In der kommenden Woche urteilt das LG Berlin, ob Raser auch Mörder sein können. Außerdem in der Presseschau: Gesetzentwurf zu Kinderehen, das BVerfG stoppt eine Abschiebung nach Afghanistan und Gründe für den Verhaltenskodex am BVerfG.
Thema des Tages
LG Berlin – Autorennen: Am kommenden Montag urteilt das Landgericht Berlin, ob zwei Autofahrer, durch deren privates Rennen auf dem Kurfürstendamm ein anderer Verkehrsteilnehmer zu Tode kam, wegen Mordes verurteilt werden. Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft haben die Angeklagten durch ihr Fahrverhalten vor dem Unfall das Mordmerkmal des niedrigen Beweggrundes erfüllt, schreibt die SZ (Verena Mayer). Beachtlich sei zudem, dass beide bereits zuvor wegen zahlreicher Verkehrsverstöße auffällig geworden seien. Im vergangenen Monat hatte das Landgericht Bremen einen Motorradfahrer, der wegen eines tödlichen Unfalls ebenfalls wegen Mordes angeklagt war, nur wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. In einem weiteren Beitrag wirft die SZ (Charlotte Theile) einen Blick in die Schweiz. Angestoßen durch Volksinitiativen habe sich im Nachbarland der Wille durchgesetzt, auch kleine Übertretungen der zulässigen Höchstgeschwindigkeit hart zu ahnden. Mittlerweile sei es üblich, Raser auch mit Haftstrafen zu belegen. Daneben würden auch regelmäßig Fahrzeuge entzogen. Ob diese Verschärfungen tatsächlich zu mehr Sicherheit im Straßenverkehr geführt haben, sei indes umstritten.
Rechtspolitik
Kinderehen: Der taz (Christian Rath) liegt ein bislang unveröffentlichter Gesetzentwurf zu sogenannten Kinderehen vor. Er solle am 8. März vom Kabinett beschlossen werden und sehe die Übernahme der in Deutschland geltenden Altersgrenzen auch für im Ausland geschlossene Ehen vor. Hierzu gehöre ein ausnahmsloses Verbot bislang noch möglicher Eheschließungen Minderjähriger. Im Ausland geschlossene Ehen Minderjähriger würden nach dem Entwurf unwirksam oder wären familiengerichtlich aufzuheben.
Vorratsdatenspeicherung: netzpolitik.org (Ingo Dachwitz) dokumentiert den Stand legislativer Vorhaben zur Vorratsdatenspeicherung. Auch zwei Monate nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs, der eine allgemeine und unterschiedslose Speicherung von Verkehrsdaten für rechtswidrig erklärt hatte, halte eine Arbeitsgruppe des Europäischen Rats eine präventive und zielgerichtete Speicherung nach wie vor für möglich. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages habe derweil ein Gutachten verfasst, nach dem das im Dezember verabschiedete Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung der Rechtsprechung des EuGH nicht entspreche.
Managergehälter: Den von der SPD vorgestellten Plan zur Begrenzung von Managergehältern unterzieht die SZ (Michael Bauchmüller u.a.) in Frage-und-Antwort-Form einer ausführlichen Untersuchung. Daniel Schäfer (Hbl) bezeichnet das Vorhaben im Leitartikel als "eine Mischung aus populistischer Effekthascherei und dirigistischen Eingriffen". Um tatsächlich vorhandene Gehaltsexzesse einzudämmen, sollte der Gesetzgeber den Aktionären mehr Einfluss auf Vergütungssysteme einräumen.
Finanzreform: Der im Oktober zwischen Bund und Ländern erzielte Kompromiss zur Reform der föderalen Finanzbeziehungen ist nach Darstellung des Hbl (Martin Greive/Jan Hildebrand) in Gefahr. Grund seien zahlreiche, von den Ländern in den Bundesrat eingebrachte Änderungswünsche, die im Grundsatz die vorgesehenen Kompetenzübertragungen an den Bund bedrohten.
Datenwirtschaft: In einem Gastbeitrag für den Wirtschafts-Teil der FAZ skizziert Rechtsprofessorin Heike Schweitzer "Eckpunkte für den rechtlichen Umgang" mit dem Geschäftsmodell "Dienste gegen Daten".
Justiz
Verhaltenskodex für BVerfG: Der soeben vom Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, angekündigte Verhaltenskodex für aktuelle und ehemalige Verfassungsrichter ist nun auch Thema eines vertieften Beitrags von lto.de (Constantin van Lijnden). Nachdem zuletzt die früheren Verfassungsrichter Papier und Di Fabio durch parteipolitisch gefärbte Gutachtertätigkeiten aufgefallen seien, spräche vieles dafür, "dass Bestimmungen zur politischen Zurückhaltung in den Kodex einfließen könnten".
BVerfG zu Abschiebung: Die SZ (Bernd Kastner/Josef Kelnberger) zeichnet eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Mittwoch nach, durch die die Abschiebung eines Afghanen in seine Heimat vorläufig gestoppt wurde. Weil dies bereits die zweite gescheiterte Abschiebung des in Baden-Württemberg lebenden Mannes war, weite sich der Fall zur "Blamage" für die grün-schwarze Landesregierung aus. Heribert Prantl (SZ) begrüßt die Entscheidung in einem Kommentar. Abschiebungsentscheidungen dürften nicht aus Willkür oder politischen Erwägungen, "um Tatkraft zu demonstrieren", getroffen werden. Auch sie seien an Gesetz und Recht gebunden, wie dies das Grundgesetz für die gesamte vollziehende Gewalt vorsehe.
BVerfG zu Tagesspiegel: In einem nun veröffentlichten Beschluss aus dem Dezember hat das Bundesverfassungsgericht die Verurteilung des Tagesspiegel-Verlags zur Veröffentlichung einer Gegendarstellung für verfassungswidrig erklärt. Die von einem früheren Berliner Senator erwirkte Gegendarstellung verletze die grundgesetzliche Pressefreiheit, meldet lto.de.
BVerfG – Modellbauer: Gegen seine fortgesetzte Unterbringung in der bayerischen Psychiatrie hat ein wegen Mordes verurteilter Strafgefangener Verfassungsbeschwerde eingelegt. Der Beschwerdeführer ist der durch die sogenannte Modellbau-Affäre bekanntgewordene Roland S., weiß die SZ (Dietrich Mittler) zu berichten.
BGH zu Betriebskosten-Abrechnungen: Die Ausschlussfrist für die Geltendmachung von Betriebskosten wirkt auch dann gegen Vermieter, wenn die Verspätung der Abrechnung auf ein Verschulden der Hausverwaltung zurückzuführen ist. Dies stellte der Bundesgerichtshof in einem Urteil von Ende Januar klar, schreibt die SZ (Andrea Nasemann). Der Beitrag führt weitere BGH-Entscheidungen an, nach denen die inhaltlichen Anforderungen an Betriebskostenabrechnungen vermieterfreundlich gesenkt worden seien.
BAG zu Arbeitnehmer-Einstufung: Die tarifvertragliche Privilegierung von Berufserfahrungen beim selben Arbeitgeber gegenüber solchen Zeiten bei anderen Arbeitgebern verstößt nicht gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit. Dies entschied das Bundesarbeitsgericht. Rechtsanwalt Roland Klein stellt auf lto.de den Sachverhalt, die Rechtsproblematik sowie hierzu ergangene Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs vor und mutmaßt, dass in einer Konstellation, in der – anders als im nun entschiedenen Fall –ein Auslandsbezug tatsächlich existiere, eine Vorlage an den EuGH unumgänglich sei.
OVG NRW zu Gleichstellung: Anlässlich der Entscheidung des nordrhein-westfälischen Oberverwaltungsgerichts zur Verfassungswidrigkeit der im Landesbeamtengesetz neugeregelten Frauenförderung erinnert die FAZ (Reiner Burger) an die bereits während des Gesetzgebungsverfahrens geäußerte Kritik. Innenminister Ralf Jäger (SPD) habe angekündigt, zu den beanstandeten Regelungen ein Normenbestätigungsverfahren durch den Verfassungsgerichtshof des Landes anstreben zu wollen.
VG Berlin zu Wandbild: Vor dem Verwaltungsgericht Berlin unterlag ein Polit-Aktivist mit seinem Anliegen, die Polizei zur Wiederherstellung eines von ihr übermalten Wandbildes zu verpflichten. Nach dem Bericht der taz-Berlin (Peter Nowak) habe der Kläger den Prozess "politisch" aber "trotzdem gewonnen". Die beklagte Polizei habe im Verlauf des Verfahrens eingeräumt, dass die von ihr veranlasste Zerstörung des Bildes rechtswidrig gewesen sei.
StA Freiburg – Sexualmord: Zu Berichten über das tatsächliche Alter des Tatverdächtigen im Fall des Freiburger Sexualmordes nennt community.beck.de (Henning Ernst Müller) ethische und tatsächliche Probleme der gutachterlichen Altersfeststellung sowie ihre strafprozessualen Konsequenzen.
Recht in der Welt
Polen – Justizreform: Rechtsprofessor Piotr Mikuli stellt auf verfassungsblog.de in einem englischsprachigen, kritischen Beitrag das jüngste Gesetzesvorhaben der polnischen Regierung zur Reform des Nationalen Justizrats vor. Nach Bericht der SZ (Daniel Brössler) beschäftigen die fortgesetzten Eingriffe der Regierung in die Unabhängigkeit des Justizsystems auch weiterhin die EU-Kommission. Dort würden Möglichkeiten sondiert, auch ohne förmliches Verfahren nach Art. 7 des EU-Vertrages Druck auszuüben.
Spanien – Ex-IWF-Chef: Wegen Unterschlagung hat ein Gericht in Madrid Rodrigo Rato, den früheren Wirtschaftsminister des Landes und ehemals auch Chef des Internationalen Währungsfonds, zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Rato habe als Bankchef ein System "schwarzer Kreditkarten" unterhalten und auf diese Weise mehrere Millionen Euro unterschlagen, berichtet das Hbl (Sandra Louven). Die Verurteilung meldet auch die taz.
Türkei – Putschversuch: Die taz (Jürgen Gottschlich) berichtet über ein Verfahren gegen 38 türkische Militärs, denen die Beteiligung am Putschversuch vom vergangenen Sommer und die hierfür geplante Tötung des Staatspräsidenten vorgeworfen wird. Die Angeklagten hätten ihre Putschabsichten eingeräumt, aber entschieden bestritten, für die sogenannte Gülen-Sekte gehandelt zu haben.
USA – Transgender: US-Präsident Donald Trump hat per Dekret eine ebensolche Weisung seines Amtsvorgängers Barack Obama aufgehoben, die eine freie Toilettenwahl für Transgenderpersonen sicherstellen sollte. Es berichten SZ (Sacha Batthyany) und taz (Dorothea Hahn).
Sonstiges
BAMF-Taktik: zeit.de (Tilman Steffen) nennt Beispiele von Fällen, in denen afghanische Asylbewerber durch Versprechungen, etwa einer Anerkennung in einem anderen europäischen Land, zur Rücknahme ihrer in Deutschland gestellten Asylanträge gedrängt worden seien. Dieses Vorgehen entspreche dem vom Innenminister formulierten Ziel, die Anerkennungsquote von Afghanen zu senken. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge weise den Vorwurf zurück.
Erdogan in Deutschland: Rechtliche Möglichkeiten, Auftritte von Recep Tayyip Erdoğan zur Werbung für das von ihm betriebene Verfassungsreferendum zu unterbinden, untersucht nun auch swr.de (Max Bauer).
Legalbase: Das Legal Tech-Unternehmen Legalbase hat nach Meldung von lto.de Insolvenz angemeldet.
Das Letzte zum Schluss
Juristenwitz: In einigen Landesteilen brechen närrische Zeiten aus, Grund genug für community.beck.de (Claus Koss) den ein oder anderen Juristenwitz feilzubieten. Etwa diesen mit der Frage nach dem Unterschied zwischen Steuerberatern bzw. Wirtschaftsprüfern und Juristen: Erstere wüssten, dass sie langweilig seien.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 24. Februar 2017: Ist Tötung bei Autorennen Mord? / Aus für Kinderehen? / BVerfG gegen Abschiebung . In: Legal Tribune Online, 24.02.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22159/ (abgerufen am: 17.05.2024 )
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