Das EU-Parlament billigt umstrittenes Freihandelsabkommen. Außerdem in der Presseschau: Die Bundesanwaltschaft geht gegen Ditib vor, Tuifly muss Entschädigungen an Fluggäste zahlen und Alkoholrazzia auf Polizeiwachen sorgt für Ernüchterung.
Thema des Tages
Freihandelsabkommen Ceta: Das EU-Parlament hat mit deutlicher Mehrheit dem europäisch-kanadischen Freihandelsabkommen Ceta zugestimmt, wie die SZ (Alexander Mühlauer), die FAZ (Hendrik Kafsack) und die taz (Linda Gerner/Eric Bonse) berichten. Nun müsse eine Ratifizierung durch die nationalen Parlamente erfolgen.
BayVerfGH zu Ceta: Wie der Bayerische Verfassungsgerichtshof entschied, muss die bayerische Staatsregierung kein Volksbegehren zum Freihandelsabkommen Ceta durchführen. Es würden bei der Ratifizierung des Abkommens durch die Bundesrepublik Deutschland keine Gesetzgebungskompetenzen der Bundesländer an die EU abgegeben, wie lto.de (Tanja Podolski) berichtet.
Rechtspolitik
Fluggastdatenspeicherung: Ein Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht vor, dass Fluggastdaten anlasslos bis zu fünf Jahre gespeichert werden sollen. Dabei werden 19 verschiedene Datengruppen erfasst, wie etwa Reiseziel, Kontodaten und Sonderwünsche beim Essen. Zwar solle nach sechs Monaten eine Depersonalisierung stattfinden, diese könne aber mit einem richterlichen Beschluss rückgängig gemacht werden, wie die taz (Christian Rath) und lto.de berichten.
Berufsanerkennungsrichtlinie: Wie die FAZ (Hendrik Wieduwilt) berichtet, ist das Gesetz zur Umsetzung der Berufsanerkennungsrichtlinie nun mittlerweile zum vierten Mal von der Tagesordnung des Rechtsausschusses gestrichen worden, obwohl die SPD der Union nachgegeben und die Fortbildungspflichten für Rechtsanwälte aus dem Entwurf gestrichen hatte.
Anti-Terrorismus-Richtlinie: netzpolitik.org (Tomas Rudl) befasst sich mit der europäischen Anti-Terrorismus-Richtlinie, die nach den Anschlägen von Paris im November 2015 von der EU-Kommission auf den Weg gebracht wurde und "terroristische Gefahren eindämmen" soll. Es bestehe die Gefahr, dass durch diese Richtlinie Grundrechte eingeschränkt und öffentliche Proteste kriminalisiert würden.
Vetorecht bei chinesischen Firmenübernahmen: Deutschland, Frankreich und Italien fordern laut lto.de ein stärkeres Vetorecht in Europa zum Schutz von High-Tech-Firmen vor Übernahmen durch chinesische Investoren. Dabei gehe es insbesondere um solche Übernahmen, die "unfair" seien, weil sie mit "Hilfe von staatlichen Geldern erfolgen oder speziell wichtige Technologien aus Deutschland aufkauften".
Justiz
BFH zu Firmenwagenbesteuerung: Wie der Bundesfinanzhof entschied, müssen die Zuzahlungen, die ein Arbeitnehmer für seinen Firmenwagen an den Arbeitgeber leistet, bei der Besteuerung des geldwerten Vorteils, den er durch den Gebrauch des Dienstfahrzeuges hat, zu dessen Gunsten berücksichtigt werden. Damit änderte der Bundesfinanzhof seine bisherige Rechtsprechung, wie spiegel.de und lto.de berichten.
OLG Celle zu Sachverständigengutachten: Nach dem Oberlandesgericht Celle kann von einem "Sachverständigengutachten" im Rahmen eines Strafverfahrens nur dann gesprochen werden, wenn der Untersuchende die Ermittlungsbehörden mit besonderem Fachwissen unterstützt. Dies solle dann nicht der Fall sein, wenn mit einer handelsüblichen Software Datenmaterial bloß gesichtet werde. Über das Urteil schreibt lawblog.de (Udo Vetter).
AG Hannover zu Tuifly: Das Touristikunternehmen Tuifly muss Entschädigungen an Reisende zahlen, nachdem diese auf Grund massenhafter Krankmeldungen des Tuifly-Flugpersonals im vergangenen Herbst ihre Flüge nicht oder nur verspätet antreten konnten. Wie das Amtsgericht Hannover feststellte, habe es sich bei den massenhaften Krankmeldungen nicht um einen Streik und somit auch nicht um höhere Gewalt gehandelt, die einen Anspruch nach der Fluggastrechteverordnung ausgeschlossen hätte. Es berichten die SZ (Angelika Slavik), die FAZ (Christian Müßgens) und das Hbl (Christoph Schlautmann).
Timo Kotowski (FAZ) kritisiert, dass die Fluggastrechteverordnung zwar den Passagieren im Grundsatz höhere Entschädigungen in Aussicht stelle, im konkreten Fall aber immer wieder umstritten sei.
VG Dresden zu Kunstinstallation: Wie lto.de und zeit.de melden, hat das Verwaltungsgericht Dresden einen Eilantrag eines Dresdeners abgelehnt, der sich gegen die Kunstinstallation "Monument" vor der Dresdener Frauenkirche wehren wollte. Die Installation sei insbesondere im Gedenken an die Opfer des 13. Februars 1945 "unangemessen und respektlos", hieß es zur Begründung des Antrags. Das Gericht wies das Begehren bereits aufgrund der fehlenden Antragsbefugnis ab.
AG Berlin-Tiergarten zu Bushido: Der berühmte Rapper Bushido hat, nachdem er einen Strafbefehl akzeptierte, eine 11-monatige Freiheitsstrafe ausgesetzt zur Bewährung wegen versuchten Versicherungsbetrugs zu vergegenwärtigen, berichtet lto.de. Im Jahre 2014 hatte Bushido einen vermeintlichen Einbruch in sein Aquaristikgeschäft, bei dem ein Schaden in Höhe von 360.000 Euro entstanden sei, seiner Versicherungsgesellschaft gemeldet.
BVerfG – Tarifeinheitsgesetz: Die wissenschaftlichen Mitarbeiter Samir Buhl und Matthias Münder befassen sich auf juwiss.de in einem zweiten Teil ihres mehrteiligen Aufsatzes zum Tarifeinheitsgesetz mit der Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht. Das Bundesverfassungsgericht hatte sich am gestrigen zweiten Verhandlungstag unter anderem mit dem Gewährleistungsgehalt von Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz, den es durch das Gesetz berührt sah, und mit der Frage nach der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung zu beschäftigen. Die Autoren halten das Tarifeinheitsgesetz für verfassungswidrig.
OLG München – NSU-Prozess: Beate Zschäpes Wahlverteidiger Hermann Borchert kündigte laut zeit.de (Tom Sundermann) an, die Ladung einer Gefängniswärterin zu beantragen, die mit Zschäpe in der Haftanstalt Kontakt hatte. Ziel sei es, den psychiatrischen Gutachter Henning Saß zu widerlegen.
BAW – Ditib: Im Rahmen von Ermittlungen der Bundesanwaltschaft haben Beamte des Bundeskriminalamts und der Länder Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz die Wohnungen von vier Imamen durchsucht. Diese stehen im Verdacht, Informationen über mutmaßliche Anhänger der Gülen-Bewegung in ihrer Region gesammelt und an die türkische Regierung weitergeleitet zu haben. Seit Mitte Januar ermittelt die Bundesanwaltschaft gegen den muslimischen Dachverband "Türkische-Islamische Union der Anstalt für Religion" (Ditib) wegen des Verdachts von Spionagetätigkeiten. Bundesjustizminister Heiko Maas forderte die Ditib nun auf, sich "glaubhaft von Ankara zu lösen." Es berichten die FAZ (Reiner Burger/Rainer Hermann) und die taz (Daniel Bax). Rechtsprofessor Hans Michael Heinig hält in einem Gastbeitrag für die FAZ derartige Forderungen wie jene des Bundesjustizministers für keine unzulässige Einmischung, sondern für eine "Klarstellung des verfassungsrechtlich Gebotenen". Die Welt (Annelie Naumann/Tim Röhn) thematisiert in ihrem Bericht auch die Passivität der deutschen Justiz und die spät erfolgten Durchsuchungen.
Persönlichkeitsrecht: Der auf Medienrecht spezialisierte Rechtsanwalt Niklas Haberkamm befasst sich auf lto.de mit dem Recht am eigenen Bild in zivilrechtlicher und strafrechtlicher Hinsicht. Dabei sei die Rechtslage seit der "Herrenreiter"-Entscheidung des Bundesgerichtshofes klar, allerdings resultierten Schwierigkeiten in der schnellen und effektiven Durchsetzung der Ansprüche.
Arbeitsrecht: Auf der Jahrespressekonferenz des Bundesarbeitsgerichts wurde der europäische Einfluss auf das Arbeitsrecht thematisiert. Die Zahl der Fälle vor dem Bundesarbeitsgerichts sei konstant geblieben, die Fälle aber komplizierter, weil europäische Normen stark an Bedeutung gewinnen würden. Dies spiegele sich auch in den Vorlagebeschlüssen des Gerichts an den Europäischen Gerichtshof wider, wie die FAZ (Marcus Jung) berichtet.
RAK Düsseldorf: Anwälte in Düsseldorf wünschen neue, transparentere Führungsstrukturen in der Rechtsanwaltskammer Düsseldorf. Insbesondere sollen Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgelder offengelegt werden. Außerdem solle das Vermögen, ähnlich wie es bei der Berliner Rechtsanwaltskammer zur Diskussion steht, bis auf eine Liquiditäts- und Ausgleichsrücklage abgeschmolzen werden. Es berichtet lto.de (Pia Lorenz).
Recht in der Welt
Rumänien – Korruption: Auf verfassungsblog.de schreibt Rechtsprofessorin Bianca Selejan Gutan (in englischer Sprache) über die Nachwirkungen der massenhaften Proteste in Rumänien gegen das umstrittene Dekret der rumänischen Regierung zur Lockerung der Antikorruptionsgesetze. Zur Diskussion stehe seitdem auch ein Referendum über Anti-Korruptionsmaßnahmen.
Türkei – Verfahren gegen Journalisten: Der Enthüllungsjournalist Ahmet Sik muss sich nach einem Bericht der taz (Jürgen Gottschlich) vor einem türkischen Gericht verantworten. Ihm und zehn weiteren Journalisten wird vorgeworfen, der Gruppierung "Ergenekon" anzugehören, die in den Jahren 2008 bis 2011 den gewaltsamen Umsturz der Erdogan-Regierung geplant haben soll. Zugeordnet wurden sie den vermeintlichen Putschisten auf Grund von Artikeln und Büchern über die Tätigkeiten der Gülen-Bewegung.
USA – Präsidialdekrete und Justiz: In einem Interview mit zeit.de (Josef Joffe) spricht der Verfassungsrechtler Gerhard Caspar über das Regieren von US-Präsidenten per Dekret und deren Kontrolle durch die US-amerikanische Justiz.
Sonstiges
Recht und Digitalisierung: Ex-Bundesverfassungsrichter Paul Kirchhof befasst sich in einem Gastbeitrag für die FAZ mit dem Einfluss der Digitalisierung auf das Recht. Er erklärt, weshalb sich in der digitalen Informationsgesellschaft Grundlagen von Staat und Wirtschaft elementar veränderten. Dabei könne die Digitalisierung die Rechtsanwendung erleichtern und Gleichheit vor dem Gesetz sichern. Kirchhof zeigt sich auch optimistisch, dass eine freiheitliche Nutzung der Digitaltechnik möglich sei, es müsse aber Raum bleiben für "Individualität, Spontanität, freiheitliche Selbstbestimmung", denn Freiheit lasse sich nicht formatieren.
Sexualstrafrecht: In einem Gastbeitrag für die Zeit setzt sich die Kriminologin und Soziologin Daniela Klimke mit Sexualdelinquenz und vor allem mit der Entwicklung des Diskurses um Opfer von sexuellen Grenzverletzungen auseinander. Das Strafrecht verliere als "Schutzversprechen" seinen Ultima-ratio-Zweck und werde als "Allheilmittel gegen empfundenes Unrecht und geschlechtliche Machtschräglagen angesehen".
Völkerrecht: In der "SZ Spezial – Sicherheit" (Stefan Ulrich) findet sich ein kurzer geschichtlicher Abriss des internationalen Rechts und ein Bericht über den gegenwärtigen "destruktiven Trend" der internationalen Politik mit Blick auf das Völkerrecht.
Das Letzte zum Schluss
Alkoholrazzia bei Polizei: Hat die Bochumer Polizei ein ernstzunehmendes Alkoholproblem? Trotz des strengen Alkoholverbotes in Diensträumen wurden laut einem Bericht auf wdr.de bei stichprobenartigen Durchsuchungen in acht Polizeiwachen in Bochum, Witten und Herne mehrere Flaschen Bier und Schnaps gefunden. Die Staatsanwaltschaft Bochum prüfe nun, ob sie Ermittlungsverfahren einleite, weil einige Polizisten nach dem Alkoholkonsum auf der Wache auch Auto gefahren seien sollen.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/lz
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 16. Februar 2017: Ceta ist beschlossen / Razzia bei Ditib-Imamen / Alkoholkonsum in Polizeiwachen . In: Legal Tribune Online, 16.02.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22117/ (abgerufen am: 06.05.2024 )
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