Ist heute alles besser? Was gilt, wenn das neue Gesetz zum Arbeitnehmer-Datenschutz nicht kommt? Außerdem in der Presseschau: Paul Kirchhof zum Rundfunkbeitrag, BGH-Richter Thomas Fischer siegt erneut vor Gericht und warum ein Berliner Pressesprecher seine Bedeutung nicht ausreichend gewürdigt sieht.
Arbeitnehmerdatenschutz: Die Verabschiedung des umstrittenen Koalitions-Entwurfs für ein Arbeitnehmer-Datenschutzgesetz ist fraglich geworden. Deshalb rückt die Frage nach der derzeitigen Rechtslage in den Vordergrund. Anwalt Christian Gleich erläutert sie ausführlich auf dem Handelsblatt-Rechtsboard . Konkret geht er dabei auf die Video-Überwachung am Arbeitsplatz, die Recherche von Arbeitgebern in sozialen Netzwerken sowie die Anordnung ärztlicher und psychologischer Untersuchungen ein.
Constanze Kurz (Samstags-FAZ) kritisiert den Entwurf für ein neues Gesetz scharf: Die Regierung setze "ein Zeichen für weniger Beschäftigtendatenschutz", ein solches Gesetz führe in "Zeiten des Frühkapitalismus" zurück. Es würden Jobs zugelassen, die das "größtmögliche Auspressen des Mitarbeiters durch immer ausgefeiltere Überwachungs- und Kontrollmethoden zum Ziel" habe. Die "bejubelte" Abschaffung verdeckter Kameraüberwachung werde durch vereinfachte offene Überwachung ersetzt, "indem der Gesetzgeber diese schlicht legalisiert".
Weitere Themen- Rechtspolitik
Zwangsbehandlung: Nachdem der Bundestag das Gesetz über die Zwangsbehandlungen psychisch Kranker beschlossen hat, kommentiert Barbara Dribbusch (Samstags-taz): Die Eingriffshürden seien hoch angelegt, die "gravierenderen Probleme" lägen an anderer Stelle: Die Kostenfrage sei in der Psychiatrie häufig entscheidend für die Art der Behandlung.
Ärzte-Korruption: Er werde ein "Gesetz gegen Korruption in der Ärzteschaft ausarbeiten lassen", verkündete Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) auf dem Neujahrsempfang der deutschen Ärzteschaft, so die Samstags-SZ (Guido Bohsem). Weil Ärzte "weder Angestellte noch Funktionsträger der Krankenkassen" seien, gibt es derzeit keine gesetzliche Grundlage für entsprechende Strafverfahren, so der Bundesgerichtshof (BGH) im vergangenen Sommer. Am Ende werde es wohl auf eine Änderung im fünften Sozialgesetzbuch hinauslaufen, denn eine strafrechtliche Regelung sei "extrem schwierig" zu finden.
Kirchhof zum Rundfunkbeitrag: Im Gespräch mit der FAS (Melanie Amann) spricht der "Vater" des neuen Rundfunkfinanzierungsmodells Paul Kirchhof, Ex-Bundesverfassungsrichter und Rechtsprofessor, u.a. über den Beitrags-Charakter der neuen Rundfunkabgabe: Belastet würden die Menschen, welche die Leistung "üblicherweise nutzen", ein steuerfinanzierter Rundfunk wäre hingegen "verfassungsrechtlich unzulässig". Weiter, so Kirchhof, sei das "System ist auch datenschutzrechtlich ein Freiheitsgewinn für die Bürger", die Wohnung sei wieder der von der Verfassung "garantierte geschützte Bereich".
EU-Datenschutzgrundverordnung: Der Wirtschaftteil der Samstags-SZ (Javier Cáceres) berichtet aus Dublin vom informellen Rat der europäischen Innen- und Justizminister, wo der ein Jahr alte Vorschlag für eine Datenschutzgrundverordnung erstmals von den verantwortlichen Ministern begutachtet wurde. Uneins sei man bei der grundsätzlichen Frage nach der "Balance zwischen Privat- und Geschäftsinteressen", so auch bei der Reichweite eines "Rechts auf Vergessen" und den Sanktionsmöglichkeiten bei Verordnungsverletzungen. Noch sei offen, ob die Beratungen bis zum Sommer abgeschlossen werden können, wie von der irischen Präsidentschaft geplant.
Über ein Projekt des Europaparlamentariers Alexander Alvaro (FDP) zur Mitarbeit am Entwurf berichtet netzpolitik.org (Benjamin Bergemann).
Abgeordneten-Überwachung: Über die Sachverständigenanhörung zur Beobachtung von Abgeordneten durch den Verfassungsschutz berichtet die Samstags-taz (Christian Rath): Die Grünen im Bundestag forderten eine parlamentarische Genehmigung solcher Überwachungen. Die angehörten Rechtsprofessoren waren über die Eingriffsintensität etwaiger Überwachungsmethoden ebenso uneins wie über die Frage, ob es einer speziellen gesetzlichen Grundlage für derartige Maßnahmen bedürfe. Derzeit würden etwa 25 Bundestagsabgeordnete der Linken beobachtet, so die taz.
Schäuble gegen NPD-Verbotsantrag: Wie der Spiegel knapp informiert, hat sich Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) gegen ein neues NPD-Verbotsverfahren ausgesprochen, er halte den Gang nach Karlsruhe für "falsch".
Weitere Themen – Justiz
VG Karlsruhe zu BGH-Personal-Streit: In einem Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe hat Thomas Fischer, Richter am Bundesgerichtshof, wieder einen Etappensieg errungen: Auch die Besetzung des Vorsitzes des 4. Strafsenates mit einer BGH-Richterin wurde vorerst gestoppt. Die von BGH-Präsident Klaus Tolksdorf ausgestellte und dem Auswahlprozess zugrunde liegende neue dienstliche Beurteilung Fischers enthalte "rechtserhebliche Fehler", die vorgenommene Herunterstufung sei nicht nachvollziehbar. Dazu lto.de.
OLG Koblenz zu Cellulite-Sandalen: Wer mit gesundheitsförderlicher Wirkung von Produkten werbe, müsse diese hinreichend wissenschaftlich belegen können - so etwa bei der Werbung für Anti-Cellulite-Sandalen in einem Kaufhausprospekt. Dies entschied das Oberlandesgericht Koblenz Anfang Januar, meldet lto.de.
LG Bonn - Kundus-Bombardement: Das Landgericht Bonn verhandelt im März die erste Klage mutmaßlicher ziviler Opfer des durch die deutsche Bundeswehr angeordneten Tanklaster-Bombardements in der afghanischen Provinz Kundus im Jahr 2009. Zwei Personen, ein Vater und eine Mutter, verlangten Entschädigungen von 40.000 bzw. 50.000 Euro für ihre getöteten Kinder, informiert die Samstags-Welt.
LG Stade – Kindstötung durch Unterlassen: Über einen Prozess vor dem Landgericht Stade gegen eine Frau wegen der vorsätzlichen Tötung durch Unterlassen zweier ihrer Kinder berichtet der Spiegel (Gisela Friedrichsen). Vermutlich habe die Frau beide Kinder unmittelbar nach den heimlichen Geburten, in den Jahren 1996 und ca. 1999, auf den Dachboden des Hauses gebracht, wo ihr Ex-Ehemann Jahre später die Überreste fand. Die Frau könne sich wohl kaum an das Geschehene erinnern, sie habe eine Borderline-Störung, so laut Spiegel der angehörte Psychiater.
LG Köln - FJS-Vermögen: Vor der Pressekammer des Landgerichts Köln führt Max Strauß, Sohn von Franz Josef Strauß, verstorbener bayerischer Ministerpräsident und CSU-Chef, einen Prozess "gegen acht Passagen" aus einem Buch des pensionierten bayerischen Finanzbeamten Wilhelm Schlötterer. Dieser behaupte, FJS habe illegal Vermögen angehäuft, so dass seine Hinterlassenschaft 300 Millionen Euro betrage – statt der bisher vermuteten knapp zehn Millionen Euro. Die Samstags-SZ (Hans Leyendecker/ Klaus Ott) berichtet. Ein als Zeuge geladener Ex-Banker habe nun ausgesagt, er habe im Jahr 1992 mit Max Strauß über die Verschaffung des 300 Millionen-Erbes von München nach Luxemburg telefoniert. Das Gericht beurteilte die Aussage jedoch als wenig glaubhaft.
LG Mannheim – Hochstapler Engler: Vor dem Landgericht Mannheim gestand der Hochstapler Ulrich Engler detailliert, wie er mindestens 1300 reiche Anleger um mehr als 37 Millionen Euro betrogen habe. Das eingesammelte Geld investierte er nicht wie versprochen in Aktien, sondern in persönliche Luxusgegenstände. Laut spiegel.de (Julia Jüttner) drohen ihm nach einer Absprache maximal acht Jahre und neun Monate Freiheitsstrafe.
EuGH zu Unisex-Versicherungspolicen: Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes aus dem letzten Jahr zur Europarechtswidrigkeit von geschlechtsspezifischen Versicherungstarifen fürchten Juristen nun, so meldet der Spiegel knapp, dass das Urteil Rückwirkungen bis ins Jahr 2007 entfalten könne. Seit diesem Zeitpunkt gelte die Anti-Diskriminierungsrichtlinie, auf die sich der EuGH berufen habe.
BGH zu Betriebsräte-Haftung: Schießen Betriebsräte mit "ihren Aufträgen an externe Berater über das Ziel hinaus", haften sie mit ihrem Privatvermögen, so der Bundesgerichtshof (BGH) im vergangenen Jahr. Im Beruf und Chancen-Teil setzt sich Corinna Budras (Samstags-FAZ) ausführlich mit dem zugrunde liegenden Fall und der unklaren rechtliche Stellung des Betriebsrates auseinander: "Niemand weiß so richtig, was dieses Gremium ganz genau ist und wie umfangreich seine Stellung im "allgemeinen Rechtsverkehr" aussieht." Partielle Rechtsfähigkeit habe jedoch der einzelne Betriebsrat bei Hinzuziehung eines Beraters, so der BGH laut Budras.
BAG – Tarifverträge Zeitarbeit: Nachdem das Bundesarbeitsgericht 2011 der christlichen Gewerkschaft CGZP die Tariffähigkeit absprach, hat das Landesarbeitsgericht Stuttgart nun auch Zweifel an der Tariffähigkeit der Tarifgemeinschaft Zeitarbeit des DGB. Über einen jetzt veröffentlichten Aussetzungsbeschluss aus dem März 2012 muss demnächst das BAG entscheiden. beck.blog.de (Markus Stoffels) gibt einen Überblick.
Weitere Themen – Recht im Ausland
Ukraine – Auftragsmörderin Timoschenko?: Wie spiegel.de und die Montags-FAZ (Konrad Schuller) melden, beschuldigen die ukrainischen Behörden die inhaftierte Oppositionsführerin Julia Timoschenko nun auch, im Jahr 1996 den Mord an einem Abgeordneten in Donezk in Auftrag gegeben zu haben. Sie soll demnächst gemeinsam mit dem ehemaligen Regierungschef Pawlo Lasarenko angeklagt werden.
Italien – Urteil gegen erpresserischen Fotografen: Das Kassationsgericht Rom hat den flüchtigen Fotografen Fabrizio Corona wegen Erpressung zu fünf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, berichtet spiegel.de. Der Paparazzo hatte mehrfach von Prominenten Geld dafür verlangt, dass er Fotos nicht veröffentlicht, welche die Betroffenen in verfänglichen Situationen zeigen.
Sonstiges
Fehlurteile im Strafprozess: "Die Regeln der Strafprozessordnung zur Urteilsfindung sind gut, ein Fehlurteil ausschließen können sie freilich nicht" erklärt der Amtsrichter Lorenz Leitmeier auf lto.de: Die Möglichkeit von Fehlurteilen sei der StPO sogar immanent. Der Strafprozess müsse bei der Urteilsfindung mit der "subjektiven Konstitution der Wirklichkeit leben", die Betrachtung von einem "archimedischen Punkt" aus sei eben nicht möglich. Die StPO unterscheide jedoch zurecht zwischen "begründeten Zweifeln", die zum Freispruch führen und "bloß theoretischen Zweifeln", die eine Verurteilung erlauben.
Menschenhandel und Zwangsprostitution: Ein ausführlicher Beitrag zum Thema Menschenhandel und Zwangsprostitution von Frauen und Kindern findet sich in der Samstags-Welt (Simone Meyer/Marc Neller). Der Artikel befasst sich auch mit den strafprozessualen und -rechtlichen sowie kriminologischen Aspekten - ausgehend vom Fall einer jungen Frau, die trotz Verschleppung und Zwangsprostitution kein Geld nach dem Opferentschädigungsgesetz erhielt. Das Gesetz kenne noch immer nur körperliche Gewalt - psychische Gewalt sei ihm fremd.
Rechtsanwalt Gregor Gysi: Sechs Fragen stellt an den Fraktionsvorsitzenden der Linken im Bundestag, Gregor Gysi, die LTO, zum Beispiel was Juristen auf keinen Fall tun sollten: "Freunde und Freundinnen vertreten", so Gysi.
Das Letzte zum Schluss
BMJ in der zweiten Reihe: Die Pressesprecher der Bundesregierung stehen den Berliner Journalisten dreimal wöchentlich in einer gemeinsamen Pressekonferenz Rede und Antwort. Leider hat das Podium am Ort der Veranstaltung nur neun Sitzplätze, so dass die Pressesprecher von fünf Ministerien in der zweiten Reihe sitzen müssen. Bisher galt die Regel, dass dort die fünf Pressesprecher sitzen, die im letzten halben Jahr am wenigsten gefragt wurden. Doch als nun Anders Mertzlufft, der Sprecher des Bundesjustizministeriums, nach hinten rücken sollte, reagierte er beleidigt, boykottierte zunächst die Pressekonferenzen und stellt seither die traditionelle Regel in Frage, wie die Montags-SZ (Robert Rossmann) auf ihrer Medien-Seite berichtet. Ausgerechnet das Justizministerium scheint also Probleme mit der Akzeptanz von Regeln zu haben.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in den Printausgaben oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/dc/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 19. bis 21. Januar 2013: Arbeitnehmer-Datenschutz alter Art – Rundfunk-Finanzierung neuer Art – BMJ-Pressesprecher mit Unart . In: Legal Tribune Online, 21.01.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8003/ (abgerufen am: 04.05.2024 )
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