Das UN-Kriegsverbrechertribunal urteilt über Radovan Karadžić. Außerdem in der Presseschau: Müssen Kirchen gleichbehandeln, ist Google Analytics unzulässig und gibt es bald TV-Aufnahmen während der Urteilsverkündung?
Thema des Tages
UN-Kriegsverbrechertribunal – Radovan Karadžić: Am heutigen Donnerstag spricht das UN-Kriegsverbrechertribunal sein Urteil über Radovan Karadžić. Dem bosnischen Serbenführer werden Kriegsverbrechen, Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Zusammenhang mit dem Bosnienkrieg vorgeworfen. In dem Konflikt fanden "ethnische Säuberungen", die Vertreibung von über zwei Millionen Menschen aus den von serbischen Truppen eroberten Gebieten und die Ermordung einer Vielzahl von Menschen statt. Karadžić soll auch für das Massaker von Srebrenica mitverantwortlich sein, das als größtes Kriegsverbrechen in Europa nach 1945 in die Geschichte einging. Fast 8.000 Menschen, bosnische Muslime der Enklave Srebrenica, wurden 1995 an verschiedenen Orten umgebracht. Viele Menschen hatten sich vor der Eroberung des Gebiets durch Karadžić' General Ratko Mladić in die Berge geflüchtet, viele wurden jedoch von Soldaten gefunden und erschossen.
Ausführlich berichten die FAZ (Michael Martens) und die taz (Erich Rathfelder).
Rechtspolitik
TV-Übertragung aus dem Gerichtssaal: Wie das Hbl (Anja Stehle) weiß, plant das Bundesjustizministerium, die TV-und Radioübertragung während der Entscheidungsverkündung an obersten Gerichten zuzulassen. Ein entsprechender Entwurf zur Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes soll in den nächsten Monaten ins Bundeskabinett eingebracht werden. Mehrere Präsidenten von Obergerichten haben sich gegen den Vorstoß ausgesprochen.
Geoblocking: Die EU-Kommission will gegen das sogenannte Geoblocking vorgehen, das von Internethändlern dazu genutzt wird, ausländische Kunden vom Einkauf abzuhalten. Um erhöhte Transport- und Logistikkosten und die Berücksichtigung der verschiedenen nationalen Rechtsordnungen zu vermeiden, leiten Einkaufs-Websites die Nutzer ausländischer IP-Adressen auf länderspezifische Seiten um oder sperren Inhalte für sie. Es sei fraglich, ob derartige Beschränkungen im EU-Binnenmarkt zulässig sind, berichtet Rechtsanwalt Ingo Spahr auf lto.de.
Strafbarkeit des Angriffskrieges: Das Bundeskabinett hat am gestrigen Mittwoch beschlossen, das Führen eines Angriffskrieges und "sonstige Angriffshandlungen" ins deutsche Völkerstrafgesetzbuch aufzunehmen und mit lebenslanger Freiheitsstrafe zu bedrohen. Bislang war nur die "Vorbereitung eines Angriffskrieges" strafbar. Täter können nur Staatsoberhäupte sein und bestraft werden sollen nur "offenkundige" Verletzungen der UN-Charta, berichtet die taz (Christian Rath).
Prostituiertenschutzgesetz: Der Gesetzentwurf über neue Regeln für den Prostitutionsbetrieb ist vom Bundeskabinett angenommen worden. Er betrifft insbesondere Anmeldungen und Gesundheitsberatungen für Prostituierte sowie Auflagen für Bordellbetreiber wie Freier. So werden etwa bestimmte Praktiken untersagt und eine Kondompflicht eingeführt, meldet die SZ (EPD).
Bestechung von Ärzten: Die Rechtspolitiker der Großen Koalition haben sich bei der Strafbarkeit von Korruption im Gesundheitswesen auf einen Kompromiss geeinigt. Strafbar wird zukünftig die Annahme von Vergünstigungen durch Ärzte und andere Heilberufler für die Verschreibung bestimmter Medizinprodukte. Verstöße gegen das Berufsrecht werden allerdings weiterhin nicht strafrechtlich geahndet. Dies berichtet die FAZ (Joachim Jahn).
Private Sicherheitsdienste: Nach Übergriffen durch Wachdienstmitarbeiter in Flüchtlingsunterkünften hat sich das Bundeskabinett auf strengere Regeln für private Sicherheitsdienste geeinigt, meldet die FAZ. Dazu gehören Sachkunde- und Zuverlässigkeitsprüfungen für Betreiber und Mitarbeiter, Auskunftsmöglichkeiten der Behörde bei Polizei und Verfassungsschutz und ein zentrales Register über Bewachungsunternehmen.
Justiz
EuGH – BAG und Kirchenarbeitsrecht: Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am vergangenen Donnerstag den Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu der Frage angerufen, ob es europarechtlich zulässig ist, den Kirchen in Deutschland weiterhin die Einstellung von Arbeitnehmern nur mit bestimmter Konfession zu gestatten. Das deutsche Allgemeine Gleichbehandlungsrecht (AGG) lässt dies mit Rücksicht auf die Kirchen zu. Der EuGH soll sich nun dazu äußern, ob diese Regelung mit der Antidiskriminierungsrichtlinie der EU vereinbar ist, berichtet Kanzlei-Blaufelder.com (Thorsten Blaufelder).
OLG Celle – Frederike von Möhlmann: Spiegel.de (Gisela Friedrichsen) berichtet von der Berufungsverhandlung vor dem Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle, vor dem der Vater der im Jahre 1981 vergewaltigen und ermordeten Frederike von Möhlmann Schmerzensgeld vom mutmaßlichen Täter einklagen will. Das Gericht zeigte erhebliche Zweifel an einem solchen Anspruch. Ein Urteil wird am 14. April 2016 erwartet.
BGH zur Wiedereinsetzung in die Berufungsfrist: Vergisst der Verteidiger schuldhaft die Unterzeichnung der Berufungsschrift, liegt ein Anwaltsverschulden vor. War die ansonsten zuverlässige Angestellte allerdings angewiesen gewesen, die Unterschrift zu kontrollieren, wurden alle erforderlichen Schritte unternommen, die bei normalem Ablauf der Dinge mit Sicherheit dazu geführt hätten, dass die Frist gewahrt worden wäre. Dass sie dies im vorliegenden Fall übersah, rechtfertigt es nicht, der Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu versagen, entschied der Bundesgerichtshof laut rechtslupe.de.
LG Hamburg zu Google Analytics: Das Landgericht Hamburg hat am 13. März 2016 entschieden, dass der Einsatz von Analyse-Software wie Google-Analytics ohne ausreichenden Datenschutzhinweis einen abmahnfähigen Wettbewerbsverstoß darstellt, meldet jurablogs.de (Marcus Beckmann).
BAW – Wisniewski-Ermittlungen: Die Ermittlungen gegen das einstige RAF-Mitglied Stefan Wisniewski sind eingestellt worden, wie die Bundesanwaltschaft der SZ bestätigte. Gegen Wisniewski war wegen des Verdachts ermittelt worden, im April 1977 Generalbundesanwalt Siegfried Buback erschossen zu haben.
Anwaltsalltag: Auf lto.de lto.de berichten zwei Rechtsanwälte, wie sich ihre Arbeit im Laufe der letzten Jahrzehnte verändert hat.
Recht in der Welt
Attentate in Brüssel: Angesichts der Terroranschläge in Belgien und den Rufen nach besserer Zusammenarbeit von Sicherheitsbehörden und Geheimdiensten meint Heribert Prantl (SZ), es müsse ein kühler Kopf bewahrt werden. Dazu gehöre, dass Innen- und Rechtspolitiker nun "nicht all ihre bisher nicht umgesetzten Forderungen zusammenkehren, um den Kehricht dann als Heilmittel gegen den Terror zu präsentieren". Auch Torsten Krauel (die Welt) ist der Ansicht, Deutschland habe "nahezu alle Instrumente, die es zur Gefahrenabwehr braucht." Defizite sieht er bei der Vorratsdatenspeicherung.
IStGH – Uganda: Der Internationale Strafgerichtshof hat die Anklage gegen den früheren Kommandeur der ugandischen Rebellengruppe Lord's Resistance Army (LRA), Dominic Ongwen, zugelassen. Dem einstigen Kindersoldaten werden Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zwischen 2002 und 2005 vorgeworfen, meldet die SZ.
Polen – Verfassungsgericht: Die SZ (Florian Hassel) porträtiert den polnischen Verfassungsgerichtspräsidenten Andrzej Rzepliński. Dieser sei ein "Symbol geworden für den Kampf gegen eine Regierung, die seine Institution zu entmachten versucht". Im Interview mit zeit.de (Heinrich Wefing) vermutet Rzepliński, der einflussreiche Pis-Politiker Kaczyński wolle "offenbar ein Verfassungsgericht, das ihn konsultiert, bevor es seine Urteile spricht."
Italien – Mafia-Prozesse: Am gestrigen Mittwoch ist in Norditalien der bislang größte Mafia-Prozess der Region gegen die mächtige Organisation "Ndrangheta" gestartet. Unter den 147 Angeklagten ist auch der italienische Fußball-Weltmeister Vincenzo Iaquinta. Zeitgleich hat in Rom ein weiterer Mafia-Prozess begonnen, bei dem der ehemalige Bürgermeister wegen Korruption und illegaler Finanzierungen angeklagt ist, wie spiegel.de berichtet.
Großbritannien – Libor-Skandal: Der Banker Tom Hayes, der im vergangenen Jahr wegen der Manipulation des Libor-Zinssatzes zu elf Jahren Haft verurteilt worden war, wurde nun darüber hinaus zu einer Zahlung von 878.606 Pfund an den britischen Staat verurteilt. Damit sollen die Gewinne aus den Taten abgeschöpft werden, meldet die SZ.
Sonstiges
Pfadabhängigkeit hoheitlicher Ordnungsmodelle": Im Nachklang zur Assistententagung Öffentliches Recht 2016, insbesondere dem Thema „Europa – Verirrt auf dem Pfad der Integration?“, interviewt juwiss.de den Bundesverfassungsrichter Andreas Paulus. Dieser meint, Pfadabhängigkeit sei im Verfassungsrecht positiv, da es grundlegende Entscheidungen mit einer gewissen Permanenz geben solle. Sie könne in einer Demokratie aber auch Nachteile haben, wenn dadurch der eingeschlagene Weg alternativlos scheint.
Thomas Fischers Buch: Die FAZ (Günther Jakobs) stellt das Buch „Im Recht“ von Bundesgerichtshofrichter Thomas Fischer vor, der auch einen Kommentar zum Strafgesetzbuch herausgibt. Der Autor skizziert verschiedene von Fischer aufgegriffene Themen und konstatiert, „insbesondere bei den seiner Kommentierung nahestehenden Themen“ seien diesem "wahre Kabinettstücke gelungen".
Das Letzte zum Schluss
Vermummung auch für Vermummungsgegner untersagt: Vertreter der schweizerischen Anti-Burka-Initiative demonstrierten unter anderem in Burkas vor dem Bundeshaus in Bern. Deswegen ermitteln nun die Berner Polizei und Staatsanwaltschaft. Denn auch wenn "Ja zum Verhüllungsverbot" gefordert wird, komme ein Verstoß gegen das Vermummungsverbot in Betracht, so justillon (Stephan Weinberger).
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Am Dienstag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/lil
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 24. März 2016: Urteil zu Srebrenica-Massaker / TV-Übertragung aus dem Gericht? / EuGH und deutsche Kirchen . In: Legal Tribune Online, 24.03.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18885/ (abgerufen am: 17.05.2024 )
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