich Gedanken über das "Wir" in der Verfassung und reflektiert dabei über Volk, Grundrechte, Europa und Pegida.
Islam - AfD: Christian Bommarius (BerlZ) kritisiert die Haltung der AfD zum Islam als verfassungswidrig, da gegen die Religionsfreiheit gerichtet, "die Mitglieder der AfD schwören angeblich auf Patriotismus, der Verfassungspatriotismus gehört offensichtlich nicht dazu."
Anlegerschutz: Die Linksfraktion im Bundestag plant einen Gesetzesantrag, der den Anlegerschutz verbessern soll, berichtet die SZ (Markus Zydra). Künftig solle die Bankenaufsicht Bafin geprellten Anlegern bei der Sicherung ihrer Ansprüche helfen.
Justiz
LG München I zu VW-Täuschung: Das Landgericht München I billigte dem Käufer eines Seat mit VW-Motor den Rücktritt vom Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung zu. Die vertragswidrig erhöhten Abgaswerte seien ein "erheblicher" Mangel gemäß § 323 Abs. 5 Bürgerliches Gesetzbuch. Es sei nicht zumutbar, ein Jahr auf die Beseitigung des Mangels zu warten. Der Verkäufer müsse sich die Täuschung von VW zurechnen lassen, da es sich bei dem Autohaus um eine 100-prozentige VW-Tochter handelte, berichtet lto.de (Constantin van Lijnden). Mit diesem Urteil habe erstmals ein VW-Käufer vor Gericht gegen einen Händler Erfolg gehabt.
LG Köln verurteilt Raser: Ein Autofahrer, der sich mit über 100 Stundenkilometern einer Ampel näherte und dort den Tod eines Radfahrers verursachte, wurde vom Landgericht Köln wegen fahrlässiger Tötung zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Das Gericht habe mit der harten Strafe ein Zeichen setzen wollen, berichtet spiegel.de. Dass der Fahrer minutenlang in der Innenstadt mit weit überhöhtem Tempo gefahren war, wurde mit Hilfe von Zeugenaussagen und GPS-Daten belegt.
VG Stuttgart zu Schulausschluss: Ein zwölfjähriger Schüler, der eine elfjährige Mitschülerin auf dem Schulweg aufforderte, "ihm einen zu blasen" und sich dann selbst entblößte, durfte sofort von der Schule verwiesen werden. Über diese Eil-Entscheidung des Verwaltungsgerichts Stuttgart schrieb lawblog.de (Udo Vetter). Die Beschwichtigung des Schülers, die Aufforderung sei nicht ernst gemeint gewesen, hielt das Gericht für unglaubwürdig.
LG Hannover - EuGH-Vorlage wegen Gewährleistung: Das Landgericht Hannover hat dem Europäischen Gerichtsof die Frage vorgelegt, ob beim mangebehafteten Verbrauchsgüterkauf nur dann Schadensersatz verlangt werden kann, wenn eine Nachfrist zur Mängelbeseitigung gesetzt wurde oder diese ausnahmsweise entbehrlich ist. Nach deutschem Recht wäre dies erforderlich, dagegen sehe die EU-Verbrauchsgüterkaufrichtlinie eine derartige zusätzliche Hürde nicht vor. Die EuGH-Vorlage bringe Grundprinzipien des deutschen Schuldrechts "ins Wanken", schreibt lto.de.
BGH zu Wohnungseinbruchsdiebstahl: strafrechtsblogger.de (Steffen Dietrich) weist auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom März hin. Danach liege kein "Einsteigen" in eine fremde Wohnung vor, wenn jemand die Wohnung über die Terrassentür betritt, die er nach Manipulation eines Fensters von innen öffnen konnte. Möglicherweise handele es sich aber um einen "unbenannten besonders schweren Fall" des Wohnungseinbruchsdiebstahls.
LAG Düsseldorf zu Abfindungsprogrammen: Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat es im April gebilligt, dass Unternehmen, die Personal abbauen wollen, nach dem "Windhund-Prinzip" nur den ersten Mitarbeitern, die sich für ein freiwilliges Ausscheiden melden, eine Abfindung versprechen. Es lehnte dabei die Klage eines Mitarbeiters ab, der sich sechs Minuten zu spät gemeldet hatte, als bereits alle für seine Abteilung vorgesehenen Abfindungen vergeben waren, berichtet Anwalt Ali Machdi-Ghazvini auf dem Handelsblatt-Rechtsboard.
BVerfG - PKW-Maut: Der Kieler Piratenabgeordnete Patrick Breyer hat eine Verfassungsbeschwerde gegen die beschlossene PKW-Maut (Infrastrukturabgabe) eingereicht, berichtet heise.de (Andreas Wilkens). Die damit verbundene "Überwachungsinfrastruktur" ermögliche Bewegungsbilder. Die PKW-Maut ist derzeit noch durch ein EU-Vertragsverletzungsverfahren blockiert, in dem es um eine mögliche Diskriminierung von EU-Ausländern geht.
Recht in der Welt
Österreich - Bundespräsident: spiegel.de erläutert aus Anlass der Neuwahl die Befugnisse des österreichischen Bundespräsidenten, insbesondere bei der Auswahl eines Kanzlers und der Auflösung des Parlaments.
USA - weiße Jury: Der Supreme Court hat mit sieben zu eins Stimmen das Todesurteil gegen den dunkelhäutigen Timothy Tyrone Foster aufgehoben, meldet spiegel.de. Der Mann hatte zwar den Mord an einer 79-jährigen Frau in Georgia gestanden, war aber von einer rein weißen Jury verurteilt worden. Der Supreme Court stellte fest, dass es "eine gemeinsame Anstrengung gegeben hat, schwarze Juroren aus der Jury herauszuhalten".
Sonstiges
Kriminalstatistik: Innenminister de Maizière hat die Kriminalstatistik vorgestellt. Mit der Zunahme von Einbrüchen beschäftigt sich spiegel.de (Jörg Diehl), während sich die taz (Gareth Joswig/Konrad Litschko) der ansteigenden rechten Gewalt widmet.
Übertragungsrechte: Die SZ (Karoline Meta Beisel) erläutert auf der Medien-Seite, wann Sportveranstalter frei entscheiden können, ob sie Übertragungsrechte einräumen, und wann sie diese kurz oder umfassend gewähren müssen. Bei Ereignissen im öffentlichen Raum (etwa die Meisterfeier von Bayern München) sei dies noch nicht geklärt.
Gesichtsrekonstruktion: Die Welt (Sandra Trauner) stellt die Arbeit einer Gerichtsmedizinerin vor, die sich darauf spezialisiert hat, aus Schädelknochen das einstige Aussehen eines Toten zu rekonstruieren.
Das Letzte zum Schluss
Mann ohne Briefkastenschlüssel: Ein 24-Jähriger muss ins Gefängnis, weil seine Frau ihn zeitweilig verlassen hatte und mit dem Briefkastenschlüssel durchgebrannt war. Deshalb konnte er seine Post nicht lesen und war nicht in der Lage, Rechtsmittel gegen einen Bewährungswiderruf einzulegen. Das Oberlandesgericht Hamm verweigerte ihm nun aber die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, berichtet lawblog.de (Udo Vetter). Er habe sich nicht genug um die Öffnung des Briefkastens oder eine Rückgabe des Schlüssels gekümmert.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 24. Mai 2016: Einigung beim Integrationsgesetz / LG München hilft VW-Käufer / LG Köln verurteilt Raser . In: Legal Tribune Online, 24.05.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19448/ (abgerufen am: 28.04.2024 )
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