Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darf die Bundesregierung die NSA-Selektorenliste zurückhalten. Außerdem in der Presseschau: Amnesty-Beschwerde gegen G 10-Gesetz und Tschechien darf Hausgeburten erschweren.
Thema des Tages
BVerfG zu NSA-Selektoren: Die Bundesregierung ist nicht verpflichtet, die NSA-Selektorenliste dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss vorzulegen. Ein entsprechender Antrag der Fraktionen der Linken und der Grünen wurde vom Bundesverfassungsgericht abgelehnt. Zwar sei die Selektorenliste grundsätzlich vom Beweiserhebungsrecht des Untersuchungsausschusses erfasst, jedoch seien die Geheimhaltungsinteressen im konkreten Fall höher zu gewichten. Die Herausgabe würde die Kooperationsfähigkeit der deutschen Nachrichtendienste mit der NSA und damit die außen- und sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit der Bundesregierung gefährden. Die NSA hatte dem BND die Selektoren zur Überwachung von Telekommunikation übermittelt. Die SZ (Wolfgang Janisch), die FAZ (Alexander Haneke), die taz (Christian Rath), tagesschau.de (Klaus Hempel), zeit.de (Kai Biermann) und netzpolitik.org (Anna Biselli) erläutern die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts.
Ronen Steinke (SZ) kritisiert, dass "nun selbst das Bundesverfassungsgericht den BND gegen kritische Fragen" abschirme. Es sei nicht neu, dass Geheimdienste einen "Fremdkörper im System der Gewaltenteilung" darstellten. Neu sei jedoch die Resignation der Justiz. Reinhard Müller (FAZ) betont hingegen, dass Deutschland auf die Zusammenarbeit der Dienste angewiesen sei. Gleichwohl müsse Berlin auch weiterhin deutlich machen, dass Partner nicht alles dürften.
Rechtspolitik
Autobahnen: Die Bundesautobahnen bleiben im Eigentum des Bundes. Das sieht ein entsprechender Entwurf für eine Grundgesetzänderung aus dem Bundesfinanzministerium vor, über den die FAZ (Manfred Schäfers), die Welt (Nikolaus Doll) und das Hbl (Jan Hildebrand) schreiben. Umstritten ist jedoch noch, ob an der Gesellschaft, die für die Verwaltung der Straßen eingerichtet werden soll, auch private Investoren beteiligt werden können.
Vermögensverschleierung: Die Justizministerkonferenz wird sich am Donnerstag mit einem Beschlussvorschlag des Hamburger Justizsenators Till Steffen (Grüne) befassen, nach dem die Verschleierung von Vermögenswerten unter Strafe gestellt werden soll. Das meldet die FAZ (Hendrik Wieduwilt).
Fortbildungspflicht für Steuerberater: Bei der Konferenz des Deutschen wissenschaftlichen Instituts der Steuerberater e.V. wurde vergangene Woche über mögliche Fortbildungspflichten für Steuerberater diskutiert. Anlass sei weniger die fehlende Qualität als vielmehr die Verteidigung der hohen Eintrittshürden gegenüber der Europäischen Kommission. Die FAZ (Hendrik Wieduwilt) berichtet und weist darauf hin, dass für Ärzte bereits Fortbildungspflichten gelten und die Bundesrechtsanwaltskammer diese künftig auch für Rechtsanwälte festlegen können soll.
Kopftuchverbot an Gerichten: Christian Rath kritisiert auf lto.de die Pläne des baden-württembergischen Justizministers Guido Wolf (CDU), Richtern das Tragen religiöser Symbole zu verbieten. Das Tragen eines Kopftuchs begründe keine Besorgnis über die Neutralität des Gerichts oder die Befangenheit der Richterin. Das geplante Verbot sei daher verfassungswidrig.
Justiz
BVerfG – G 10-Gesetz: Amnesty International hat Verfassungsbeschwerde gegen das reformierte G 10-Gesetz eingelegt, in dem die Befugnisse des BND zur strategischen Überwachung transnationaler Kommunikation ausgeweitet wurden. Amnesty sieht das Fernmeldegeheimnis auch von Ausländern verletzt. Die Beschwerde wurde vom Mainzer Professor Matthias Bäcker formuliert und wird von der neu gegründeten Gesellschaft für Freiheitsrechte unterstützt. Die SZ (Wolfgang Janisch), die taz (Christian Rath), zeit.de (Kai Biermann) und netzpolitik.org (Markus Reuter) berichten.
LG Frankfurt – Exorzismus: Im Exorzismus-Prozess vor dem Frankfurter Landgericht hat erstmals einer der Angeklagten ausgesagt. Der 22-Jährige gab an, nicht mit dem Tod seiner Tante gerechnet zu haben. Ihm wird vorgeworfen mit vier anderen Familienmitgliedern, die Mitglieder einer christlichen koreanischen Sekte sein sollen, bei einer Teufelsaustreibung seine Tante umgebracht zu haben, wie die SZ (Susanne Höll) schreibt.
VG Hamburg – Verdeckte Ermittlerin: Über den Einsatz einer verdeckten Ermittlerin in Hamburgs linker Szene, der inzwischen das Verwaltungsgericht Hamburg beschäftigt, schreibt jetzt auch die FAZ (Frank Pergande).
LG Amberg zu Anschlag auf Flüchtlingsheim: Das Landgericht Amberg hat einen 25-Jährigen wegen gefährlicher Körperverletzung und versuchter schwerer Brandstiftung zu einer Haftstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Mann im Februar eine mit einer brennbaren Flüssigkeit gefüllte Flasche durch ein Fenster in eine Flüchtlingsunterkunft geworfen hat, wie zeit.de meldet.
Recht in der Welt
EGMR zu Hausgeburt in Tschechien: Laut Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gibt es kein Recht auf eine Hausgeburt mit Hebamme. Geklagt hatten zwei Frauen aus Tschechien, die Hausgeburten mit Hebamme vollziehen wollten. In Tschechien dürfen Hebammen jedoch nur helfen, wenn eine bestimmte medizinisch-technische Ausstattung vorhanden ist. Dies sei mit der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar, entschieden die Richter aus Straßburg laut FAZ (Helene Bubrowski). Zwar greife die Regelung in das Recht auf Privatleben ein, sie sei jedoch durch den intendierten Gesundheitsschutz gerechtfertigt.
IStGH – CIA-Folter: Die Anklagebehörde des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag wird demnächst entscheiden, ob sie Ermittlungen wegen möglicher Verbrechen von US-Streitkräften in Afghanistan aufnimmt. Im Jahresbericht der Behörde heißt es, es gebe Gründe zur Annahme, dass im Zeitraum 2003 bis 2004 Folter und Misshandlungen begangen worden seien, so die taz (Dominic Johnson).
USA – Wahl von Trump: In einem englischsprachigen Beitrag auf lto.de analysiert Andrew Hammel, ehemaliger Professor für amerikanisches Recht, die Wahl von Donald Trump zum Präsidenten sowie die politischen und rechtlichen Folgen, insbesondere im Hinblick auf den US Supreme Court.
USA – Hitzetod: In Georgia ist ein Mann wegen Mordes verurteilt worden, nachdem sein Sohn im Auto den Hitzetod erlitt. Das Gericht glaubte dem Angeklagten nicht, dass es sich um einen Unfall handelte. Die Welt (Michael Remke) und spiegel.de berichten.
USA – Prozess gegen "Jan Rouven": In Las Vegas hat der Prozess gegen Jan Rouven Füchtener begonnen. Dem deutschen Magier wird Besitz von Kinderpornografie vorgeworfen, ihm drohen bis zu 90 Jahre Haft, wie die FAZ (Christiane Heil) schreibt.
Polen – Rechtsstaatsverfahren: In einem englischsprachigen Beitrag auf verfassungsblog.de kritisieren Laurent Pech und Kim Lane Scheppele die Äußerungen des EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, das Rechtsstaatsverfahren gegen Polen aufzugeben. In Zeiten von zunehmendem Populismus brauche es eine starke Verteidigung liberaler Werte.
Sonstiges
Verbot von Salafistenverein: Wie unter anderem die SZ (Matthias Drobinski) berichtet, hat das Bundesinnenministerium die Salafistenvereinigung "Die Wahre Religion" verboten. In einem Kommentar weist Matthias Drobinski (SZ) darauf hin, dass es heikel sei, religiöse Vereine zu verbieten. In diesem Fall gebe es aber gute Gründe für ein Verbot. Jasper von Altenbockum (FAZ) begrüßt das Verbot, gibt aber zu bedenken, dass "dieser auch duldsame Staat mitunter Gefahr läuft, sich lächerlich zu machen".
Die taz (Christian Rath) erläutert die Voraussetzungen von Vereinsverboten und weist darauf hin, dass 2001 das sogenannte Religionsprivileg abgeschafft wurde, nach dem religiöse Vereine nicht verboten werden durften.
Normative Ordnungen: Die FAZ (Gerald Wagner) berichtet von einer Diskussion des Soziologen Armin Nassehi mit dem Rechtswissenschaftler Christoph Möllers am Berliner Maxim-Gorki-Theater über normative Ordnungen.
Luther und das Recht: Der Rechtsprofessor Michael Stolleis rezensiert im FAZ-Feuilleton das Buch "Martin Luthers Reformation und das Recht" des Staatsrechtlers und Rechtshistorikers Martin Heckel, in dem dieser darlegt, welchen Einfluss Luthers Theologie auf die Entwicklung des Rechts hatte.
Compliance bei der Umsatzsteuer: Der Rechtsanwalt Helge Jacobs befasst sich in der FAZ mit Compliance Management-Systemen, die steuerrechtliche Verstöße verhindern sollen. Angesichts häufiger Fehler bei Umsatzsteuervoranmeldungen könnten klar geregelte Dokumentationspflichten und Zuständigkeiten dazu beitragen, steuerstrafrechtliche Vorwürfe zu entkräften.
Erbschaftsteuer: Die Rechtsanwälte Christian von Oertzen und Frank Hannes erläutern in der FAZ die verschiedenen Verschonungssäulen für das Betriebsvermögen nach der inzwischen unterzeichneten und verkündeten Erbschaftsteuerreform.
Fischer zu Wahrheit: In seiner Kolumne auf zeit.de beschäftigt sich Bundesrichter Thomas Fischer diesmal ausführlich mit der Unterscheidung von Wahrheit und Lüge, Kriterien zur Glaubwürdigkeitsbeurteilung und Traumata.
Das Letzte zum Schluss
Noch eine Newsletter-Panne: Nachdem vergangene Woche bereits der Bundesgerichtshof mit fehlerhaften Newsletter-Einstellungen glänzte, ist dem Münsteraner IT-Rechts-Professor Thomas Hoeren laut FAZ (Hendrik Wieduwilt) ein ähnliches Malheur passiert. Antworten auf den Newsletter wurden an sämtliche Empfänger verschickt. Darunter war auch eine Abwesenheitsnotiz der Sparkasse Oberhausen, die – kaum war sie über den Verteiler geschickt – eine neue Abwesenheitsnotiz hervorrief usw. Wann die E-Mail-Flut endete, ist nicht bekannt.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/dw
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 16. November 2016: NSA-Selektoren bleiben geheim / Beschwerde gegen G 10-Gesetz / Hausgeburt ohne Hebamme . In: Legal Tribune Online, 16.11.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21166/ (abgerufen am: 29.04.2024 )
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