Im sogenannten Exorzismus-Prozess erging das Urteil. Außerdem in der Presseschau: Martin Schulz kündigt Korrektur der Agenda 2010 an und vom BGH wird ein Grundsatzurteil zu gekündigten Hochzins-Bausparverträgen erwartet.
Thema des Tages
LG Frankfurt/Main zu Exorzismus: Im Prozess um einen tödlichen "Exorzismus" hat das Landgericht Frankfurt am Main sein Urteil gesprochen. Die Hauptangeklagte, eine 45-jährige Cousine des Opfers, wurde wegen schwerer Körperverletzung mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Gegen vier weitere mitangeklagte Familienmitglieder wurden Bewährungsstrafen zwischen anderthalb und zwei Jahren verhängt. Der ursprüngliche Vorwurf des gemeinschaftlichen Mordes habe sich nicht bestätigt. Die Angeklagten hätten nicht als "grausame Folterer", sondern aus einer spirituellen Überzeugung gehandelt – im Glauben, ihre 41 Jahre alte Verwandte von einem Dämonen heilen zu können. Die Tat hatte sich am 5. Dezember 2015 im Zimmer eines großen Frankfurter Hotels ereignet: Als die Südkoreanerin mitten in der Nacht begann, Selbstgespräche zu führen und um sich zu schlagen, entschlossen sich ihre Angehörigen zu einem sogenannten Exorzismus. Dabei sollen sie die Frau auf den Boden gedrückt, sie geschlagen und getreten und ihr ein Handtuch sowie einen mit Stoff bezogenen Kleiderbügel in den Mund geschoben haben – woran die Frau schließlich erstickte. Es berichten die SZ (Susanne Höll), die FAZ (Helmut Schwan) und die taz (Christoph Schmidt-Lunau).
Rechtspolitik
EU-Einheitspatent: Auf lto.de erläutern die Rechtsanwälte Tilman Müller-Stoy und Armin Schwitulla das Vorhaben zu einem einheitlichen EU-weiten Patentsystem und gehen darauf ein, warum die Umsetzung durch den Brexit ins Stocken geriet.
Sozialreformen: Der SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz hat am Montag auf einer SPD-Arbeitnehmerkonferenz in Bielefeld angekündigt, Teile der Agenda 2010 korrigieren zu wollen. Wie die taz (Barbara Dribbusch) berichtet, wolle er die sachgrundlose Befristung bei Arbeitsverträgen abschaffen und die von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) konzipierte Mindestrente einführen. Heribert Prantl (SZ) hält dies für den Versuch einer Wiedereintrittserklärung der SPD als Partei der kleinen Leute.
Handykontrolle: Nun berichtet auch die BadZ (Christian Rath) über die Pläne des Bundesinnenministeriums, nach denen es dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) künftig möglich sein soll, Handys, Tablets und Laptops von Asyl-Antragstellern auszulesen. Völlig neu sei das nicht. Das Auslesen werde bisher jedoch nur zur Identitätsfeststellung im Rahmen von Abschiebungen praktiziert. In der neuen Regelung gehe es dagegen um das Asylverfahren. Ziel sei es, Fälle aufzudecken, in denen Asylbewerber ihr Herkunftsland falsch angeben, um so ihre Anerkennungschancen zu erhöhen.
"Non legal Outsourcing": Mit einem Gesetzentwurf zur Reform von § 203 Strafgesetzbuch (StGB) soll dem sogenannten "Non legal Outsourcing", also der Inanspruchnahme von IT-Dienstleistungen durch Anwälte, ein rechtlicher Rahmen gegeben werden. Nach Einschätzung des Professors Niko Härting auf lto.de ist das Vorhaben grundsätzlich zu begrüßen. Die Kombination eines weiten Begriffs des "Offenbarens" mit der Anforderung der "Erforderlichkeit" könne jedoch zu einem gewaltigen Bremsklotz für die digitale Zukunft der Anwaltschaft werden.
Stalking: Welche Schwachstellen die unlängst vom Bundesrat beschlossene Änderung des § 238 StGB, durch die Nachstellung vom konkreten Erfolgsdelikt zum abstrakten Gefährdungsdelikt wird, offenbart, erläutert die Rechtsanwältin Yvonne Conzelmann auf lto.de.
Insolvenzanfechtung: Bei der Reform des Insolvenzrechts werden den Finanzämtern und Sozialkassen nun doch keine Sonderrechte eingeräumt, berichtet das HBl (Heinke Anger). Ursprünglich war für das Gesetz, das der Bundestag nun beschlossen hat, eine Regelung vorgesehen, nach der per Zwangsvollstreckung erwirkte Zahlungen vor Insolvenzanfechtung geschützt sein sollten. Private Gläubiger, die sich selbst keinen Titel ausstellen können, sondern den Weg über die Gerichte gehen müssen, wären dadurch benachteiligt gewesen.
Justiz
BGH – Kündigung von Bausparverträgen: Rund 260.000 Bausparern wurde ihr Vertrag gekündigt, weil die Bausparkassen ihnen nicht mehr die ursprünglich vereinbarten, vergleichsweise hohen Zinsen zahlen wollten. Am heutigen Dienstag wird der Bundesgerichtshof über die Rechtmäßigkeit der Kündigung von zwei Verträgen durch die Wüstenrot-Bausparkasse verhandeln. Erwartet wird ein Grundsatzurteil, schreibt der Tsp (Ursula Knapp/Alexander Hübner). Es berichtet auch swr.de (Klaus Hempel).
OLG Düsseldorf – Marco G.: Im Prozess vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf gegen den mutmaßlichen Bombenleger vom Bonner Hauptbahnhof, Marco G., hat die Verteidigung Freispruch beantragt. Weil der Zünder der Bombe nie gefunden wurde, sei davon auszugehen, dass nur eine "ernsthafte Warnung" ausgesprochen werden sollte, so die Argumentation. Es berichtet die SZ (Annette Ramelsberger).
LG Köln – Mohammad J.: Vor dem Landgericht Köln hat der Prozess gegen den 16-jährigen syrischen Flüchtling Mohammad J. begonnen, der im vergangenen September unter Anleitung eines Mentors des "Islamischen Staats" einen Bombenanschlag in Köln geplant haben soll. Wie die FAZ (Reiner Burger) schreibt, wurde diese Form virtuellen "Terror-Coachings" von den Ermittlungsbehörden auch bei den Angriffen auf einen Polizisten in Hannover und Zugreisende in Würzburg als Tatantrieb identifiziert.
LG Berlin – Illegales Autorennen: Im Prozess vor dem Landgericht Berlin um das tödliche Autorennen auf dem Kurfürstendamm hat die Staatsanwaltschaft erläutert, warum das Geschehen als Mord einzustufen sei und lebenslange Freiheitsstrafen gefordert. Es sei das erste Mal in der Rechtsgeschichte, dass ein solcher Vorfall als Mord gewürdigt werden könnte, schreibt die taz (Uta Eisenhardt).
LG Berlin zu Vatermord: Wie die SZ meldet, hat das Landgericht Berlin einen 23-Jährigen wegen Raubmordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt, weil er seinen Vater tötete, um knapp 4.000 Euro zu erbeuten.
VG Berlin zu Hintergrundgesprächen: Der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV), Frank Überall, hält den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin, nach dem das Kanzleramt Auskunft über sogenannte Hintergrundgespräche mit Journalisten erteilen muss, für eine Farce. Viel wichtiger sei es zu wissen, mit welchen Lobbyisten die Kanzlerin rede, gibt der Tsp (Jost Müller-Neuhof) seine Einschätzung wieder.
VG Berlin zu Rettungswagen: Wie die FAZ (Mechthild Küpper) schreibt, wurde das Bezirksamt im Stadtteil Friedenau vom Verwaltungsgericht Berlin dazu verurteilt, eine Straße leichter passierbar für den Autoverkehr zu machen, um einen schnelleren Einsatz der dort stationierten Rettungswagen zu gewährleisten.
Recht in der Welt
Polen – Verfassungsgerichtsbarkeit: Auf verfassungsblog.de befasst sich der Professor Tomasz Tadeusz Koncewicz in zwei Artikeln, Part I und Part II, mit der Rolle der Justiz in Polen (in englischer Sprache).
Auslieferung aus Neuseeland – Kim Dotcom: Nach einem Bericht von zeit.de hat der High Court Neuseelands bestätigt, dass der Megaupload-Gründer Kim Dotcom an die USA ausgeliefert werden darf, wo ihm unter dem Vorwurf massiver Urheberrechtsverletzungen, des Betrugs und der Geldwäsche bis zu 20 Jahre Haft drohen.
Sonstiges
Antworten von Facebook: Was sich aus Mark Zuckerbergs Visionen zur Gestaltung der Globalen Gesellschaft im Hinblick auf Fragen nach Sicherheit, Gewaltenteilung und "Fake News" ergibt, erläutert die Sozialwissenschaftlerin Julia Krüger auf netzpolitik.org. Die Devise laute "Mehr Facebook".
Das Letzte zum Schluss
Nicht für Polizeiautos: Der vom Bundesverkehrsminister angeordnete Rückruf von VW-Fahrzeugen, in dessen Rahmen die Software zur Abgasmanipulation gelöscht werden soll, gilt nicht für bayrische Polizeiautos. Wie die SZ (Kristiana Ludwig) schreibt, hat Bayerns Innenminister Joachim Herrmann angeordnet, 500 betroffene Polizeifahrzeuge vorerst nicht in die Werkstatt zu schicken. Seine Befürchtung: Durch die Tüftelei am Bordcomputer könnten langfristige Folgeschäden entstehen, auf denen der Freistaat sitzen bleiben würde, weil VW hierfür keine Garantie übernimmt.
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ml
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 21. Februar 2017: Exorzismus-Prozess / Sozialer Wandel / Hoffnung für Bausparer . In: Legal Tribune Online, 21.02.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22131/ (abgerufen am: 03.05.2024 )
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