Mit aussichtlosen Klagen Gebühren einstreichen: Das LG Lüneburg hat eine Kanzlei von Anlegeranwälten scharf getadelt. Außerdem in der Presseschau vom Wochenende: Gegen US-Spione soll vielleicht ermittelt werden, Zschäpe muss ihre Verteidiger wahrscheinlich behalten, Berlusconi ist freigesprochen und die Polizei hat 300.000 Liter Bier wiedergefunden.
Thema des Tages
LG Lüneburg tadelt Anlegeranwälte: Die Montags-FAZ (Joachim Jahn) berichtet über ein Urteil des Landgerichts Lüneburg, das in scharfer Form massenhafte, offenbar aussichtlose Klagen rügt. Die Kanzlei soll rund 3.500 ähnliche Klagen wegen angeblicher Falschberatung beim Kauf sogenannter "Dreiländerfonds" auf den Weg gebracht haben – gezahlt hätten dafür die Rechtsschutzversicherer der Anleger. Dabei sei die Klage völlig unzureichend begründet und anscheinend "nur im Gebühreninteresse der Prozessbevollmächtigten erhoben" worden, zitiert die die FAZ das Gericht.
Rechtspolitik
Leistungen für Asylbewerber: Christian Jakob (Montags-taz) fordert, das Asylbewerberleistungsgesetz zu streichen und Asylbewerbern stattdessen Hartz-IV-Leistungen zu zahlen. Bisher galt eine Übergangsregelung, nachdem das Bundesverfassungsgericht im Juli 2012 die damals extrem niedrigen Sätze für Asylbewerber kritisiert hatte. Im Juni dieses Jahres hat Arbeitsministerin Andrea Nahles einen Entwurf zu Neufassung des Gesetzes vorgelegt. Der sehe zwar annähernd Hartz-IV-Niveau vor, aber weiterhin Benachteiligungen – etwa Leistungen in Form von Essenspaketen und eingeschränkte Gesundheitsversorgung. Das verstoße gegen die Vorgaben des UN-Sozialpaktes.
Berufsverbote: Wie die taz (Andreas Wyputta) berichtet, will die rot-grüne Koalition in Niedersachsen einen Landtagsbeschluss, um linke Aktivisten zu rehabiliteren, die nach dem Radikalenerlass von 1972 Berufsverbote erhielten. Vertreter der Betroffenen fordern darüber hinaus finanzielle Hilfen.
Justiz
Strafverfahren gegen US-Agenten? Die Welt am Sonntag (Dirk Banse/Manuel Bewarder und andere) hält es für möglich, dass es zu einem Strafverfahren gegen mutmaßliche US-Agentenführer kommt. Die Spionage-Vorwürfe gegen einen Referenten im Verteidigungsministerium seien "offenbar schwerer als bislang angenommen". Zudem gebe es Hinweise, dass der amerikanische Politologe Andrew M. den Beamten führte. Bundesjustizminister Heiko Maas habe gegenüber der Zeitung betont, sollten sich Beweise für die Spionage ergeben, werde sich "das Ermittlungsverfahren auch auf eventuelle Auftraggeber erstrecken".
EuGH – Nachweis von Homosexualität: Wer wegen seiner Homosexualität verfolgt wird, erhält Asyl - aber wie sich die sexuelle Orientierung nachweisen lässt, ist bisher weitgehend ungeklärt. Nun hat die Generalanwältin am Europäischen Gerichtshof, Eleanor Sharpston, in einem Vorabentscheidungsverfahren aus den Niederlanden ihre Schlussanträge vorgelegt. Sie erkläre vor allem "was nicht geht", so Maximilian Steinbeis (vefassungsblog.de): ärztliche Gutachten, Foto- oder Videobeweise, pseudo-medizinische Test, die die Reaktion auf Pornos messen und detaillierte Befragungen zu Sexualpraktiken. Es müsse wie bei anderen Asylgründen ausreichen, dass der Antragsteller seine Situation plausibel und widerspruchsfrei darstellt.
EuGH – Diskriminierung von Dicken: Verbietet das EU-Recht die Diskriminierung von übergewichtigen Arbeitnehmern? In einem Vorabentscheidungsverfahren aus Dänemark hat der Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof, Niilo Jääskinen, seinen Schlussantrag vorgelegt. Demnach schützt das EU-Recht nicht grundsätzlich dicke Menschen, allerdings könne extreme Fettleibigkeit als Behinderung im Sinne der Richtlinie zur Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf gelten. Den Schlussantrag erläutert der Rechtsprofessor Markus Stoffel auf blog.beck.de.
BGH zu Banken-Provisionen: Der Rechtsanwalt Johannes Pitsch begrüßt auf lto.de das Urteil des Bundesgerichtshofs, wonach Banken über Provisionen aufklären müssen, wenn sie Kapitalanlagen vermitteln. Möglich sei, dass die Gerichte diese Rechtsprechung auch auf freie Anlageberater ausdehnen werden.
OLG Köln – Kohl-Tonbänder: Das Oberlandesgericht Köln will am 1. August entscheiden, ob die 135 Tonbänder mit Gesprächen dem Altkanzler Helmut Kohl oder dem Journalisten Heribert Schwan zustehen. Laut Samstags-SZ (Wolfgang Janisch) werde Kohl die Tonbänder wohl behalten dürfen, wahrscheinlich sei aber eine Revision zum Bundesgerichtshof. In einem Kommentar schreibt Wolfgang Janisch (Samstags-SZ), juristisch sei das zwar korrekt. Angesichts der historischen Bedeutung habe der Richter aber zu Recht angemahnt, die Tonbänder einem Archiv zur Verfügung zu stellen.
OLG München – Zschäpe zu Verteidigern: Laut spiegel.de hat Beate Zschäpe nur eine "knappe, wenig substantiierte" Stellungnahme vorgelegt, aber wohl keine ausreichende Begründung für ein zerrüttetes Verhältnis zu ihren Pflichtverteidigern. Der NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München dürfte damit am Dienstag fortgesetzt werden. Auch die Montags-SZ (Annette Ramelsberger/Tanjev Schultz) geht davon aus, dass Zschäpes Erklärung nicht ausreicht, um ihre Pflichtverteidiger loszuwerden. Außerdem gebe es keine Anzeichen dafür, dass Zschäpe ihr Schweigen brechen wolle.
LG München – Deal mit BayernLB? Die Samstags-SZ (Klaus Ott) schildert, wie ein Deal im Prozess um die BayernLB und die Milliardenverluste mit der österreichischen Hypo Alpe Adria aussehen könnte. Nach dem Willen der Staatsanwaltschaft am Landgericht München, sollten der ehemaligen BayernLB-Vorstandschef, Werner Schmidt, und sein Vize, Rudolf Harnisch, Bewährungsstrafen wegen Bestechung eines ausländischen Amtsträgers akzeptieren, während das Verfahren gegen die übrigen vier Angeklagten eingestellt werden würde. Gespräche sollen im Laufe dieser Woche stattfinden.
LG Regensburg – Gutachter im Mollath-Prozess: spiegel.de (Beate Lakotta) berichtet über den Prozess gegen Gustl Mollath vor dem Landgericht Regensburg. Am Freitag kommentierte der Rechtsmediziner Wolfgang Eisenmenger ein ärztliches Gutachten, das die Verletzungen von Mollaths Ex-Frau schildert.
LAG Frankfurt – Zinsmanipulationen: Wie die Samstag-SZ (Andrea Rexer) berichtet, könnte es in dem Verfahren um die Libor- und Euribor-Zinsmanipulationen bei der Deutschen Bank zu einem Vergleich kommen. Vor dem Landesarbeitsgericht Frankfurt geht es in zweiter Instanz um die Kündigung von vier Mitarbeitern, die offenbar an unzulässigen Absprachen beteiligt waren – sie wehren sich mit dem Argument, die Manipulationen seien von der Bank gefördert worden. Nun soll eine höhere Abfindung den Streit beilegen.
VG Köln – Cannabis-Anbau: Das Verwaltungsgericht Köln soll am Dienstag dieser Woche entscheiden, ob ein Schwerkranker in seiner Wohnung Cannabis für den Eigenbedarf anbauen darf. Der Spiegel (Dietmar Hipp und andere) berichtet über den Fall. Bisher kann das Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte zwar eine Genehmigung für den Erwerb von Cannabis erteilen – Hanf aus der Apotheke ist jedoch teuer.
Psychiatrische Gutachten: Im Berliner Gefängnis Tegel hat sich ein Häftling erhängt. Laut einem Bericht des Spiegel (Gisela Friedrichsen) hielt der Anstaltspsychiater Karl Kreutzberg den wegen versuchten Mordes veruteilten Mann für krankhaft psychotisch. Dagegen habe der renommierte Sachverständige Hans-Ludwig Kröber den Täter im Strafverfahren als voll schuldfähig eingeschätzt. Sein Votum komme offenbar selbst am Bundesgerichtshof "einem Dogma" gleich, heißt es dazu kritisch.
Ermittlungen gegen Frauenärzte: Der Frauenarzt Matthias Bloechle kritisiert im Focus die Ermittlungen der Staatsanwaltschaften Augsburg und München gegen mehr als 100 Kollegen, die Patientinnen an eine Kinderwunsch-Klinik in Österreich vermitelt haben sollen – dort werden Methoden angewandt, die in Deutschland verboten sind. Es sei "grotesk", dass es hier keine einheitliche europäische Regelung gebe.
Recht in der Welt
Italien – Freispruch für Berlusconi: Ein Berufungsgericht in Mailand hat den ehemaligen italienischen Regierungschef Silvio Berlusconi im "Ruby"-Prozess freigesprochen und die in erster Instanz verhängte Haftstrafe verworfen. Berlusconi könne kein Amtsmissbrauch nachgewiesen werden, der Sex mit einer minderjährigen Prostituierten sei nicht strafbar. Das melden die Samstags-FAZ (Jörg Bremer) und spiegel.de. Der Fall könnte nun vor den Kassationsgerichtshof in Rom gehen. Andrea Bachstein (Samstags-SZ) kommentiert, der Freispruch sorge für Verblüffung. Bestürzend sei vor allem die Haltung der Richter, wonach der Sex mit einer Minderjährigen nicht strafbar war, weil Berlusconi angab, er habe ihr Alter nicht gekannt.
Großbritannien – Klage gegen Credit Suisse: Ein georgischer Unternehmer klagt vor dem High Court in London gegen die schweizerische Bank Credit Suisse auf 700 Millionen Dollar Schadensersatz, berichtet das Handelsblatt (Holger Allch). Zaur Leshkasheli werfe der Bank vor, ein Ölfeld deutlich zu billig verkauft zu haben. Der Prozess soll am 13. Oktober beginnen.
USA – Milliardensumme für Raucher-Witwe: Insgesamt 23,6 Milliarden Dollar sollen die Witwe und die beiden Kinder eines Kettenrauchers erhalten – ein Gericht in Florida verurteilte den Zigarettenproduzenten R.J. Reynolds zu Schadensersatz und einem Strafzuschlag, weil er nicht vor den Gesundheitsgefahren gewarnt habe. Das berichtet die Montags-SZ (Kathrin Werner). R.J. Reynolds-Vertreter wollen Rechtsmittel einlegen. In einem Kommentar schreibt Kathrin Werner (Montags-SZ), der starke Einfluss von Laien im amerikanischen Zivilrecht führe zu solchen "verrückten" Entscheidungen. In nächster Instanz werde die Summe jedoch voraussichtlich auf einen Bruchteil verringert.
Sonstiges
Wulff kritisiert Medien und Justiz: Nach seinem Freispruch kritisiert der ehemalige Bundespräsident Christian Wulff im Interview mit dem Spiegel (Wolfgang Büchner/Christiane Hoffmann und andere, Zusammenfassung auf spiegel.de) die Rolle der Medien. Die hätten seinen Rücktritt erzwungen und die Ermittlungen gegen ihn unseriös begleitet. Außerdem wirft Wulff offenbar dem ehemaligen niedersächsischen Justizminister Bernd Busemann vor, Druck auf die Staatsanwaltschaft ausgeübt zu haben und erwägt rechtliche Schritte. Er gehe davon aus, dass er mit einer Staatshaftungsklage gegen das Land Niedersachsen "Hunderttausende Euro Anwaltskosten" einklagen könne – wolle aber eigentlich "von dieser Art der Auseinandersetzung Abstand nehmen".
Widerstandsrecht: Anlässlich des 20. Juli – dem Jahrestag des gescheiterten Attentats auf Adolf Hitler – schreibt Heribert Prantl (Samstags-SZ-Feuilleton) über das Widerstandsrecht im Grundgesetz. Der Artikel, wonach "alle Deutschen das Recht zum Widerstand" haben, um die grundgesetzliche Ordnung zu verteidigen, werde von Staatsrechtlern oft als "pathetisches Larifari" abgetan, sei aber tatsächlich ein kraftvolles Symbol.
BKA-Akten über syrischen Spion: Die Samstags-taz (Sebastian Heiser) berichtet umfangreich aus den Akten des Bundeskriminalamtes über einen Spion des syrischen Geheimdienstes, der bis Anfang 2012 in Berlin Informationen über syrische Oppositionelle sammelte. Er wurde im Dezember 2012 vom Kammergericht Berlin wegen Spionage verurteilt.
Das Letzte zum Schluss
Bier wieder da: Nachdem Diebe in Krefeld einen Tag vor dem WM-Finale 418 Paletten mit Bierdosen und -flaschen, insgesamt 300.000 Liter, aus einer Lagerhalle gestohlen hatten, konnte die Polizei nun die Beute sicherstellen. Und zwar anscheinend vollständig, meldet spiegel.de.
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ak
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 19. bis 21. Juli 2014: Anwälte kassieren ab – NSU-Prozess soll weitergehen – Freispruch für Berlusconi . In: Legal Tribune Online, 21.07.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12620/ (abgerufen am: 03.05.2024 )
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